Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Das Comeback der Unternehmensanleihen
Die Bonitätsnoten für Wertpapiere trennen am Kapitalmarkt die Spreu vom Weizen
STUTTGART - Mit dem starken Anstieg des Zinsniveaus im vergangenen Jahr sind nicht nur Baufinanzierungen teurer und Termineinlagen wieder attraktiver geworden. Letzteres gilt auch für Bundesanleihen, die statt einer Negativrendite im fünfjährigen Bereich inzwischen wieder eine positive Rendite von rund 2,6 Prozent zu bieten haben. Und noch eine Anlageklasse erlebt derzeit ein Comeback am Markt – nämlich die der Euro-Unternehmensanleihen. Diese Papiere, die von Unternehmen zu ihrer Refinanzierung emittiert werden, werfen aktuell eine respektable Rendite von durchschnittlich 3,6 Prozent ab und sind damit für Privatanleger deutlich interessanter als noch vor Jahresfrist. Zumal hier nur Wertpapiere mit dem sogenannten Investment Grade betrachtet werden.
„Die Unternehmen verfügen in der Breite über sehr hohe Cash-Bestände und haben sich im Krisenjahr 2022 insgesamt erstaunlich gut behauptet“, sagt dazu Matthias Schell, Investmentanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Für viele Firmen gab’s 2022 sogar Rekorderträge. Hinzu kommt die zunehmende Aufhellung der Frühindikatoren, die dafür spricht, dass die erwartete Rezession deutlich milder ausfallen dürfte als ursprünglich befürchtet. Dementsprechend sollte sich auch der Anstieg der in Europa immer noch relativ niedrigen Ausfallraten bei Unternehmen in Grenzen halten, so das Kalkül von Schell. Für vorsichtige Privatanleger gilt es hier eine unsichtbare Grenze zu beachten, die zwischen dem verläuft, was man Investment Grade und Non Investment Grade nennt. Damit werden Schuldner, denen man gerade noch eine angemessene Zinsund Tilgungsfähigkeit zutraut, von jenen abgegrenzt, denen man eine zunehmende Ausfallwahrscheinlichkeit
beimisst. Auf diese Weise trennt man am Kapitalmarkt die Spreu vom Weizen. Beurteilt wird die Bonität, also die Kreditwürdigkeit einer Anlage von externen Gutachtern wie die drei US-amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch.
Auch für Privatanleger kann die Einbeziehung dieser „Benotungen“in ihre Anlageentscheidungen hilfreich sein. Bewertet werden kann das Unternehmen als Ganzes oder auch nur eine einzelne Anleihe. „Der Maßstab für die Zahlungs- und Schuldentilgungskraft des Emittenten spiegelt sich in seiner Bonität wider“, erläutert Klaus Stopp, Chefhändler der Baader Bank. Diese kennzeichnet die Fähigkeit des Anleiheschuldners, neben bestehenden Verpflichtungen auch die laufende
Verzinsung und die Rückzahlung am Fälligkeitstermin zu gewährleisten. Es gilt: Je schlechter die Bonität des Emittenten bei Ausgabe des Bonds eingeschätzt wird, umso höher wird der Zinskupon ausfallen, damit man dem Emittenten seine Anleihe auch abnimmt. „Der höhere Kupon ist die Belohnung für das Risiko, das die Anleger mit einem Investment eingehen“, sagt Stopp. Bevor ein professioneller Emittent eine Anleihe (oder auch: Bond, Schuldverschreibung, Rentenpapier) begibt, wird die Anlage auf Herz und Nieren geprüft. Sobald der Bewertungsprozess abgeschlossen ist, gibt es eine Art Schulnote, welche die Bonität der Anleihe und damit die Wahrscheinlichkeit ihrer Rückzahlung darstellt. Verschlechtert sich das Rating eines Unternehmens oder eines einzelnen Bonds, macht sich dies in der Regel in sinkenden Börsenkursen bemerkbar. Die Skala der Bonitätsbewertungen reicht von Triple-A („AAA“) bis zu D wie Default, also der Ausfall des
Schuldners. Mit der Note „BBB-“befindet man sich gerade noch im Bereich des Investment Grades, bevor mit „BB+“das spekulative Feld beginnt, dessen Papiere gerne als Junk Bonds bezeichnet werden. Je schlechter das Rating, desto höher ist also das Risiko, das ein Anleger beim Kauf einer mit schwacher Bonität ausgestatteten Anleihe eingeht. Erst recht bei verlockend hoher Rendite gilt es die Bonitäten im Auge zu behalten.
Dies kann sich lohnen, erkennt Analyst Schell doch eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass 2023 ein erfolgreiches Jahr für Anleihe-Investoren werden könnte. „Auf Jahre mit deutlichen Verlusten bei Corporate Bonds folgten meist Jahre mit einem signifikant positiven Total Return“, sagt er. So bereiten das verbesserte Konjunkturbild und die Aussicht auf ein Ende der Zinserhöhungen aus seiner Sicht solide Voraussetzungen für eine positive Performance von Unternehmensanleihen in diesem Jahr.