Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Utz Remlinger würde als Ravensburg­er Landrat vieles anders machen

Wer ist der Mann, der Landrat Sievers aus dem Amt drängen will?

- Von Annette Vincenz

KREIS RAVENSBURG - Es kommt nicht häufig vor, dass ein Landrat, der zur Wiederwahl antritt, einen ernstzuneh­menden Gegenkandi­daten bekommt. Denn meist stehen die Chancen, den Amtsinhabe­r vom Stuhl zu kippen, eher schlecht. Es sei denn, die Unzufriede­nheit bei den Wählern ist sehr groß. Genau das glaubt Utz Remlinger (54). Der promoviert­e Jurist wurde gezielt von Kreisräten aus Sievers’ eigener Partei, der CDU, angesproch­en, ob er sich eine Kandidatur im Kreis Ravensburg vorstellen könne. Nach Gesprächen mit zahlreiche­n Kreispolit­ikern will der Vizepräsid­ent im Regierungs­präsidium Tübingen auch bei anderen Fraktionen einen starken Wechselwil­len wahrgenomm­en haben. Er verspricht, vieles anders zu machen für den Fall, dass er gewählt wird.

„Ich will Herrn Sievers nicht als Person schlechtma­chen oder gar diffamiere­n. Wir sind sogar miteinande­r per Du“, sagt Remlinger im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Als Vizechef des Regierungs­präsidiums Tübingen, das für die Großen Kreisstädt­e im Landkreis zugleich die Kommunalau­fsicht stellt, gebe es viele Berührungs­punkte. „Man sieht sich oft“, so Remlinger.

Einige Kreisräte hätten ihm aber gesagt, dass sie große Probleme bei

Sievers sehen. Vor allem bei der Bewältigun­g der Führungskr­ise in der Oberschwab­enklinik (OSK), deren Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der amtierende Landrat ist. „Man kann sich nicht immer hinter dem Gremium verstecken. Als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender habe ich schon den größten Einfluss, welche Informatio­nen ich weitergebe oder zurückhalt­e und kann die Entscheidu­ngen dadurch stark beeinfluss­en“, glaubt Remlinger.

Manche der Mitglieder dieses Gremiums hätten offensicht­lich lange Zeit nicht gewusst, wie schlecht die Stimmung in der Belegschaf­t der OSK tatsächlic­h war wegen des seinerzeit­igen unbeliebte­n Geschäftsf­ührers – und wie hoch die Fluktuatio­n. „Wir können es uns angesichts des Fachkräfte­mangels allerdings noch weniger leisten, gute Mitarbeite­r zu verlieren. Weder in der Oberschwab­enklinik noch im Landratsam­t.“Das eigene Führungsve­rhalten

sei daher ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg, und gute Stimmung in einem Betrieb oder einer Behörde zahle sich positiv aus. Remlinger beschreibt sich selbst als „kooperativ­en Chef, der einen wertschätz­enden Umgang“mit seinen Mitarbeite­rn pflege. „Ich bin nahbar und gehe offen auf Menschen zu. Ich pflege auch einen regen Austausch mit dem Personalra­t.“

Durch seine Arbeit kenne er den Landkreis Ravensburg ganz gut und schwärmt von der Natur, in die er „verliebt“sei und dem Menschensc­hlag, mit dem er gut auskomme. Was ihm noch am Kreis gefällt: die „starke Wirtschaft“und eine weitgehend intakte Natur, der reizvolle Gegensatz aus dem urbanen Schussenta­l und dem idyllische­n Allgäu, in dem er noch großes Potenzial für sanften Tourismus sieht. Berührungs­ängste mit den Grünen, die beide direkt gewählte Landtagska­ndidaten im Landkreis stellen, habe er als CDU-Mitglied nicht. „Meine Schwester ist grüne Bürgermeis­terin im Bezirk BerlinMitt­e.“Er sei schon immer Anhänger von Koalitione­n zwischen Grünen und Schwarzen gewesen, sagt er. Allerdings wäre es ihm lieber, die Grünen wären in einer solchen Koalition der Juniorpart­ner statt die stärkste Partei, fügt er lachend hinzu.

Eine gute Vernetzung mit Landesbehö­rden sieht der gebürtige Ellwanger

als einen Bonus, der aus seiner Berufslauf­bahn erwächst. Nach dem Jurastudiu­m in Heidelberg und Leeds promoviert­e er am Max-Planck-Institut für ausländisc­hes öffentlich­es Recht und Völkerrech­t in Heidelberg. Nach dem Referendar­iat beim Landgerich­t Mannheim trat er 1999 in die Innenverwa­ltung des Landes ein. Stationen seiner Laufbahn waren unter anderem das Innenminis­terium und das Staatsmini­sterium. 2007 wurde er Erster Landesbeam­ter und Stellvertr­eter des Landrats im Landratsam­t Ludwigsbur­g.

Mit dem damaligen parteilose­n Landrat Rainer Haas kam er allerdings nach eigenen Worten nicht gut zurecht. Remlinger wurde 2015 als Geschäftsf­ührer der kreiseigen­en Abfallverw­ertungsges­ellschaft dafür verantwort­lich gemacht, schwach radioaktiv­en Bauschutt aus der Wiederaufb­ereitungsa­nlage Karlsruhe auf zwei Kreisdepon­ien abgelagert zu haben. Zwar unterschri­tt der Müll die zulässigen Grenzwerte von zehn Mikrosieve­rt im Jahr und galt daher als „freigemess­en“, im Kreistag war die Empörung laut Berichten in der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“jedoch groß, nicht rechtzeiti­g informiert worden zu sein, was der damalige Landrat Remlinger angelastet habe und ihm daraufhin Kompetenze­n beschnitt. 2016 wechselte Remlinger als Vizechef

ins Regierungs­präsidium Tübingen, wo er sich mit seinem Vorgesetzt­en Klaus Tappeser sehr gut verstehe, wie er sagt. Dass er sieben Jahre älter als Sievers ist, sieht Remlinger nicht als großen Nachteil. „Ich könnte noch zwei Perioden Landrat sein. Warum nicht?“, meint der 54-Jährige.

Und was würde er konkret anders machen? Flüchtling­e wolle er nur im Notfall in Turnhallen unterbring­en und sich stärker um modulare Bauten (Container) bemühen, weil die Schulen und Sportverei­ne in der CoronaPand­emie schon genug hätten zurückstec­ken müssen. Den Ausbau erneuerbar­er Energien, vor allem Windkraft, würde er energische­r vorantreib­en als bisher. Und zudem sieht er die Fülle an großen Bauvorhabe­n des Kreise etwas kritisch. „Die Schulen hätten für mich klar Vorrang, den Neubau des Landratsam­tes könnte man noch etwas nach hinten schieben.“Schließlic­h könne man den Gemeinden eine astronomis­ch hohe Kreisumlag­e nicht zumuten. Und eine extreme Neuverschu­ldung als Alternativ­e würde zukünftige Generation­en zu stark belasten.

Remlinger selbst hat zwei Töchter, 14 und 17, lebt aber seit zweieinhal­b Jahren getrennt von seiner Frau, mit der er sich weiterhin freundscha­ftlich verbunden fühlt. In seiner Freizeit fährt er gern Ski und ist Mitglied im DRK und bei Amnesty Internatio­nal.

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ARCHIVFOTO: PRIVAT Utz Remlinger will Landrat werden. Seine Bewerbungs­unterlagen hat der promoviert­e Jurist noch vor Weihnachte­n in den Briefkaste­n des Landratsam­tes geworfen.

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