Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit Blitzraub anscheinend nichts zu tun gehabt
Der 35-jährige Angeklagte sagt über Ravensburger Raub: Ich habe nur das Auto gefahren
RAVENSBURG - Fast acht Jahre nach einem Raubüberfall auf ein Ravensburger Uhren- und Juweliergeschäft hat am Landgericht der Prozess gegen einen 35-jährigen Mann aus Litauen begonnen. Der Mann gab an, lediglich mitgereist, aber nicht direkt an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Der Vorwurf: Gemeinschaftlich begangenes Raubdelikt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Einige mutmaßliche Komplizen waren in den vergangenen Jahren zu Haftstrafen von zwei bis acht Jahren verurteilt worden. Die vier Täter waren mit einer Soft-Air-Pistole bewaffnet und erbeuteten wertvolle Uhren im Wert von 116.000 Euro. Zwei Angestellte wurden mit Pfefferspray besprüht. Durch das brachiale Vorgehen im Laden, als sie mit Hämmern und Äxten Vitrinen zertrümmerten, entstand ein Sachschaden von rund 20.000 Euro.
Zu Beginn der Verhandlung erklärte der Verteidiger des Angeklagten, dass aus seiner Sicht nur Beihilfe in Betracht kommen könne. Sein Mandant habe eigentlich geglaubt, man wolle Gebrauchtwagen nach Litauen überführen. Erst auf der Anreise nach Deutschland habe er von dem Vorhaben erfahren. Er sei lediglich gefahren und mehr habe er nicht dazu beigetragen.
Der Litauer ist verheiratet, hat einen einjährigen Sohn und führt ein bürgerliches Leben. Aufgrund eines europäischen Haftbefehles wurde er von Litauen in die Justizvollzugsanstalt in Ulm überführt, wo er in Untersuchungshaft sitzt.
Erstaunlich ist, wie gut sich die beiden weiblichen Angestellten noch an alle Einzelheiten der Tat erinnern können. Eine der beiden berichtet von Schockmomenten, die auch heute noch ab und zu auftreten, wenn jemand schnell die Ladentür öffnet oder die Hände in den Jackentaschen behält. Ihr hatte ein Täter das Pfefferspray direkt in die Augen gesprüht. Eine halbe Stunde konnte sie nichts sehen und dachte, sie würde erblinden. Noch heute leidet sie an einer Hornhautverätzung und muss stündlich Augentropfen verwenden. Dass die beiden Frauen den brutalen Überfall psychisch einigermaßen gut verarbeitet haben, verdanken sie der Hilfe einer Psychologin, die sie relativ schnell nach der Tat in Anspruch nehmen konnten.
Ein Polizeibeamter berichtete, dass als Belastungs- und Beweismaterial gegen den Angeklagten nur das Tatvideo vorliege, aus dem man eventuell schließen könne, dass dieser direkt am Raubüberfall beteiligt war. Zudem wurde der Mann kurz vor der Tat von Schweizer Beamten beim Grenzübertritt nach Deutschland ermittlungstechnisch erfasst. Es liegen keinerlei DNA-Spuren des Mannes am Tatort oder an den gefundenen Kleidungsstücken vor.
Der Beamte berichtete außerdem von knapp 100 vergleichbaren Fällen, in denen Juweliergeschäfte in ganz Europa nach dem gleichen Muster überfallen wurden: Die Raubüberfälle passieren nimmer am helllichten Tag, einen Tag vorher wird der Laden ausgespäht, der Überfall geschieht blitzschnell – in Ravensburg dauerte er nur 55 Sekunden – Vitrinen werden mit Axt und Hammer zertrümmert, das Werkzeug wird am Tatort zurückgelassen.
Der Prozess wird am Freitag, 27.Januar, um 8.30 Uhr fortgesetzt. Dann wird auch schon das Urteil erwartet.