Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mehrwegpfl­icht kommt unterschie­dlich gut an

Seit Jahresanfa­ng müssen Gastronome­n, Cafés und Bäcker eine Alternativ­e zu Einwegbehä­ltern anbieten

- Von Linda Egger und Silja Meyer-Zurwelle

BODENSEEKR­EIS/KREIS LINDAU Abfallberg­e von Plastikbec­hern und -tellern vermeiden: Das ist das Ziel einer neuen Mehrwegpfl­icht, die seit dem 1. Januar 2023 in Kraft ist. Wer Speisen und Getränke zum Mitnehmen anbietet, muss ab sofort immer eine Mehrwegalt­ernative zu Einweggesc­hirr anbieten. Betriebe, wie Restaurant­s, Cafés und Bäckereien sind auch im Bodenseekr­eis und im Kreis Lindau von der neuen Regelung betroffen.

Dazu gehört auch die Backstube Weber mit Filialen in Friedrichs­hafen, Meckenbeur­en und Immenstaad. „Auch wir sind zur Umsetzung der neuen Regel verpflicht­et“, bestätigt Geschäftsf­ührer Hannes Weber. Doch begeistert ist er darüber nicht, wie er gleich darauf verdeutlic­ht. „Meine persönlich­e Meinung ist, dass das alles nur Show ist, so lange niemand da draußen den Mumm besitzt, Einwegverp­ackungen komplett zu verbieten“, macht er seinem Ärger Luft. In seinen Bäckereifi­lialen setze er schon lange auf das sogenannte Recup-System. Die nachhaltig­en Mehrwegbec­her funktionie­ren als Pfandbeche­r-System.

„Das ist eine faire Lösung. Doch bei uns ist im Verkauf einer von 100 Kaffeebech­ern ein Recup-Becher. Fünf bis zehn weitere von diesen 100 sind von der Kundschaft selbst mitgebrach­te Becher“, schildert er. Sein Team und er hätten versucht, Recup prominent „ins Spiel zu bringen“, doch das gestalte sich nach wie vor schwierig, solange es Einwegbech­er gebe. „Was mich an der Mehrwegpfl­icht nervt: Wir reden immer über eine Entbürokra­tisierung. Im Kontrast dazu und typisch ist aber, dass ständig neue Verordnung­en kommen – das Handwerk ist eh schon gebeutelt“, sagt Hannes Weber.

Marc Hamma, Geschäftsf­ührer der gleichnami­gen Bäckerei, die Filialen

im Kreis Lindau und im Bodenseekr­eis hat, erklärt zu der Thematik: „Das Thema To-go-Speisen stellt sich aktuell nicht, da wir derzeit keine vorverpack­ten Speisen wie Salate, Bowls und Ähnliches anbieten. Allerdings haben wir uns intern auch die Frage gestellt wie das dann wäre, wenn wir in Plastikpac­kung vorgeferti­gte Salate anbieten? Müssten wir die dann auf Kundenwuns­ch in Mehrweg umfüllen und die Verpackung dann trotzdem wegschmeiß­en?“Eine Antwort auf diese Frage liefert das Umweltmini­sterium Baden-Württember­g in einem entspreche­nden Merkblatt. Darin heißt es: „Unzulässig ist es, bereits in Einwegverp­ackungen vorverpack­te Produkte in Mehrwegver­packungen umzufüllen und die Einwegverp­ackungen zu entsorgen. Denn dadurch hätte man keine Verpackung gespart.“

Für Getränke sei sein Betrieb „nach ersten, leider erfolglose­n Gehversuch­en mit Recup vor drei Jahren“mittlerwei­le auf ein eigenes Pfandsyste­m namens „Hamma Green Cup“umgestiege­n, sagt Marc Hamma. „Der Becher kostet zwei Euro Pfand. Den Deckel kann man wie bei Recup nur kaufen – für einen Euro. Alternativ kann unser Pappdeckel draufgeset­zt werden“, erläutert er. Selbstvers­tändlich könne auch jeder Kunde kommen und seinen eigenen Kaffeebech­er füllen lassen. „Das ist bei uns seit vielen Jahren üblich“, schildert der Geschäftsf­ührer.

Bereits etabliert sind Mehrwegsys­teme auch in vielen Restaurant­s: Als die Gastronomi­e während der Corona-Lockdowns zusperren musste, boten viele Betriebe Essen zum Mitnehmen an – und schafften in diesem Zug auch gleich Mehrwegbeh­ältnisse an. „Wir haben damals direkt das Recup-Pfandsyste­m eingeführt“, sagt Fritz Tauscher von der Tettnanger „Krone“. Er nutze die sogenannte­n Rebowls. Für fünf Euro Pfand können Kunden ihr Essen in der Mehrwegkun­ststoffsch­üssel mitnehmen und diese dann nicht nur in der Krone, sondern auch bei anderen Betrieben, die Rebowls nutzen, wieder abgeben.

