Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zwölf Prozent ohne Masern-Impfungen
Auch Schüler und Kita-Kinder ohne Nachweis in Einrichtungen im Landkreis Ravensburg
RAVENSBURG - Obwohl der Nachweis einer Masernimpfung Pflicht ist, besuchen im Kreis Ravensburg auch Schüler und Kindergartenkinder ohne Nachweis die Einrichtungen. Die Behörden stehen vor einem Dilemma. Denn neben der MasernImpfpflicht besteht ja auch Schulpflicht.
Seit 1. März 2020 gibt es ein Masernschutzgesetz: Für Kinder gilt die Pflicht, gegen Masern geimpft zu sein, wenn sie einen Kindergarten oder die Schule besuchen. Doch dieses Kriterium erfüllen längst nicht alle Kinder. Im Kreis Ravensburg liegt die Quote vollständig geimpfter Kinder mit 87,7 Prozent etwas niedriger als im Baden-WürttembergSchnitt (89,9 Prozent), wie das Landratsamt Ravensburg, unter dessen Dach auch das Gesundheitsamt sitzt, mitteilt.
Masern – eine der ansteckendsten Krankheiten des Menschen überhaupt – wird per Tröpfcheninfektion übertragen. Sie beginnt laut RobertKoch-Institut unter anderem mit Fieber, Schnupfen und Husten und sorgt im weiteren Verlauf für Flecken im Mund und auf der Haut. Mehr als einer von 100 an Masern Erkrankten erleide eine schwere Komplikation wie Lungen- oder Gehirnentzündung, einer von 1000 sterbe, so das örtliche Gesundheitsamt.
Die Impfquote wird jährlich bei den Einschulungsuntersuchungen ermittelt. Allerdings sind die Daten veraltet, sie stellen den Stand für 2019 dar. „Neuere Daten sind aufgrund von pandemiebedingten Ausfällen in der flächendeckenden Erfassung (Schuleingangsuntersuchung) nicht vorhanden“, teilt Landratsamts-Pressesprecherin Julia Moosherr mit.
Das heißt im Umkehrschluss, dass den jüngsten Zahlen zufolge rund zwölf Prozent der Schüler und Schülerinnen im Landkreis nicht wie vorgeschrieben gegen Masern geimpft sind. Die Schule besuchen sie trotzdem. Kinder, die der gesetzlichen Schulpflicht unterliegen, können nicht wegen des fehlenden Nachweises vom Schulbesuch ausgeschlossen werden, wie Moosherr erklärt.
Anders ist es bei Kindergartenkindern: „Nichtgeimpfte Kinder können vom Besuch des Kindergartens ausgeschlossen werden“, heißt es auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums.
Zuständig für die Kontrollen der Impfpflicht sind laut Gesetz die Einrichtungen und ihre Leiter. Wenn die Leitung einer Kindertagesstätte Kinder ohne Impfung zulässt, begeht sie eine Ordnungswidrigkeit. Genauso
auch die Eltern, die ihr in Gemeinschaftseinrichtungen betreutes Kind nicht impfen lassen. Die Höhe der Geldbuße kann bei bis zu 2500 Euro liegen, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilt.
Im Kreis Ravensburg wurden bisher keine solchen Bußgelder verhängt – das könnte aber demnächst kommen. Das Gesundheitsamt sei mit der Bekämpfung der CoronaPandemie über die Maßen ausgelastet gewesen, sagt Pressesprecherin Moosherr. Gleichzeitig die nichterfüllte Masern-Impfpflicht zu sanktionieren, sei aus Kapazitätsgründen schlicht nicht möglich gewesen. Aber sie fügt hinzu: „Mit Beginn dieses Jahres haben wir mit der Bearbeitung begonnen.“
Dem Gesundheitsamt liegen schon Meldungen vor, bei wem der Masernnachweis fehlt. Kindergärten und Schulen, aber auch Arbeitgeber, deren Mitarbeiter die Masernimpfung nachweisen müssen, haben zu melden, wenn der Nachweis nicht eingereicht wird. Vor allem
für das Schulsekretariat bedeute das Arbeit, sagt die geschäftsführende Schulleiterin der Ravensburger Grundschulen und Leiterin der Neuwiesenschule, Christina Herzer.
Die Schule mache Eltern darauf aufmerksam, dass die Impfung per Impfbuch beim Eintritt in die Grundschule nachgewiesen werden muss. „Erhalten wir diesen Nachweis auch nach mehrfacher Aufforderung nicht, melde ich dies dem Gesundheitsamt“, so Herzer. So sehe es das Gesetz vor. Auch für Mitarbeiter der Schule gelte die Impfpflicht und müsse kontrolliert werden. „Ich halte es im Sinne für die Gemeinschaft richtig, diese Kontrollfunktion zu übernehmen“, sagt Herzer.
Die Masernimpfquote im Kreis Ravensburg ist in den vergangenen Jahren um rund fast vier Prozentpunkte gestiegen – 2017 lag sie nach Angaben des Gesundheitsamtes im Landkreis Ravensburg noch bei 84 Prozent. Doch das ist aus Sicht der Experten immer noch zu wenig.
Bundesweit liegt die gewünschte Impfquote bei 95 Prozent der Schulanfänger, doch diese wird nicht erreicht. Bundesweit waren im Jahr 2017 gut 93 Prozent der Schulanfänger zweimal und damit vollständig gegen Masern geimpft.
Tatsächliche Masernerkrankungen gibt es im Landkreis dennoch äußerst selten: In den vergangenen fünf Jahren wurden nur zwei Fälle registriert, je einer in den Jahren 2018 und 2020.
Der Gesundheitsamtsleiter Michael Föll hatte in der Vergangenheit zu dem Thema gesagt: „Wenn eine Krankheit sehr selten geworden ist, meint man, das Problem gibt es nicht.“Er schilderte aber die Gefahr für nicht geimpfte Kinder so: Sobald eine Person mit Masernerkrankung aus einem stärker betroffenen Gebiet in Kontakt mit einer ungeimpften Person kommt, kann es zur Ansteckung kommen. „Masern gehören zu den ansteckungsfähigsten Krankheiten, die wir kennen“, so Föll.