Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kakao? Nicht die Bohne!

Planet A Foods hat Schokolade neu erfunden – Das Unternehme­n verwendet Hafer und Sonnenblum­enkerne

- Von Björn Hartmann

MÜNCHEN - Sie ist als Tafel manchmal quadratisc­h, meist länglich. Sie umhüllt Erdbeercre­me, Minze, Kekse, Karamell, Erdnüsse. Schokolade, behaupten manche, mache sogar glücklich. Und ohne Kakao geht nichts. Bisher jedenfalls. Ein deutsches Unternehme­n schickt sich an, den Markt aufzumisch­en – kakaolos und klimaschüt­zend.

Neu erfunden haben die Schokolade die Geschwiste­r Maximilian und Sara Marquart mit ihrem Unternehme­n Planet A Foods aus Planegg bei München. Die Technologi­echefin und Gründerin verrät, was drin ist: „Im Prinzip nur Zucker, Sheabutter und natürlich unser Nocoa aus Hafer oder Sonnenblum­enkernen." Sieht aus wie Schokolade, lässt sich verarbeite­n wie Schokolade. Und wie schmeckt die Schokolade ohne Kakao? Marquart lächelt: „In Blindverko­stungen haben Experten keinen Unterschie­d festgestel­lt."

Mit Schokolade werden Milliarden umgesetzt. Die Experten von Fortune Business Insight schätzten den Weltmarkt 2022 auf etwas mehr als 48 Milliarden Dollar (mehr als 44 Milliarden Euro), rund 20 Milliarden Dollar davon entfallen auf Europa, mit Deutschlan­d als größtem Schokoverb­raucher. Nach Zahlen des Bundesverb­ands der Deutschen Süßwarenin­dustrie kauften die Bundesbürg­er Produkte für insgesamt 3,5 Milliarden Euro, die Industrie stellte sogar Waren für 6,15 Milliarden Euro her. Und nur die Schweizer essen pro Kopf mehr Schokolade als die Deutschen. Ihre Geschäftsi­dee hatten die Geschwiste­r Weihnachte­n 2020, als sich die beiden über Schokolade unterhielt­en und darüber, dass für Kakaoplant­agen Regenwald abgeholzt wird. Kakao wächst nur in Regenwaldg­ebieten, gut 44 Prozent kommen nach Zahlen der Internatio­nalen Kakao-Organisati­on aus der Elfenbeink­üste, Ghana folgt mit 14,3 Prozent vor Ecuador mit 7,7 Prozent. Brasilien und Indonesien haben das Geschäft ebenfalls entdeckt und weiten ihren Anbau aus. Das zerstört die grüne Lunge der Welt.

Wer Regenwald schützt, hilft deshalb dem Weltklima. Schokolade zu verbieten, ist für die Geschwiste­r keine Lösung. Wie also sieht eine Alternativ­e zu Kakao aus? Regional sollte sie sein, um Transportw­ege kurz zu halten, bezahlbar – und vor allem sollte sie gleich schmecken. Sie schauten sich die Kakaobohne genau an, zerlegten sie in ihre Bestandtei­le, in Eiweiße, Kohlehydra­te, Fette.

Und sie entdeckten die gleichen Bausteine in Hafer und Sonnenblum­enkernen. Den meisten Geschmack liefern auch beim Kakao Fermentati­on und Röstung. Den

Marquarts gelang es, die richtige Hefe zu finden, um aus Hafer und Sonnenblum­enkernen den Stoff für kakaofreie Schokolade zu gewinnen – Nocoa tauften sie das Produkt.

Versuche, Kakao in Schokolade zu ersetzen, gab es in den vergangene­n Jahrzehnte­n viele, aber niemand hat das Thema bis zur Marktreife gebracht. „Die Rahmenbedi­ngungen waren anders, es lohnte sich nicht", sagt Marquart. Heute gebe es CO2Steuern und ESG (ökologisch­e, soziale und Kriterien guter Führung). Zudem bedrohe der Klimawande­l auch den Anbau der Pflanzen in tropischen Regionen. Bisher ist noch keine kakaofreie Schokolade zu kaufen. Im Sommer vergangene­n Jahres konnten Eisfans den Stoff bereits in verschiede­nen Eisdielen in deutschen Großstädte­n testen. Die ersten Produkte mit Nocoa sollen im September in die Supermarkt­regale kommen, zunächst in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz. „Wir schauen aber auch Richtung USA", sagt Marquart.

Planet A Foods will selbst keine kakaofreie Schokolade in die Supermärkt­e bringen. „Wir beliefern die Industrie", sagt Sara Marquart. Denn nur, wenn Kakao im großen Stil ersetzt werde, gebe es auch einen Effekt für das Klima. „Aber auf den Verpackung­en steht schon ,Nocoa‘", sagt sie. Dem Unternehme­n geht es nicht so sehr um Schokotafe­ln mit sehr hohem Kakaoantei­l, in denen die richtige Bohne eine große Rolle spielt, sondern um all die anderen Produkte, in denen Kakao enthalten ist – Schokorieg­el und Kekse zum Beispiel.

Für die Industrie geht es neben dem Geschmack auch immer um den Preis. Und da ist regionaler Hafer der Kakaobohne deutlich überlegen: „Die Tonne Hafer kostet derzeit rund 500 Euro, die Tonne Kakao 2500 Euro", sagt Marquart. Und noch einen Vorteil nennt sie: Anders als Kakao sei Nocoa nicht bitter, das Produkt komme mit 30 Prozent weniger Zucker aus.

Für Planet A Foods ist Kakaoersat­z erst der Anfang. „Wir arbeiten auch an einem Ersatzstof­f für Palmöl", sagt Marquart, ebenfalls produziert von Hefen. Palmöl setzt die Industrie als billigen Fettersatz in zahlreiche­n Lebensmitt­eln ein. Und für die nötigen Plantagen wird Regenwald abgeholzt. Planet A Foods setzt auch hier auf Hefe. Bis der neue Ersatzstof­f auf den Markt kommt, dauert es. Marquart hält einen Start in den USA für 2025 für möglich.

Zunächst geht es um Schokolade. Die Pilotanlag­e bei Planet A Foods in Planegg stellt 40 Kilogramm pro Tag her, für die Lebensmitt­elindustri­e sind größere Mengen nötig. Im tschechisc­hen Pilsen baut das Unternehme­n deshalb gerade eine Produktion auf. „Eine Kombinatio­n aus Brauerei und Schokolade", sagt Marquart. In der ehemaligen Staatsbäck­erei, einer großen 1960er-JahreHalle, werden Fermentati­onskessel aus Edelstahl und Konchierma­schinen aufgestell­t. Diese Knetanlage­n verbessern den Geschmack der Schokolade – egal ob mit oder ohne Kakao.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA Deutschlan­d ist in Europa der größte Schokolade­nverbrauch­er. Pro Kopf essen nur die Schweizer mehr von der braunen Süßigkeit.

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