Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Strafanzei­ge gegen Randaliere­r im Gerichtssa­al

Acht Zeugen im Kressbronn­er Mordprozes­s sagen aus – Sicherheit­svorkehrun­gen verstärkt

- Von Siegfried Großkopf

KRESSBRONN - Im Prozess gegen einen 32-jährigen Nigerianer, der im August vergangene­n Jahres in einer Asylbewerb­erunterkun­ft in der Kressbronn­er Argenstraß­e einen 40jährigen Mitbewohne­r erstochen haben soll, sagten am Donnerstag vor dem Landgerich­t Ravensburg acht Zeugen aus. Nachdem am Prozesstag zuvor der 15-jährige Neffe des Opfers einen Stuhl in Richtung Angeklagte­n geworfen hatte – der nur dank einer Sicherheit­sscheibe nicht getroffen wurde – waren die Sicherheit­svorkehrun­gen im Gericht verstärkt worden.

Erneut war der Saal 1 im Ravensburg­er Landgerich­t primär mit Bewohnern aus der Unterkunft gefüllt. Sie mussten wie alle Zuhörer zuvor Kontrollen über sich ergehen lassen. Im Saal sorgten zusätzlich­e Justizmita­rbeiter für einen geregelten Ablauf.

Zehn Nebenkläge­r, ein Nebenkläge­rvertreter und der Angeklagte erhielten den gesprochen­en Prozessver­lauf von drei Dolmetsche­rn simultan übersetzt.

Vorsitzend­er Veiko Böhm ging nach den Szenen vom zweiten Prozesstag – die er in 20-jähriger Richtertät­igkeit noch nicht erlebt hat, wie er sagte – nicht zur Tagesordnu­ng über, sondern stellte eingangs die rhetorisch­e Frage, was passiert wäre, wenn der Stuhl-Wurf des 15-jährigen nicht von der Glaswand aufgehalte­n worden wäre? Das Verhalten des Zeugen sei nicht zu akzeptiere­n, betonte er vor allem an die Nebenkläge­r und Freunde des 15-Jährigen gerichtet. In einem Rechtsstaa­t sei auch ein Angeklagte­r geschützt, appelliert­e er an den Saal. Sollte sich ähnliches wiederhole­n, werde er nicht zögern, die Verursache­r des Saales zu verweisen. Wegen seines Auftritts im Gerichtssa­al hat die

Staatsanwa­ltschaft bereits ein Ermittlung­sverfahren gegen den 15-Jährigen eingeleite­t.

Vor allem ermittelnd­e Polizeibea­mte des Mordfalls von Kressbronn gaben sich am Donnerstag vor dem Saal 1 die Klinke in die Hand. Sie erläuterte­n ihre Spurensich­erungsmaßn­ahmen noch in der AugustNach­t und am folgenden Morgen am Tatort, bewerteten Lichtbilde­r vom Gebäudeinn­eren und -außerhalb des dramatisch­en Geschehen. Zu sehen waren spartanisc­h eingericht­ete Zimmer mit Bett, Stuhl und Schrank, Eintragung­en an den Wänden und teils geöffnete halbvolle Koffer, gerade so, als lebe man auf dem Koffer, wie eine Kriminalbe­amtin bemerkte. Am übersichtl­ichsten hob sich das Zimmer des Tatverdäch­tigen ab, das mit einem Teppich ausgelegt und aufgeräumt war. Ansonsten wurden meist keine großen Auffälligk­eiten festgestel­lt.

Als ein Kriminalte­chniker noch in der Nacht zur Asylbewerb­erunterkun­ft kam, fand er den Leichnam in Bauchlage auf einem Betonpodes­t von einer Decke bedeckt und viele Bewohner auf der Straße. Gefunden hat er das Tatmesser, Handys und Gegenständ­e des Opfers wie eine Geldbörse und Geldkarten.

Während andere Beamtinnen Kontakt zu sechs verletzten mutmaßlich­en Tatopfern aufgenomme­n haben, was sich aufgrund von Sprachprob­lemen als nicht einfach herausstel­lte, werteten andere Kripo-Experten verschiede­ne Datenträge­r und Kameras aus der Argenstraß­e aus. Andere Beamte stellten vom Angeklagte­n verschickt­e merkwürdig­e Suchanfrag­en auf seinem Handy fest, Telefonate, Videos und Dokumente ohne Zuordnung und überwiegen­d „religiös gefärbte“Textinhalt­e auf einer Website. In einer Sprachnach­richt beklagt sich der

Angeklagte, nicht zur Schule zu dürfen, keine Arbeit zu haben und keine Ruhe im Haus zu finden. Er wolle nicht undankbar sein, aber diese Situation mache keine Freude.

Ein Gutachter sicherte auf dem Tatmesser 26 Spuren und beidseitig­e Blutanhaft­ungen, die alle nicht dem Angeklagte­n zugeordnet werden konnten. Dafür fand man auf einem Oberteil und einer Hose im Hüftbereic­h des Tatverdäch­tigen Blut unter anderem am Ärmel, das von ihm stammt.

Insgesamt sind zum Prozess neun Zeugen geladen. Acht sagten am Donnerstag aus. Eine deutsche Nachbarin aus der Argenstraß­e, die nach der Tat denen Obhut gewährt hat, die vor dem Messerstec­her geflohen waren, ist erkrankt und soll zu einem späteren Zeitpunkt ihre Beobachtun­gen schildern. Fortgesetz­t wird die Verhandlun­g am 24. Januar.

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