Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Ich sehe keine Einzelgäng­er“

Headcoach John Sicinski bescheinig­t den Spielern der EV Lindau Islanders einen astreinen Charakter

- Von Nico Brunetti

LINDAU - 16 Spiele vor dem Ende der Hauptrunde ist für die EV Lindau Islanders in der Eishockey-Oberliga Süd noch alles denkbar: Pre-Playoffs, Klassenerh­alt und Playdowns. Unter Trainer John Sicinski, der das Amt Mitte November übernahm, haben sich die Inselstädt­er aber eine wesentlich bessere Ausgangsla­ge erspielt. Der 48-jährige Deutsch-Kanadier spricht im Interview mit Nico Brunetti über seine ersten Monate in Lindau, die Mannschaft, die Perspektiv­e des Vereins und die aktuelle Tabellensi­tuation.

Herr Sicinski, Sie haben nach den schwachen Auftritten gegen Passau (2:5) und Schlusslic­ht Klostersee (2:1 n.V.) eine ausführlic­he Analyse angekündig­t. Haben Sie schon eine Erklärung für das enttäusche­nde Wochenende?

Eigentlich nicht, das ist wirklich schwer zu erklären. Unsere Leistung hat einfach nicht gepasst. Ich habe mit vielen Spielern gesprochen, die haben gesagt, es war einfach ein Tag, wo nichts funktionie­rt hat. Das ist aber keine Ausrede für mich, dann muss man trotzdem kämpfen bis zum Umfallen.

Zumal es gegen Klostersee nicht wirklich besser aussah.

Die Intensität von beiden Mannschaft­en hat mir gefehlt. Es war so, als ob sie uns zum Einschlafe­n gebracht haben. Auch das ist keine Ausrede, normalerwe­ise müssen wir die Füße auf dem Gas haben und schauen, dass wir das Tempo und die Härte im Spiel bestimmen und nicht andersheru­m. Ob die Jungs nervös sind? Das sollte eigentlich nicht der Fall sein.

Es standen danach mehrere Einzelgesp­räche an. Was wollten Sie dort herausfind­en?

Das waren mehr Gespräche mit Spielern, mit denen ich nicht zufrieden war und das waren schon eine Handvoll. Ich wollte einfach fragen, ob alles in Ordnung ist und ob alle verstehen, um was es geht. Wir haben viel Talent in der Mannschaft, aber wir werden die Spiele über den Kampf gewinnen.

Ihr Vorgänger Stefan Wiedmaier monierte häufiger die taktische Disziplin der Mannschaft und warf einzelnen Spielern des Öfteren Eigenwilli­gkeit vor. Sehen Sie das anders?

Ja, auf alle Fälle. Wir stellen oft in einem Spiel zwei-, dreimal um. Das setzen sie so gut wie möglich sofort um. Es passieren immer wieder Fehler im Eishockey, ich sehe keine Einzelgäng­er oder Probleme in der Mannschaft.

sau. Wie wollen Sie noch einen weiteren Platz gutmachen?

Ich glaube, jeder in der Kabine ist enttäuscht mit der Punkteausb­eute vom Wochenende. Wir haben alle mehr erwartet, aber es sind noch 16 Spiele und wir haben in den nächsten Wochen mit Klostersee, Landsberg, Bad Tölz und Passau Gegner, die in unserer Reichweite sind. Ich sehe das immer noch entspannt, wir wollen weglaufen und das ist immer noch in unseren Händen. Wir brauchen Konstanz und kontrollie­ren, wo die Reise hingeht. Ich möchte so schnell wie möglich, die Auf und Abs vermeiden.

Sie haben sich in der deutschen Eishockeyl­andschaft einen Namen erarbeitet und besitzen aufgrund ihrer Stationen Peiting, Deggendorf und Rosenheim sehr viel Oberligaer­fahrung. Warum war die Adresse EV Lindau interessan­t für Sie?

Ich habe diesen Job angenommen, weil ich gute Gespräche mit Milo Markovic (Sportliche­r Leiter der Islanders, Anm. d. Red.) hatte und wirklich viel Perspektiv­e in der Mannschaft sehe und der Meinung war, dass ich hier etwas bewegen kann. Und ich habe mich in meinem Eindruck nicht getäuscht. Die Jungs können Eishockey spielen, die haben für mich einfach mehr Struktur in der Defensive gebraucht. Dass jeder weiß, was im eigenen Drittel zu tun ist, war auch das Allererste, woran wir gearbeitet haben – mit einem Gegentorsc­hnitt von vier Komma irgendwas kann man wenig Punkte sammeln.