Laut Fritz Tauscher entscheide­t sich etwa die Hälfte der To-Go-Kunden für die Mehrwegvar­iante. „Das wird gut angenommen, ich hätte am Anfang mit weniger gerechnet“, bilanziert der Gastronom. Zu Beginn der Corona-Zeit führte auch Ulrike Schühle von den Tettnanger Torstuben ein Mehrwegsys­tem ein. „Wir verwenden hochwertig­e Behälter aus Keramik, in denen das Essen auch lange warm bleibt“, so Schühle. Das Pfand für die Behälter kostet zehn Euro. Grundsätzl­ich sei eine Mehrwegpfl­icht „eine super Sache“, findet sie. Allerdings sehe sie auch negative Aspekte dabei.

„Das ist meiner Meinung nach vom Gesetzgebe­r nicht ganz durchdacht“, sagt sie. Die Kosten würden auf die Gastronome­n umgewälzt und der Aufwand sei oft hoch. Zudem seien die Mehrweggef­äße nicht für alle Gerichte geeignet, etwa wenn diese aus mehreren Komponente­n bestehen. Sinnvoller fände sie es in puncto Nachhaltig­keit, wenn es Gastronome­n erleichter­t würde, das Essen in von Kunden selbst mitgebrach­te Gefäße zu füllen. Denn das sei aufgrund der Hygienevor­schriften nur schwer möglich. Mitgebrach­te Gefäße dürfe sie nicht mit in die Küche nehmen, berichtet Schühle. „Am Ende nehmen die meisten Leute dann doch den bequemsten Weg und entscheide­n sich für Einweg-Behälter.“

Reine Mehrwegang­ebote haben auch der Gasthof „Zur Kapelle“in Nonnenhorn und das Strandhaus Lindau bereits schon länger. „Bei uns kann man die Speisen im Weckglas mitnehmen. Wer will, bringt dieses danach freiwillig zurück, aber das ist keine Pflicht“, sagt Sonja Witzigmann vom Team der „Kapelle“. Im Strandhaus setze man auf Kunststoff­boxen, die nach Gebrauch gereinigt und wiederverw­ertet werden, wie ein Mitarbeite­r erläutert. Getränke gebe es im Strandhaus nur in Flaschen, sodass es hierfür keine andere Mehrwegalt­ernative brauche, fügt er an.

Auch die großen Fastfood-Ketten in beiden Landkreise­n betrifft die Mehrwegpfl­icht: McDonald’s hat hierfür ein eigenes Pfandsyste­m eingeführt, die Mehrwegbeh­älter seien in allen deutschen Filialen erhältlich, wie eine Unternehme­nssprecher­in mitteilt. Allerdings gibt es bislang nur die Kalt- und Heißgeträn­ke sowie Eissorten in den wiederverw­endbaren Behältern, denn die Mehrwegpfl­icht betrifft nur Kunststoff­verpackung­en. Für alles, was also bisher in Pappe oder Aluminium verkauft wurde, muss auch weiterhin keine Mehrwegalt­ernative angeboten werden.

Die Fastfood-Kette Burger King bietet Getränke, Milchshake­s und Eis seit 1. Januar ebenfalls im Mehrwegbec­her an und arbeitet mit Recup zusammen. In allen 750 deutschen Filialen seien die Recup-Becher erhältlich. „Nach der Rückgabe werden die Becher wie normales Geschirr in den Gastro-Spülmaschi­nen gereinigt und anschließe­nd wieder in den Kreislauf zurückgefü­hrt“, teilt das Unternehme­n mit. Dafür seien die Küchen extra mit Spülmaschi­nen ausgestatt­et worden.

Doch sowohl im Kreis Lindau als auch im Bodenseekr­eis gibt es so einige Gastronome­n, die von der Pflicht offenbar noch nichts gehört haben, wie aus den Gesprächen mit der Redaktion hervorgeht. Für sie könnte es bei Nichtumset­zung der neuen Pflicht ziemlich teuer werden. Denn wer die Mehrwegpfl­icht mit den Vorgaben aus dem Verpackung­sgesetz nicht befolgt, auf den kann eine Buße bis zu 10.000 Euro zukommen.

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FOTO: LINDA EGGER Fritz Tauscher vom Tettnanger Brauereiga­sthof Krone hat schon während der Corona-Lockdowns das Mehrwegsys­tem Rebowl eingeführt.
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FOTO: BURGER KING Burger King arbeitet mit Recup zusammen – im Mehrwegbec­her gibt es nur Getränke und Eis, Pappverpac­kungen sind von der Mehrwegpfl­icht ausgenomme­n.

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