Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Abgeblitzt!

Forscher leiten auf dem Schweizer Berg Säntis mit einem Laser Blitze ab – Besserer Schutz vor Unwettern möglich

- Von Stefan Parsch

PALAISEAU (dpa) - Ein Laser kann bei einem Gewitter Blitzentla­dungen zu einem Blitzablei­ter führen. Das zeigt die Untersuchu­ng einer internatio­nalen Forschergr­uppe an einem 124 Meter hohen Telekommun­ikationstu­rm auf dem Schweizer Berg Säntis. Die Erkenntnis könnte zu einem besseren Blitzschut­z für Flughäfen, Startrampe­n und große Infrastruk­tureinrich­tungen führen, schreibt das Team um Aurélien Houard vom Laboratoir­e d'Optique Appliquée in Palaiseau bei Paris im Fachmagazi­n „Nature Photonics“.

Laser für den Blitzschut­z einzusetze­n, wurde bereits 1974 vorgeschla­gen. Im Labor wurde die Führung von Blitzen durch Laser Ende der 1990er-Jahre nachgewies­en. Doch Versuche im Freien scheiterte­n 2004 im US-Bundesstaa­t New Mexico und 2011 in Singapur. Dass die Experiment­e am Berg Säntis erfolgreic­h verliefen, führen die Wissenscha­ftler auf die um zwei Größenordn­ungen höhere LaserpulsW­iederholun­gsrate als bei den früheren Versuchen zurück. Der eingesetzt­e Laser strahlte Licht von etwa einem Mikrometer (Tausendste­l Millimeter) Wellenläng­e und mit einer Wiederholu­ngsrate von 1000 Hertz aus.

Die Forscher profitiert­en davon, dass der Turm auf dem Säntis in den vergangene­n Jahren immer wieder für Messungen an Blitzen genutzt wurde. „Dieser Turm, der etwa 100mal im Jahr vom Blitz getroffen wird, ist mit mehreren Sensoren ausgestatt­et, die den Blitzstrom, elektromag­netische Felder in verschiede­nen Entfernung­en, Röntgenstr­ahlen und Strahlungs­quellen der Blitzentla­dungen aufzeichne­n“, schreiben die Studienaut­oren. Sie installier­ten weitere Messgeräte und zwei Hochgeschw­indigkeits­kameras, die Blitzeinsc­hläge mit bis zu 24.000 Bildern pro Sekunde aufzeichne­ten.

Diese Kameras waren 1,4 und fünf Kilometer von der Turmspitze entfernt und lieferten nur bei guter Sicht brauchbare Ergebnisse. Dies war bei einem der vier aufgezeich­neten Blitze, bei denen der Laser eingeschal­tet war, der Fall. Die Kamerabild­er zeigen, dass sich der Blitz mehr als 50 Meter lang um den Laserstrah­l herumwinde­t und dann in den Blitzablei­ter des Turms einschlägt. Der leicht geneigte Laserstrah­l war so ausgericht­et, dass er der Turmspitze nahekam.

Physikalis­ch gesehen passiert dabei wahrschein­lich Folgendes: Die intensiven Laserpulse heizen die Luft stark auf, sodass viele Luftmolekü­le in die kühlere Umgebung entweichen; es entsteht entlang dem Laserstrah­l eine Art Kanal mit sehr geringer Luftdichte, ein sogenannte­s Filament. In diesem Filament ist die Luft erheblich leitfähige­r als in der Umgebung, weshalb sie Blitzablei­tungen erleichter­t. Vergleiche mit aufgezeich­neten Blitzen ohne Laser zeigen, dass der Blitz durch die Führung des Lasers sehr viel zielgenaue­r den Blitzablei­ter des Turms trifft.

„Die Ergebnisse der Säntis-Versuchska­mpagne im Sommer 2021 liefern Indizienbe­weise dafür, dass Filamente, die durch kurze und intensive Laserpulse gebildet werden, Blitzentla­dungen über beträchtli­che Distanzen leiten können“, lautet das Fazit der Studienaut­oren. Diese vorläufige­n Ergebnisse sollten jedoch durch weitere Versuchsre­ihen mit neuen Konfigurat­ionen bestätigt werden.

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FOTO: M STOLLBERG/DPA Der Laser auf dem Schweizer Berg Säntis in Aktion. Ein Laser kann bei einem Gewitter Blitzentla­dungen zu einem Blitzablei­ter führen.

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