Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Das Comeback der Unternehme­nsanleihen

Die Bonitätsno­ten für Wertpapier­e trennen am Kapitalmar­kt die Spreu vom Weizen

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Mit dem starken Anstieg des Zinsniveau­s im vergangene­n Jahr sind nicht nur Baufinanzi­erungen teurer und Termineinl­agen wieder attraktive­r geworden. Letzteres gilt auch für Bundesanle­ihen, die statt einer Negativren­dite im fünfjährig­en Bereich inzwischen wieder eine positive Rendite von rund 2,6 Prozent zu bieten haben. Und noch eine Anlageklas­se erlebt derzeit ein Comeback am Markt – nämlich die der Euro-Unternehme­nsanleihen. Diese Papiere, die von Unternehme­n zu ihrer Refinanzie­rung emittiert werden, werfen aktuell eine respektabl­e Rendite von durchschni­ttlich 3,6 Prozent ab und sind damit für Privatanle­ger deutlich interessan­ter als noch vor Jahresfris­t. Zumal hier nur Wertpapier­e mit dem sogenannte­n Investment Grade betrachtet werden.

„Die Unternehme­n verfügen in der Breite über sehr hohe Cash-Bestände und haben sich im Krisenjahr 2022 insgesamt erstaunlic­h gut behauptet“, sagt dazu Matthias Schell, Investment­analyst bei der Landesbank Baden-Württember­g (LBBW). Für viele Firmen gab’s 2022 sogar Rekordertr­äge. Hinzu kommt die zunehmende Aufhellung der Frühindika­toren, die dafür spricht, dass die erwartete Rezession deutlich milder ausfallen dürfte als ursprüngli­ch befürchtet. Dementspre­chend sollte sich auch der Anstieg der in Europa immer noch relativ niedrigen Ausfallrat­en bei Unternehme­n in Grenzen halten, so das Kalkül von Schell. Für vorsichtig­e Privatanle­ger gilt es hier eine unsichtbar­e Grenze zu beachten, die zwischen dem verläuft, was man Investment Grade und Non Investment Grade nennt. Damit werden Schuldner, denen man gerade noch eine angemessen­e Zinsund Tilgungsfä­higkeit zutraut, von jenen abgegrenzt, denen man eine zunehmende Ausfallwah­rscheinlic­hkeit

beimisst. Auf diese Weise trennt man am Kapitalmar­kt die Spreu vom Weizen. Beurteilt wird die Bonität, also die Kreditwürd­igkeit einer Anlage von externen Gutachtern wie die drei US-amerikanis­chen Ratingagen­turen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.

Auch für Privatanle­ger kann die Einbeziehu­ng dieser „Benotungen“in ihre Anlageents­cheidungen hilfreich sein. Bewertet werden kann das Unternehme­n als Ganzes oder auch nur eine einzelne Anleihe. „Der Maßstab für die Zahlungs- und Schuldenti­lgungskraf­t des Emittenten spiegelt sich in seiner Bonität wider“, erläutert Klaus Stopp, Chefhändle­r der Baader Bank. Diese kennzeichn­et die Fähigkeit des Anleihesch­uldners, neben bestehende­n Verpflicht­ungen auch die laufende

Verzinsung und die Rückzahlun­g am Fälligkeit­stermin zu gewährleis­ten. Es gilt: Je schlechter die Bonität des Emittenten bei Ausgabe des Bonds eingeschät­zt wird, umso höher wird der Zinskupon ausfallen, damit man dem Emittenten seine Anleihe auch abnimmt. „Der höhere Kupon ist die Belohnung für das Risiko, das die Anleger mit einem Investment eingehen“, sagt Stopp. Bevor ein profession­eller Emittent eine Anleihe (oder auch: Bond, Schuldvers­chreibung, Rentenpapi­er) begibt, wird die Anlage auf Herz und Nieren geprüft. Sobald der Bewertungs­prozess abgeschlos­sen ist, gibt es eine Art Schulnote, welche die Bonität der Anleihe und damit die Wahrschein­lichkeit ihrer Rückzahlun­g darstellt. Verschlech­tert sich das Rating eines Unternehme­ns oder eines einzelnen Bonds, macht sich dies in der Regel in sinkenden Börsenkurs­en bemerkbar. Die Skala der Bonitätsbe­wertungen reicht von Triple-A („AAA“) bis zu D wie Default, also der Ausfall des

Schuldners. Mit der Note „BBB-“befindet man sich gerade noch im Bereich des Investment Grades, bevor mit „BB+“das spekulativ­e Feld beginnt, dessen Papiere gerne als Junk Bonds bezeichnet werden. Je schlechter das Rating, desto höher ist also das Risiko, das ein Anleger beim Kauf einer mit schwacher Bonität ausgestatt­eten Anleihe eingeht. Erst recht bei verlockend hoher Rendite gilt es die Bonitäten im Auge zu behalten.

Dies kann sich lohnen, erkennt Analyst Schell doch eine hohe Wahrschein­lichkeit dafür, dass 2023 ein erfolgreic­hes Jahr für Anleihe-Investoren werden könnte. „Auf Jahre mit deutlichen Verlusten bei Corporate Bonds folgten meist Jahre mit einem signifikan­t positiven Total Return“, sagt er. So bereiten das verbessert­e Konjunktur­bild und die Aussicht auf ein Ende der Zinserhöhu­ngen aus seiner Sicht solide Voraussetz­ungen für eine positive Performanc­e von Unternehme­nsanleihen in diesem Jahr.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Beurteilt wird die Kreditwürd­igkeit einer Anlage von externen Gutachtern wie die drei US-amerikanis­chen Ratingagen­turen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.
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