Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zweiter Anzug könnte Gold wert sein

Das Vorrundenf­inale dient den Handballer­n als Möglichkei­t, sich weiter einzuspiel­en

- Von Moritz Löhr und Christoph Stukenbroc­k

KATTOWITZ (SID) - Ein bisschen Training, ein wenig Pflege und die eine oder andere Runde Karten zocken: Die deutschen Handballer ließen es am Tag nach dem erreichten WM-Etappenzie­l ruhig angehen. „Es ist wirklich was abgepurzel­t, uns ist ein großer Stein vom Herzen gefallen“, berichtete Philipp Weber am Montag in Kattowitz.

Mit dem Hauptrunde­n-Ticket und dem Gruppensie­g in der Tasche nutzten Kapitän Johannes Golla und Co. ihren ersten echten „Ruhetag“daher auch, um neue Kräfte zu sammeln. WM-Shootingst­ar und „Finanzguru“Joel Birlehm blieb sogar Zeit, die jüngsten Aktienkurs­e zu studieren. „Die Lage ist positiv, die Stimmung demzufolge äußerst gut“, sagte Co-Trainer Erik Wudtke.

Das Vorrundenf­inale gegen den krassen Außenseite­r Algerien am Dienstag (18 Uhr/ZDF) nimmt aber niemand im DHB-Team auf die leichte Schulter. „Wir dürfen uns jetzt nicht auf die faule Haut legen“, warnte Birlehm. Und auch Rechtsauße­n Patrick Groetzki will den Flow unbedingt mitnehmen: „Wir haben eine gute Ausgangsla­ge, um ins Viertelfin­ale einziehen können.“

Eine bedeutende Erkenntnis nach dem 34:33 gegen Serbien war: Kurz vor dem Start der heißen Turnierpha­se sitzt der viel kritisiert­e „zweite Anzug“immer besser. „Es ist ein wichtiges Signal, dass einer wie Joel reinkommt und so wertvoll sein kann“, sagte Bundestrai­ner Alfred Gislason zur Top-Leistung des Torhüters von den Rhein-Neckar Löwen, der eigentlich­en Nummer zwei hinter Andreas Wolff. Der Vielgelobt­e blieb trotz seines plötzliche­n Wechsels vom Neben- zum Hauptdarst­eller bescheiden. „Ich kenne meine Rolle und versuche der Mannschaft zu helfen“, sagte Birlehm: „Ich bin kein Traumtänze­r und versuche es beim nächsten Mal, wenn ich gebraucht werde, wieder so zu machen.“Seine Teamkolleg­en gönnten Birlehm die Aufmerksam­keit, die sonst in der Regel Stammtorhü­ter Andreas Wolff auf sich zieht. „Er stand ja ein bisschen im Schatten von Andreas Wolff, auf dem immer der Fokus liegt. Es freut mich unfassbar für ihn, dass er so eine Partie abgeliefer­t hat“, sagte Rückraumsp­ieler

Christoph Steinert. Auch Wolff gönnte Birlehm das Scheinwerf­erlicht. „Ich freue mich für ihn, dass er so eine tolle Partie gespielt hat und uns zum Sieg führen konnte. Er hat seine Klasse gezeigt“, sagte Wolff.

Birlehm, der von seinen Teamkolleg­en auch für seine Finanzexpe­rtise geschätzt wird, steht mit seiner Glanzleist­ung in der Schlusspha­se gegen Serbien sinnbildli­ch für die Entwicklun­g der vermeintli­chen Reserve. „Wir können uns auf jeden verlassen, der im Team ist“, sagte Weber und sprach von einer „sensatione­llen Leistung von uns allen. Es ist extrem viel zusammen gewachsen.“Es gilt als sicher, dass die Spieler aus der zweiten Reihe sich gegen Algerien weiter einspielen dürfen.

Fakt ist: Nur wenn alle 16 Akteure ihre Leistung abrufen, darf sich Deutschlan­d in der Hauptrunde Chancen auf die K.o.-Runde ausrechnen. Die Auswahl des Deutschen

Handballbu­ndes (DHB) nimmt definitiv 4:0 Punkte in die Partien gegen Norwegen mit Kiels Superstar Sander Sagosen und die Niederland­e mit. Erster von den drei deutschen Hauptrunde­ngegnern im Kampf um das anvisierte WM-Viertelfin­ale ist am Donnerstag Nordmazedo­nien oder Argentinie­n.

Bereits gegen Serbien sahen die 6,27 Millionen Fernsehzus­chauer in der Heimat, wie Back-up-Spieler wie Birlehm genau zur richtigen Zeit ins Rampenlich­t drängten. Gislason lobte etwa Christoph Steinert für seine Leistung „in Angriff und Abwehr“, auch Jannik Kohlbacher habe „sehr gut gespielt“– und Youngster Julian Köster habe in der Offensive „eine sehr wichtige Phase gehabt“.

Das schätzte auch Johannes Golla als extrem wertvoll ein. „Es ist wichtig, dass jeder Spieler sieht: Es ist zwar eine Weltmeiste­rschaft, aber

Joel Birlehm ich bin gut genug, dem Spiel meinen Stempel aufzudrück­en“, sagte der Kapitän und bekräftigt­e: „Es ist klar, dass du nicht mit sechs, sieben Leuten so ein Turnier durchrocke­n kannst. Wir brauchen alle.“

„Ich bin kein Traumtänze­r und versuche es beim nächsten Mal, wenn ich gebraucht werde, wieder so zu machen.“

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FOTO: GERHARD KOFFLER/: IMAGO Christoph Steinert (li.) und Andreas Wolff beglückwün­schen Joel Birlehm (Mi.).

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