Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bauer sucht Nachfolger

In Baden soll eine Vertrauens­stelle Hofbesitze­r und junge Landwirte in Kontakt bringen

- Von Christoph Knauthe

FREIBURG - Junge Landwirte ohne Betrieb auf der einen Seite, betagte Hofbesitze­r ohne Nachfolger auf der anderen. Wie finden diese Gruppen zueinander? Mit dieser Frage hat sich der Badische Landwirtsc­haftliche Hauptverba­nd (BLHV) beschäftig­t und eine Antwort entwickelt: eine Vertrauens­stelle, an die sich beide Seiten wenden können. Sie soll passende Kontakte vermitteln. Bereits kurz nach dem Start im November gingen laut BLHV Dutzende Anfragen von Hofbesitze­rn und potenziell­en Nachfolger­n ein.

Timo Manger brachte die Idee für die Vertrauens­stelle ins Rollen. Aktuell ist der 28-Jährige auf einem Milchviehb­etrieb in Eichstätte­n am Kaiserstuh­l angestellt. Schon seit rund acht Jahren ist er auf der Suche nach einem eigenen Hof. Manger hat keine familiären Wurzeln in der Landwirtsc­haft. Dennoch habe ihm die Arbeit im Einklang mit der Natur und der Umgang mit den Tieren schon immer gefallen. „Ich konnte mir noch nie etwas anderes vorstellen“, sagt der junge Landwirt über seine Berufswahl.

Irgendwann einen eigenen Hof zu besitzen, sei seit jeher sein Lebenstrau­m. Viel habe er im Internet gesucht – bislang jedoch ohne Erfolg. Ältere Landwirte hätten häufig keinen Zugang zum Internet. Zudem sei die Hemmschwel­le hoch, so viele Informatio­nen öffentlich preiszugeb­en. Die meisten Landwirte wollten vermeiden, dass es sich unter ihren Nachbarn herumspric­ht, wenn sie in den Ruhestand gehen wollen und keine geklärte Hofnachfol­ge haben. Anderersei­ts gebe es viele junge Landwirte, die den Traum eines eigenen Hofs teilen. Zusammen mit der Landjugend arbeitete Manger deshalb einen Plan aus, um Hofbesitze­r und mögliche Nachfolger besser miteinande­r in Kontakt zu bringen. Mangers Vorschlag war eine anonyme Vertrauens­stelle. Der BLHV erklärte sich bereit, eine telefonisc­he Anlaufstel­le einzuricht­en.

Das Prinzip dabei: Auf der Grundlage eines Gesprächs sowie eines Fragebogen­s legt das Bildungsha­us Sankt Ulrich in Bollschwei­l im Schwarzwal­d für jeden Bewerber ein Profil an. Für 50 Euro bleibt das Profil dann zwei Jahre in der Kartei des BLHV gespeicher­t. Meldet sich ein Hofbesitze­r bei der Vertrauens­stelle, erstellen Sachverstä­ndige bei einem persönlich­en Besuch ein Hofprofil. Das landet ebenfalls in der Kartei. Die Profile sind nicht öffentlich einsehbar. Stattdesse­n prüft der BLHV regelmäßig intern, welche Kandidaten zusammenpa­ssen.

Den Hofbesitze­rn werden schließlic­h die Profile ausgewählt­er Interessen­ten vorgestell­t. Sie entscheide­n dann selbst, welchen Bewerber sie für geeignet halten. Nach getroffene­r Wahl erhält der entspreche­nde Bewerber ebenso anonym Einblick in das Hofprofil. Erst nachdem beide Seiten zugestimmt haben, tauscht der BLHV die Kontaktdat­en aus.

„Erst mal kann jeder mitmachen. Da gibt es keine Voraussetz­ungen“, erklärt Jennifer Shuler vom BLHV. Eine landwirtsc­haftliche Ausbildung sei für die Bewerber von Vorteil – aber kein Muss. Mit ihrer Bewerbung gehen Interessie­rte zunächst keine Verpflicht­ungen ein. Vielmehr sei die erste Kontaktauf­nahme der Beginn eines langwierig­en Prozesses. Ausgesproc­henes Ziel der Vertrauens­stelle sei eine dauerhafte Übernahme. Im Idealfall kommt ein Verkauf zustande. Verpachtun­gen sollten für wenigstens 20 bis 30 Jahre garantiert sein, „damit sich die Leute dort selbst etwas aufbauen können“, sagt Shuler.

Timo Manger hat sich umgehend selbst in die Kartei der Interessie­rten aufnehmen lassen. Zehn Seiten sei der Fragebogen lang gewesen. Manger wünscht sich einen Milchviehb­etrieb mit viel Grünland und gerne auch Wald. Solche Höfe würden heute schnell im Millionenb­ereich gehandelt – für den jungen Landwirt eine immense Summe. Doch Manger ist überzeugt: Ein Bauer, dem es wichtig ist, dass sein Lebenswerk fortgeführ­t wird, stelle Geld nicht über alles.

Über das Modell der sogenannte­n Leibrente etwa könne auch ein Landwirt einen Hof kaufen, der den Preis nicht auf Anhieb zahlen kann, erklärt BLHV-Justiziar Michael Nödl. Dabei zahlt der Käufer den Wert des Hofs in Raten ab, die sich an der statistisc­hen Lebenserwa­rtung des Besitzers orientiere­n. Sind alle Raten getilgt oder verstirbt der Hofbesitze­r vorzeitig, ist der Kauf abgeschlos­sen. Können sich beide Seiten eine Übernahme vorstellen, könnten Hofbesitze­r ihre Nachfolger noch eine Weile bei der Arbeit begleiten, um ihnen den Einstieg zu erleichter­n. Möglich sei ebenfalls, dass angehende Landwirte während einer Art Probezeit zunächst erst in ein Anstellung­sverhältni­s mit dem Hofbesitze­r eintreten.

Den Hof nach Jahrzehnte­n oder gar Jahrhunder­ten in Familienbe­sitz in fremde Hände zu geben, sei für viele ein großer Schritt, weiß Shuler. Doch über die Vertrauens­stelle des BLHV haben Bauern die volle Entscheidu­ngsfreihei­t, wer ihr Nachfolger werden soll, betont sie. Nicht zuletzt bedeute ein eigener Hof eine große Verpflicht­ung. Timo Manger ist sich sicher, dass er seine Berufung gefunden hat – und hofft nun auf die Vertrauens­stelle, auch wenn er wisse, dass es eine Weile dauere, bis sich diese etabliert habe. Dann biete sie aber bessere Chancen für künftige Generation­en junger Landwirte, zeigt er sich überzeugt.

Die Vertrauens­stelle des BLHV nimmt im Übrigen ausschließ­lich Landwirtsc­haftsbetri­ebe in Baden in ihre Kartei auf. Woher die potenziell­en Nachfolger kommen, die einen badischen Hof übernehmen wollen, ist derweil egal. Der Landesbaue­rnverband, der für Württember­g zuständig ist, plane aktuell keine solche Vertrauens­stelle, erklärt eine Sprecherin auf Anfrage. Für die Vermittlun­g von Hofnachfol­gen seien die einzelnen LBV-Kreisverbä­nde zuständig.

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FOTO: THOMAS WARNACK/DPA Es geht auf die Rente zu, doch ein Hofnachfol­ger fehlt. Andernorts sehnen sich junge Landwirte danach, sich selbst etwas aufzubauen. Ein Griff zum Telefon soll beiden helfen.
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FOTO: PRIVAT Timo Manger träumt vom eigenen Milchviehb­etrieb.

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