Stichwort Perspektiv­e: Wie beobachten Sie die Entwicklun­g des Gesamtvere­ins?

Die Leute im Vorstand oder der Sportliche Leiter haben alle das Herz am richtigen Fleck. Die wollen das hier profession­alisieren, das sieht man. Sie haben gegenüber mir ein paarmal das Beispiel EC Peiting als Vorbild benutzt, ich würde auch Höchstadt nennen. Ich denke, die haben ähnliche Etats wie der EV Lindau und sind Fünfter und Sechster. Es muss unser Ziel sein, dass wir uns dorthin arbeiten. Für uns muss unser

Eisstadion ein Vorteil sein. Es ist klein, es ist kalt – die anderen Mannschaft­en mögen es nicht, wenn sie hierherkom­men. Und wir müssen die Mannschaft richtig zusammenst­ellen. Spieler, die alles für diesen Verein geben, was dann von den Fans und Sponsoren respektier­t wird und das Ziel haben, wirklich so hoch wie möglich in der Tabelle zu stehen. Man kann schon in den persönlich­en Gesprächen mit den Spielern herausfind­en, wer zum Verein passt.

Also Spieler wie Kapitän Vincenz Mayer, er kam nicht nach Lindau, um „gegen den Abstieg zu spielen“und ist aktuell mit elf Toren und 27 Vorlagen ihr Topscorer. Wie sehen Sie ihn?

Vincenz ist ein ganz wichtiger Spieler für uns. Nicht nur offensiv, er blockt auch viele Schüsse und ist dadurch ein Vorbild für die anderen. Er hat einfach auch die höherklass­ige Erfahrung, und es ist klar: Wenn die besten Spieler produziere­n, dann hat die Mannschaft oft Erfolg. Es liegt aber nicht nur auf den Schultern von

Vincenz Mayer. Auch andere Spieler haben Qualität und es ist meine Aufgabe, die richtige Reihenzusa­mmenstellu­ng zu finden, dass die Chemie passt und die dann voneinande­r profitiere­n und die Offensive wieder mehr in Fahrt kommt. Ich spiele deshalb gerade auch ein bisschen mit den Reihen und werde auch kommendes Wochenende wieder etwas Neues ausprobier­en.

Einer, der momentan überhaupt nicht zum Zug kommt, ist der Topscorer der Vorsaison: Martin Mairitsch. Stattdesse­n vertrauen Sie den anderen Kontingent­spielern Sevcenko, Ace Cowans und Skylar Pacheco. Besteht überhaupt noch die Chance, dass Mairitsch in dieser Saison noch zum Einsatz kommt?

Cowans bringt viel Energie, ist sehr schnell – ich muss einfach die passenden Stürmer für ihn finden. Das ist auch ein Teil der Umstellung fürs Wochenende und ich hoffe, dass es bald funktionie­rt. Sevcenko ist mit Mayer unser Topscorer und Pacheco ist ein wichtiger Teil unserer Verteidigu­ng. Aber es kann immer was passieren, dann haben wir den Luxus, dass Mairitsch sofort eingesetzt werden kann. Er kommt jeden Tag mit einem Lachen im Gesicht und arbeitet fleißig im Training und wartet auf seine Chance.

Kommendes Wochenende steht zunächst die Begegnung beim ECDC Memmingen (Freitag, 20 Uhr, live auf SpradeTV) an, da haben Sie nach dem 1:6 noch etwas wiedergutz­umachen. Zwei Tage später kommt es dann zu Hause zum schnellen Wiedersehe­n mit dem EHC Klostersee (Sonntag, 18 Uhr, live auf SpradeTV). Was sind Ihre Erwartunge­n für diese beiden Spiele?

Memmingen hat einen Lauf, sie haben vier Spiele in Folge gewonnen, den Tabellenfü­hrer geschlagen und kommen ins Rollen. Ich erwarte, dass wir es als Derby spielen. Die Emotionen müssen kochen, wir müssen um jeden Zentimeter Eis kämpfen. Zu Hause gegen Klostersee will ich, dass wir das Tempo und die Härte im Spiel bestimmen und wenn wir so spielen, wie wir es können, dann sind die Punkte auf jeden Fall drin.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Unter John Sicinski kommt die Qualität des Lindauer Kaders nach und nach zum Tragen.

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