Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Niedrige Energiekosten im neuen Haus
Leiter der Energieagentur Ravensburg verrät, wie er sein Haus in Bad Schussenried gebaut hat
BAD SCHUSSENRIED - Wer jetzt ein Haus baut, muss viele Entscheidungen treffen. Strom und Gas werden immer teurer, das Baumaterial und die Handwerker auch, der Kredit sowieso. Also wo sparen und wo investieren, um die Energiekosten in Zukunft möglichst niedrig zu halten? Was ist das richtige Heizsystem und lohnt eine Photovoltaikanlage noch? Walter Göppel leitet die Energieagentur Ravensburg und beschäftigt sich seit zwei Jahrzehnten mit genau diesen Fragen. Vor 18 Jahren hat er im Schussenrieder Teilort Reichenbach selbst ein Haus gebaut – und würde heute manches anders machen. Zusammen mit seiner Frau Brigitte hat er die „Schwäbische Zeitung“durch sein Haus geführt und verraten, was sich als richtige Entscheidung erwiesen, was er seitdem noch nachgebessert hat und was er Häuslebauern rät.
Gebäudehülle: „Das Wichtigste ist, so gut wie möglich in die Gebäudehülle zu investieren“, sagt Göppel. Egal ob in Holzbauweise oder mit einem massiveren Baustoff. Seine Empfehlung: Sich bei der Planung an den Standards für ein KfW-40-Haus zu orientieren – und zwar als Mindeststandard. Wer nach diesen Maßstäben baue, könne den Energieverbrauch im Haus enorm senken. Familie Göppel selbst hat Porenbeton als Baustoff verwendet und es nicht bereut. Da zudem alle Fenster, die nach Südwesten ausgerichtet sind, sehr groß sind, heizt sich das Haus selbst bei wenig Sonnenschein extrem schnell auf.
Wärmepumpe oder Pellets: Schon vor 18 Jahren war für den Energieexperten klar, dass er in das neue Haus keine Ölheizung mehr einbauen will. „Wir haben zwischen einer Pelletheizung und einer Wärmepumpe geschwankt“, erinnert er sich. Für die Pelletheizung wäre jedoch ein extra Raum nötig gewesen. Die Crux: Da sein Grundstück sich in einem Wasserschutzgebiet befindet, musste er zu einigen Tricks greifen, um dennoch eine Wärmepumpe einbauen zu können. „Hätte es damals schon ein Nahwärmenetz in Reichenbach gegeben, hätte ich mich anders entschieden, denn das ist eine sehr sinnvolle, saubere und günstige Wärmequelle. Doch wer diese Möglichkeit nicht hat, dem würde ich auch heute noch eine Wärmepumpe empfehlen“, sagt er. In den vergangenen 18 Jahren habe es mit dieser keine Probleme gegeben, der Tarif für den Wärmepumpenstrom sei bis zum Beginn der Energiekrise sehr niedrig gewesen. Auch jetzt noch ist er deutlich niedriger als der normale Strompreis. Mit der Wärmepumpe wird die Fußbodenheizung betrieben. Da das Haus so nachhaltig gebaut ist, läuft sie jedoch nur im Winterhalbjahr.
Solarthermie: Gleich zu Beginn baute Familie Göppel eine Solarthermie mit ein, die für die Heizungsunterstützung und Warmwasser sorgt. Auch das erwies sich als richtige Entscheidung. Die einmaligen Investitionskosten haben sich bereits mehrfach ausgezahlt. Inzwischen sind weitere Geräte an das System angeschlossen, wie zum Beispiel die Spülmaschine. Diese läuft nur dann, wenn ausreichend Warmwasser im Speicher vorhanden ist. So gibt es Warmwasser zum Nulltarif.
Photovoltaikanlage: Eine Photovoltaikanlage wurde nachträglich eingebaut. Im Sommer sorgten die großen Südfenster dafür, dass es im Wohnzimmer-, Küchen- und Essbereich extrem warm wurde. Es brauchte daher eine Beschattung des Hauses. Die Photovoltaikanlage wurde so gebaut, dass sie wie eine große Pergola funktioniert und die Südseite des Hauses vor zu großer Sonneneinstrahlung schützt. Derzeit wird der dort gewonnene Strom noch eingespeist. Wenn der Einspeisungsvertrag jedoch in ein paar Jahren endet, wird umgestellt auf Eigennutzung. Ein Schritt, den der Energieexperte jedem Hausbesitzer empfiehlt. Denn tendenziell sei damit zu rechnen, dass sich der Eigenverbrauch des Solarstroms auch in Zukunft mehr rechne als die Einspeisung.
Weniger Elektrik: Walter Göppel ist ein Tüftler. Und bevor er Chef der Energieagentur wurde, war er Heizungs
und Regelungstechniker bei einem großem Hersteller. Klar, dass es ihn da beim Hausbau reizte, möglichst viele Prozesse im Haus elektrisch zu steuern. Aus heutiger Sicht sagen er und seine Frau: Das ist unnötig. „Technik kann kaputtgehen und ist beim Einbau oft teuer“, sagt Brigitte Göppel. Aufgrund seiner exponierten Lage am Ortsrand sei das Haus schon mehrfach vom Blitz getroffen worden und dabei sei einiges kaputtgegangen. Die elektrischen Fensterheber und Rollladen sind inzwischen wieder ausgebaut. Auch die elektronische Steuerung der Fenster sei abgeschaltet. „Fakt ist, je mehr Technik sie einbauen, umso mehr kann kaputtgehen. Und wenn die Technik im Haus zudem noch komplex ist, brauchen sie entweder immer einen Techniker, der sie richtig einstellt oder sie verschwenden Energie, weil die Geräte nicht optimal eingestellt sind“, so das Fazit des Energieexperten.
Lüftungssystem: Wer sein Haus im Passivhaus-Standard oder mit einem noch niedrigeren Energieverbrauch bauen will, braucht eine Lüftungsanlage. Nur so kann gewährleistet werden, dass der Luftaustausch im Haus optimal erfolgt und die Wärme im Inneren nicht über falsches Lüftungsverhalten verloren geht. Göppels hatten sich damals zum Ziel gesetzt, den Energieverbrauch eines Passivhauses zu erreichen, ohne eine solche Lüftungsanlage. Der Trick sei es, morgens und abends ganz gezielt zu lüften. Und tatsächlich haben sie bis heute einen Energieverbrauch, der ihren Zielwerten sehr nahekommt.
Einmal im Jahr nach Stromfressern suchen: Selbst wenn das Haus einmal gebaut oder modernisiert ist, mehr Stromsparen geht immer. Das merkt jeder, der einmal im Jahr mit dem Strommessgerät durchs Haus geht und alle Geräte daran anschließt. „Früher lief unsere Teichpumpe im Garten Tag und Nacht durch, bis wir festgestellt haben, dass sie 36 Watt pro Stunde verbraucht. Seitdem schalten wir sie nachts ab“, sagt Brigitte Göppel. Der Internetrouter verbraucht zusammen mit der Telefonanlage 14 Watt die Stunde, der Fernseher und der DVD-Player im Standby-Modus trotzdem noch 9,8 Watt.
An all diesen Geräten hängt nun eine Schaltuhr, die sie zu bestimmten Zeiten abschaltet. Auf das Jahr zusammengerechnet, kommt da eine Menge zusammen. Genauso, wenn der Kühlschrank von fünf auf acht Grad hochgedreht wird.