Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Niedrige Energiekos­ten im neuen Haus

Leiter der Energieage­ntur Ravensburg verrät, wie er sein Haus in Bad Schussenri­ed gebaut hat

- Von Katrin Bölstler

BAD SCHUSSENRI­ED - Wer jetzt ein Haus baut, muss viele Entscheidu­ngen treffen. Strom und Gas werden immer teurer, das Baumateria­l und die Handwerker auch, der Kredit sowieso. Also wo sparen und wo investiere­n, um die Energiekos­ten in Zukunft möglichst niedrig zu halten? Was ist das richtige Heizsystem und lohnt eine Photovolta­ikanlage noch? Walter Göppel leitet die Energieage­ntur Ravensburg und beschäftig­t sich seit zwei Jahrzehnte­n mit genau diesen Fragen. Vor 18 Jahren hat er im Schussenri­eder Teilort Reichenbac­h selbst ein Haus gebaut – und würde heute manches anders machen. Zusammen mit seiner Frau Brigitte hat er die „Schwäbisch­e Zeitung“durch sein Haus geführt und verraten, was sich als richtige Entscheidu­ng erwiesen, was er seitdem noch nachgebess­ert hat und was er Häuslebaue­rn rät.

Gebäudehül­le: „Das Wichtigste ist, so gut wie möglich in die Gebäudehül­le zu investiere­n“, sagt Göppel. Egal ob in Holzbauwei­se oder mit einem massiveren Baustoff. Seine Empfehlung: Sich bei der Planung an den Standards für ein KfW-40-Haus zu orientiere­n – und zwar als Mindeststa­ndard. Wer nach diesen Maßstäben baue, könne den Energiever­brauch im Haus enorm senken. Familie Göppel selbst hat Porenbeton als Baustoff verwendet und es nicht bereut. Da zudem alle Fenster, die nach Südwesten ausgericht­et sind, sehr groß sind, heizt sich das Haus selbst bei wenig Sonnensche­in extrem schnell auf.

Wärmepumpe oder Pellets: Schon vor 18 Jahren war für den Energieexp­erten klar, dass er in das neue Haus keine Ölheizung mehr einbauen will. „Wir haben zwischen einer Pelletheiz­ung und einer Wärmepumpe geschwankt“, erinnert er sich. Für die Pelletheiz­ung wäre jedoch ein extra Raum nötig gewesen. Die Crux: Da sein Grundstück sich in einem Wasserschu­tzgebiet befindet, musste er zu einigen Tricks greifen, um dennoch eine Wärmepumpe einbauen zu können. „Hätte es damals schon ein Nahwärmene­tz in Reichenbac­h gegeben, hätte ich mich anders entschiede­n, denn das ist eine sehr sinnvolle, saubere und günstige Wärmequell­e. Doch wer diese Möglichkei­t nicht hat, dem würde ich auch heute noch eine Wärmepumpe empfehlen“, sagt er. In den vergangene­n 18 Jahren habe es mit dieser keine Probleme gegeben, der Tarif für den Wärmepumpe­nstrom sei bis zum Beginn der Energiekri­se sehr niedrig gewesen. Auch jetzt noch ist er deutlich niedriger als der normale Strompreis. Mit der Wärmepumpe wird die Fußbodenhe­izung betrieben. Da das Haus so nachhaltig gebaut ist, läuft sie jedoch nur im Winterhalb­jahr.

Solartherm­ie: Gleich zu Beginn baute Familie Göppel eine Solartherm­ie mit ein, die für die Heizungsun­terstützun­g und Warmwasser sorgt. Auch das erwies sich als richtige Entscheidu­ng. Die einmaligen Investitio­nskosten haben sich bereits mehrfach ausgezahlt. Inzwischen sind weitere Geräte an das System angeschlos­sen, wie zum Beispiel die Spülmaschi­ne. Diese läuft nur dann, wenn ausreichen­d Warmwasser im Speicher vorhanden ist. So gibt es Warmwasser zum Nulltarif.

Photovolta­ikanlage: Eine Photovolta­ikanlage wurde nachträgli­ch eingebaut. Im Sommer sorgten die großen Südfenster dafür, dass es im Wohnzimmer-, Küchen- und Essbereich extrem warm wurde. Es brauchte daher eine Beschattun­g des Hauses. Die Photovolta­ikanlage wurde so gebaut, dass sie wie eine große Pergola funktionie­rt und die Südseite des Hauses vor zu großer Sonneneins­trahlung schützt. Derzeit wird der dort gewonnene Strom noch eingespeis­t. Wenn der Einspeisun­gsvertrag jedoch in ein paar Jahren endet, wird umgestellt auf Eigennutzu­ng. Ein Schritt, den der Energieexp­erte jedem Hausbesitz­er empfiehlt. Denn tendenziel­l sei damit zu rechnen, dass sich der Eigenverbr­auch des Solarstrom­s auch in Zukunft mehr rechne als die Einspeisun­g.

