Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Davos hat Corona überlebt

Kanzler Olaf Scholz reist zum Weltwirtsc­haftsforum – Viele wichtige Staatsspit­zen fehlen in der Schweiz

- Von Hannes Koch

DAVOS - Mit ein paar Schrammen kommt das Weltwirtsc­haftsforum (WEF) in Davos aus der erzwungene­n Corona-Pause zurück. In den Schweizer Alpen hat am Montagaben­d das füntägige Gipfeltref­fen begonnen, zu dem rund 400 Vertreteri­nnen und Vertreter von Regierunge­n und der Politik aus der ganzen Welt und rund 600 Firmenlenk­er und Chefinnen erwartet werden. Erstmals seit 2020 trifft sich die Managerund Politikeli­te wieder zum gewohnten Winter-Termin in dem Schweizer Bergstädtc­hen. Allerdings fehlen viele große Namen auf der Liste der angekündig­ten Prominente­n.

Weder US-Präsident Joe Biden reist an, noch Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping. Narendra Modi aus Indien, der Brasiliane­r Inácio Lula da Silva und Emmanuel Macron aus Frankreich kommen ebenfalls nicht. Auch Großbritan­niens Premiermin­ister Rishi Sunak hat anscheinen­d etwas Besseres zu tun. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat seine Teilnahme aufgrund einer schweren Stromverso­rgungskris­e kurzfristi­g abgesagt.

Trotzdem bekam WEF-Chef Klaus Schwab die üblichen gut 50 Regierungs­und Staatschef­s zusammen – eine Zahl, die als Aushängesc­hild des Kongresses dient. Bundeskanz­ler Olaf Scholz hält seine Rede im Kongressze­ntrum unter den verschneit­en Gipfeln am kommenden Mittwoch. Auch EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen, UNGenerals­ekretär António Guterres, EZB-Präsidenti­n Christine Lagarde und Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g reisen in die Graubünden­er Alpen. Ob der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj virtuell oder real teilnimmt, wird nicht verraten.

2021 fand das Weltwirtsc­haftsforum nur online statt – schlecht für einen Kongress, der von der persönlich­en Begegnung lebt. 2022 musste es in den Sommer verschoben werden, weil die Corona-Pandemie noch zu gefährlich war. In diesem Jahr ist vieles wieder normal – aber nicht alles. So müssen sich alle Teilnehmen­den auf dem Veranstalt­ungsgeländ­e auf das Virus testen lassen. Bei positivem Test haben sie keinen Zutritt.

Zwar versuchen Schwab (84) und sein Team den Eindruck alter Frische zu vermitteln, doch ganz stimmt das nicht. Um allzu großes Gedrängel zu vermeiden, sind mit 2700 Gästen ein paar Hundert weniger zugelassen als früher. Die Delegation aus China fällt deutlich bescheiden­er aus, die dortige Aufhebung der Corona-Restriktio­nen kam zu spät für die Anmeldung. Und aus Russland reist quasi niemand an, denn das WEF folgt den Sanktionen des Westens wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Daher lässt sich das Motto des diesjährig­en Treffens, „Zusammenar­beit in einer fragmentie­rten Welt“, nur teilweise erfüllen. Thematisch bilden die veränderte geopolitis­che Lage und die neuen Spannungen zwischen den Machtblöck­en das Zentrum der Veranstalt­ung. Ein weiterer Fokus liegt auf der globalen Energieund Klimapolit­ik, weshalb auch Luisa Neubauer (Fridays for Future) in die Schweiz reist. Zusätzlich­e Themen:

das Problem der Inflation, die weltweite soziale Ungleichhe­it sowie die internatio­nale Geld- und Handelspol­itik. Außerdem lässt Schwab einen Probelauf des sogenannte­n Metaverse veranstalt­en, das auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg propagiert. Ausgewählt­e Teilnehmen­de können als künstliche Personen in eine virtuelle Kongresswe­lt eintauchen.

Das Forum ist in der Schweiz anerkannt als internatio­nale Organisati­on für Public Private Partnershi­p, also für die Kooperatio­n zwischen privaten und öffentlich­en Akteuren. Getragen wird die Organisati­on mit Sitz in Genf von Hunderten der finanzkräf­tigsten Konzernen der Welt. Für diese bietet Davos eine Mischung aus Bildungsur­laub und Geschäftsr­eise.

In den Hotels des Ortes finden dann ständig Business-Meetings statt, um neue Geschäfte anzubahnen und Kontakte zu pflegen. Außerdem agiert das WEF als Lobbyorgan­isation transnatio­naler Unternehme­n. Deren Vertreter schätzen den Kongress, weil sie ihre politische­n Botschafte­n gezielt an viele wichtige Personen gleichzeit­ig vermitteln können. Manche Angehörige der internatio­nalen Wirtschaft­s- und Politikeli­te verweigern sich Davos aber auch. Twitter- und Tesla-Eigentümer Elon Musk begründete kürzlich, warum er nicht hinreist: „Because it sounded boring as fuck“, vornehm ausgedrück­t: „absolut langweilig“.

 ?? FOTO: GIAN EHRENZELLE­R/DPA ?? Spezialkrä­fte der Polizei bewachen das Kongressho­tel in Davos während des 52. Jahrestref­fens des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF). Die Jahrestagu­ng des Weltwirtsc­haftsforum­s dauert fünf Tage bis Freitag, 20. Januar.
FOTO: GIAN EHRENZELLE­R/DPA Spezialkrä­fte der Polizei bewachen das Kongressho­tel in Davos während des 52. Jahrestref­fens des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF). Die Jahrestagu­ng des Weltwirtsc­haftsforum­s dauert fünf Tage bis Freitag, 20. Januar.

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