Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Dank Lockerheit im Leistungshoch
Deutsche Handballer wollen im Spiel gegen die Niederlande das Viertelfinal-Ticket lösen
KATTOWITZ (SID) - Die Psychospielchen auf dem Hotelflur kann und will sich Andreas Wolff nicht verkneifen. „Wir sind nicht auf den Mund gefallen, deshalb verteilen wir eher Sprüche, als sie uns anzuhören“, scherzte der deutsche Handball-Nationaltorhüter vor dem brisanten Duell mit den Niederlanden. „Wir wollen unseren Nachbarn natürlich nach Hause schicken.“
Ein Sieg in der Hauptrundenpartie gegen Oranje am Samstag (20.30 Uhr/ZDF) garantiert der Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason das WM-Viertelfinalticket. In diesem Fall wäre die Begegnung gegen Norwegen am Montag (20.30 Uhr/ARD) ein besseres Trainingsspiel für die K.o.-Runde – und die niederländische Chance aufs Weiterkommen wohl dahin.
Die Oranje-Spieler wohnen in Kattowitz ganz oben im elften Stock des Novotel, direkt über dem deutschen Team, Begegnungen bleiben da nicht aus. Noch am Freitag etwa passte Wolff nicht in den Aufzug, weil er voller Holländer war. „Es gibt nicht die Brisanz wie im Fußball“, sagte Linksaußen Lukas Mertens. „Mittlerweile ist da aber echt Feuer drin in diesem Duell.“
Die Stimmung im deutschen Team, das zeigte der Medientermin am Freitag in Kattowitz einmal mehr, ist prächtig. Die Mannschaft strotzt nach der Torgala gegen Argentinien vor Selbstvertrauen – und dennoch: An das greifbare Viertelfinale will (noch) niemand einen Gedanken verschwenden.
„Wir könnten genauso gut sagen: Wir denken schon an den WM-Titel, weil den holen wir, wenn wir die nächsten fünf Spiele gewinnen. Wir sind gut beraten, von Spiel zu Spiel zu denken“, sagte Wolff und warnte seine Mitspieler eindringlich: „Das wird kein Selbstläufer.“
Gegen die Niederlande erwartet Deutschland eine weitaus kniffligere Aufgabe als beim imponierenden 39:19 gegen die Südamerikaner. Die Mannschaft von Nationaltrainer Staffan Olsson brachte in der Vorrunde bereits Mitfavorit Norwegen an den Rand einer Niederlage. Mit ihren eher klein gewachsenen Spielern drückt der vermeintliche Underdog vor allem aufs Tempo.
„Es wird ein sehr schnelles Spiel, auch wir wollen wieder Gas geben – und dann wird sich zeigen, wer dieses Wettrennen gewinnt“, sagte Spielmacher Juri Knorr und lobte den „sehr guten Speed“und die „sehr gute Passqualität“der Niederländer um Starspieler Luc Steins von Paris St. Germain. Für CoTrainer Erik Wudtke gehören die Niederländer „im Tempospiel zu den besten Mannschaften in Europa“.
Der Handball im deutschen Nachbarland, wo die Frauen weitaus erfolgreicher sind als die Männer, entwickelt sich zunehmend. Verloren die Niederländer beim jüngsten
Pflichtspiel gegen Deutschland im Rahmen der EM 2020 noch deutlich (23:34), rechnet sich das mit zahlreichen Bundesliga-Profis gespickte Team nun etwas aus. „Wir haben viel Bock auf dieses besondere Spiel und ein gutes Gefühl“, sagte der Magdeburger Kay Smits.
Die deutsche Mannschaft schickte mit ihrem furiosen Hauptrundenstart gegen Argentinien allerdings ein deutliches Signal. „Ich hoffe, dass es genauso weitergeht. Dann werden wir irgendwann stolz nach Hause fahren“, sagte Gislason glücklich.
Sinnbildlich für die Gemütsverfassung des DHB-Coaches war eine Auszeit gegen Argentinien. „Spielt, was ihr wollt“, rief Gislason seinen
Andreas Wolff warnt seine Mitspieler vor den Niederlanden
Spielern zu. Das sorgte nicht nur bei den 5,01 Millionen Fernsehzuschauern für Staunen, sondern auch bei seinen Spielern. „So etwas kommt bei Alfred selten vor“, sagte der langjährige Kieler Rune Dahmke: „Spätestens dann weißt du als Spieler, dass es ganz gut läuft in dem Spiel.“
Wolff sieht den Bundestrainer als einen der Schlüssel für die bisher erfolgreiche WM an. „Alfred ist natürlich auch sehr emotional, schafft es aber trotzdem sehr gut, den Bogen zu spannen zwischen vor dem Spiel und nach dem Spiel“, sagte der Europameister von 2016. „Trotz seiner Anspannung schafft er es, uns vor dem Spiel eine gewisse Ruhe zu geben, weil er eben unglaublich viel Erfahrung, unglaublich viel Souveränität hat.“Diese soll die deutsche Auswahl gegen die Niederlande zum fünften Sieg im fünften WM-Spiel führen.
„Das wird kein Selbstläufer.“