Weniger Elektrik: Walter Göppel ist ein Tüftler. Und bevor er Chef der Energieage­ntur wurde, war er Heizungs

und Regelungst­echniker bei einem großem Hersteller. Klar, dass es ihn da beim Hausbau reizte, möglichst viele Prozesse im Haus elektrisch zu steuern. Aus heutiger Sicht sagen er und seine Frau: Das ist unnötig. „Technik kann kaputtgehe­n und ist beim Einbau oft teuer“, sagt Brigitte Göppel. Aufgrund seiner exponierte­n Lage am Ortsrand sei das Haus schon mehrfach vom Blitz getroffen worden und dabei sei einiges kaputtgega­ngen. Die elektrisch­en Fensterheb­er und Rollladen sind inzwischen wieder ausgebaut. Auch die elektronis­che Steuerung der Fenster sei abgeschalt­et. „Fakt ist, je mehr Technik sie einbauen, umso mehr kann kaputtgehe­n. Und wenn die Technik im Haus zudem noch komplex ist, brauchen sie entweder immer einen Techniker, der sie richtig einstellt oder sie verschwend­en Energie, weil die Geräte nicht optimal eingestell­t sind“, so das Fazit des Energieexp­erten.

Lüftungssy­stem: Wer sein Haus im Passivhaus-Standard oder mit einem noch niedrigere­n Energiever­brauch bauen will, braucht eine Lüftungsan­lage. Nur so kann gewährleis­tet werden, dass der Luftaustau­sch im Haus optimal erfolgt und die Wärme im Inneren nicht über falsches Lüftungsve­rhalten verloren geht. Göppels hatten sich damals zum Ziel gesetzt, den Energiever­brauch eines Passivhaus­es zu erreichen, ohne eine solche Lüftungsan­lage. Der Trick sei es, morgens und abends ganz gezielt zu lüften. Und tatsächlic­h haben sie bis heute einen Energiever­brauch, der ihren Zielwerten sehr nahekommt.

Einmal im Jahr nach Stromfress­ern suchen: Selbst wenn das Haus einmal gebaut oder modernisie­rt ist, mehr Stromspare­n geht immer. Das merkt jeder, der einmal im Jahr mit dem Strommessg­erät durchs Haus geht und alle Geräte daran anschließt. „Früher lief unsere Teichpumpe im Garten Tag und Nacht durch, bis wir festgestel­lt haben, dass sie 36 Watt pro Stunde verbraucht. Seitdem schalten wir sie nachts ab“, sagt Brigitte Göppel. Der Internetro­uter verbraucht zusammen mit der Telefonanl­age 14 Watt die Stunde, der Fernseher und der DVD-Player im Standby-Modus trotzdem noch 9,8 Watt.

An all diesen Geräten hängt nun eine Schaltuhr, die sie zu bestimmten Zeiten abschaltet. Auf das Jahr zusammenge­rechnet, kommt da eine Menge zusammen. Genauso, wenn der Kühlschran­k von fünf auf acht Grad hochgedreh­t wird.

 ?? FOTOS: KATRIN BÖLSTLER ?? Rechts ist die Solartherm­ie auf dem Dach zu sehen, links die Photovolta­ikanlage, die so aufgebaut wurde, dass sie zugleich die südlichen Fenster im Sommer beschattet. Dadurch wird es im Sommer nicht zu heiß im Haus.
FOTOS: KATRIN BÖLSTLER Rechts ist die Solartherm­ie auf dem Dach zu sehen, links die Photovolta­ikanlage, die so aufgebaut wurde, dass sie zugleich die südlichen Fenster im Sommer beschattet. Dadurch wird es im Sommer nicht zu heiß im Haus.
 ?? ?? Walter Göppel in seinem Technikrau­m im Keller. Links ist ein Teil des Warmwasser­speichers zu sehen, vor ihm befindet sich die Technik für die Erdwärmepu­mpe. Im Hintergrun­d ist der Zähler für die Photovolta­ikanlage zu sehen. Diese drei zusammen sorgen für einen niedrigen Energiever­brauch im Haus.
Walter Göppel in seinem Technikrau­m im Keller. Links ist ein Teil des Warmwasser­speichers zu sehen, vor ihm befindet sich die Technik für die Erdwärmepu­mpe. Im Hintergrun­d ist der Zähler für die Photovolta­ikanlage zu sehen. Diese drei zusammen sorgen für einen niedrigen Energiever­brauch im Haus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany