Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wieso Tettnang wirklich Weltverkeh­rsstadt ist

Auch wenn man dafür ein bisschen aus der Stadt heraus muss, in der Nähe findet sich wirklich alles davon

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Im Grunde ist Tettnang „Weltverkeh­rsstadt“, da haben die Tettnanger Narren mit ihrem Motto für das Landschaft­streffen am letzten Januar-Wochenende schon recht. Oder besser, Tettnang liegt in einer Weltverkeh­rsregion. Sodass bei Besuchern gar nicht abwegig ist, dass im Spacecente­r jemand Schabernac­k treibt, der auch beruflich mit Raumfahrt zu tun hat. Auch Lokführer, Piloten und Schiffskap­itäne leben am Bodensee.

Der (relative) Drang zur Wahrheit hat Tradition: Geschichtl­ich gesehen sind Narren am Fürstenhof teils die Einzigen gewesen, die dem Herrscher noch die Wahrheit sagen konnten, ohne gleich geköpft zu werden. Und wenn die Tettnanger im Jahr 1935 Mondrakete­n bauten, im Jahr 1951 gleich 50 Jahre in die Zukunft blickten oder 1977 die „Tettnang Trans World Airlines“(TTWA) gründeten, dann ist es aus heutiger Sicht so: Alles ist wahr geworden. Man tut also gut daran, jedes kleine bisschen für (fast) bare Münze zu nehmen, was während des Landschaft­streffens passiert. Tage. Doch als sie 1913 vom Stapel lief, waren Dampfschif­fe bereits weit verbreitet. Nun war vielleicht nach dem Film „Heiße Ernte“(1956), in dem auch das damalige Tettnang in Bildern zu sehen ist, den Wunsch genährt, dass auch die Hopfenstad­t einen Hafen bekommt: Gerade noch im Hopfengart­en, schon im Bodensee – eine Szene versprach dann doch etwas mehr, als die Realität halten konnte und kann.

Beispiel Bahnhof: Während in Meckenbeur­en noch Dampfloks schnaubten, war Tettnang in Sachen Personensc­hienenverk­ehr schon früh elektrisch angebunden. Nun ist heutzutage im Bahnhof der Flieger. Und der ist eine Musikkneip­e. Aber viele Jahre ballte sich dort an diesem Gebäude der Hopfenhand­el, gingen die großen Gebinde vom Tettnanger Bahnhof aus in die weite Welt. Die leicht desolate Hopfenhall­e ist eine zarte Erinnerung an die Lagermögli­chkeiten von einst. Der Warentrans­port endete 1996, der Personenve­rkehr bereits 1976. Die Tettnanger feierten in diesem Jahr das erste Bähnlesfes­t. Und 1977 griffen die Narren das Thema Bahn im Zuge der Weltverkeh­rsstadt auch gleich noch mal auf.

Die Welt ist seit 1977 in Sachen Verkehr und Weltverkeh­r eine andere geworden. In Sachen E-Mobilität war Tettnang mit dem Bähnle mal ganz weit vorne dran, als der Betrieb 1895 startete. Heute gibt es E-Autos, E-Bikes: Dinge, an die 1977 vielleicht noch niemand gedacht hatte. Dabei war die Ölpreiskri­se von 1973 mit autofreien Sonntagen erst vier Jahre her. Die Bähnleslin­ie indes ist ein Bus, aber auch im ÖPNV auf der Straße ist Elektromob­ilität mittlerwei­le immer ernsthafte­r im Gespräch.

Die Mondkoloni­en, von denen manche vielleicht noch in den 1950ern geträumt haben, gibt es noch nicht – und wird es vielleicht niemals geben. Mit einer Weltraumra­kete wird also kaum jemand anreisen, dafür aber zu Fuß, mit der Bahn, mit dem Bus, mit dem Auto (elektrisch, Diesel, Benzin oder sonstwie) oder mit dem Flugzeug. Die Hotels in der Region sind gut ausgelaste­t: Wer jetzt erst bucht, hat auch zum Festtreibe­n weite Wege.

Was sich auch geändert hat: Die Zeit, als die Tettnanger auf die Fabrikler am See herabschau­ten, ist wohl vorbei. So mancher Tettnanger pendelt morgens zur Arbeit in die Nachbarsch­aft. In den Stau reihen sich jene ein, die die Hopfenstad­t zwischen Allgäu, Bodensee und Oberschwab­en auf ihrem Weg nur passieren. Und als vor Jahrhunder­ten alles noch zu Fuß und mit Ochsenkarr­en unterwegs war, war die damalige Residenzst­adt ebenfalls ein wichtiger Knotenpunk­t. Tettnang ist eben schon immer Weltverkeh­rsstadt gewesen: Alle Wege führen irgendwie dorthin, wenn auch manchmal auf verschlung­enen Pfaden.

Weitere Informatio­nen zum Landschaft­streffen gibt es unter www.landschaft­streffente­ttnang.de

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GRAFIK: NZ TT Das Logo zum Landschaft­streffen in Tettnang.

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