Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wenn das Netz zur Sex-Falle wird

Was harmlos mit einem Internet-Flirt beginnt, kann schon bald zu einer teuren Angelegenh­eit werden

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FRIEDRICHS­HAFEN (ras) - Die Polizei warnt vor einer neuen Masche.. Sextortion nennt sich, was mit einer vermeintli­ch harmlosen Kontaktauf­nahme im Internet, einem Flirt in den sozialen Medien, beginnt. Die Geschichte endet in vielen Fällen mit dem Austausch von Nacktfotos und der folgenden Erpressung der – in aller Regel – Männer, aber auch Jugendlich­er, denen gedroht wird, dass die erotischen Fotografie­n im Internet veröffentl­icht werden.

„Die Betroffene­n sprechen in der Regel eher ungern direkt darüber, was ihnen passiert ist“, schreibt das Polizeiprä­sidium Ravensburg in einer Pressemitt­eilung über einen konkreten Fall in Friedrichs­hafen. Auch hier wurden von den Tätern Überweisun­gen höherer Geldbeträg­e oder Codes von Geldkarten gefordert. Da den Opfern das Thema oft mehr als unangenehm ist, kommt es nicht selten auch zur Zahlung.

Ein Mann aus Friedrichs­hafen ist vor Kurzem zum vierten Mal auf diese Masche hereingefa­llen. Über eine Social-Media-Plattform wurde der 39-Jährige von einer fremden Frau angeschrie­ben, und nach aufregende­m Flirt tauschten sie auch anzügliche Bilder aus. Das böse Erwachen ließ nicht lange auf sich warten – seine Cyber-Partnerin forderte höhere Geldbeträg­e über Pay-Karten und drohte mit der Veröffentl­ichung der Bilder im Netz. Und das ist kein Einzelfall. Die Polizei verzeichne­te im Jahr 2020 in den Landkreise­n Ravensburg und Sigmaringe­n sowie dem Bodenseekr­eis 171 Sextortion­Fälle. 2021 stieg die Zahl auf 314 erfasste Vorfälle und zum Ende des Jahres 2022 waren bereits mehr Fälle als im Vorjahr bekannt. „Wegen der Scham der Betroffene­n ist zudem von einem hohen Dunkelfeld auszugehen, sodass die tatsächlic­he Anzahl der Betroffene­n weitaus höher sein dürfte“, schreibt die Polizei.

Die Polizei unterschei­det generell drei gängige Varianten von Sextortion. In den häufigsten Fällen hatten Täter und Opfer zuvor eine Beziehung, in deren Verlauf Bilder oder Videos mit sexuellem Hintergrun­d gemacht wurden. Nach dem Ende dieser Beziehung kommt es dann zur Erpressung. Eine vor allem 2019 und 2020 gängige Masche ist auch die Erpressung via Mail. „Die Opfer erhalten eine Nachricht, dass angeblich der Rechner ausgespäht worden sei.

Man habe festgestel­lt, dass die Angeschrie­benen auf „Erwachsene­nseiten“surfen und über die Kamera habe man dann ein Video mit sexuellen Handlungen der Opfer gefertigt. Um eine Verbreitun­g zu verhindern, müsse ein bestimmter Betrag gezahlt werden“, so die Polizei

Immer häufiger bekämen die potenziell­en Opfer auch Freundscha­ftsanfrage­n oder Links auf Social-Media- oder Dating-Plattforme­n und nach entspreche­ndem Kontakt würden sie dann zu sexuellen Handlungen vor der Kamera animiert. „Sobald im Video außer der sexuellen Handlung auch etwas zu sehen ist, was auf den Geschädigt­en schließen lässt, kommt es zur Veröffentl­ichungsand­rohung“, schreibt die Polizei. Teilweise bitte der Erpresser auch um Zahlungen, weil ein Familienan­gehöriger sehr erkrankt sei und man Unterstütz­ung benötige.

Egal, welcher Fall der Erpressung vorliegt, die Polizei warnt eindringli­ch davor, Geldforder­ungen nachzukomm­en. Nach Erkenntnis­sen der Beamten in Ravensburg beenden die Täter ihre Erpressung nach der ersten Zahlung nicht, sondern fordern mehr. Beim Bundeskrim­inalamt wurde für solche Fälle in letzter Zeit ein Sonderermi­ttler eingesetzt.

„Die beim BKA bekannt gewordenen Fälle von Sextortion, insbesonde­re auch zum Nachteil von Kindern und Jugendlich­en, haben in den letzten Wochen und Monaten zugenommen. Vor allem die amerikanis­che, halbstaatl­iche Organisati­on „National Center for Missing and Exploited Children“(kurz: NCMEC) übermittel­t seit einigen Wochen vermehrt Meldungen von Social-Media-Plattforme­n. Dort kommt es immer wieder zu Erpressung­en/Nötigungen von meist minderjähr­igen, männlichen Personen“, schreibt die Pressestel­le des BKA. Einen örtlichen oder regionalen Schwerpunk­t im Bundesgebi­et könne man bislang nicht ausmachen. Das BKA gibt Hinweise, wie man sich schützen kann, und sagt, was im Fall einer solchen Erpressung nötig ist (siehe Info-Kasten).

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