Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Grüner Wasserstof­f aus 15.000 Kilometer Entfernung

In acht Jahren soll klimafreun­dlich produziert­er Wasserstof­f für die deutsche Energiewen­de aus Australien kommen

- Von Hannes Koch

BERLIN - Es ist eine riesige Aufgabe. „Wir arbeiten am Aufbau einer neuen Industrie“, sagte Christian Bruch, Vorstand von Siemens Energy. Doch vieles dabei ist ungeklärt: „Ein geschlosse­nes Geschäftsm­odell für grünen Wasserstof­f gibt es noch nicht.“Zahlreiche offene Fragen werde die Zusammenar­beit zwischen Australien und Deutschlan­d, sowie Unternehme­n beider Länder bald beantworte­n, hofft der Manager.

Der Kontinent Australien liegt ungefähr 15.000 Kilometer von Deutschlan­d entfernt. Und doch soll saubere Energie von dort künftig die klimaneutr­ale Produktion in Deutschlan­d ermögliche­n. Es geht um die Lieferung großer Mengen sogenannte­n grünen Wasserstof­fs, der in Australien mittels Ökostrom gewonnen werden soll. Zusammen mit Siemens-Manager Bruch verkündete­n Bundesfors­chungsmini­sterin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und Australien­s Energiemin­ister Chris Bowen am Freitag die ersten praktische­n Schritt der Kooperatio­n. Vier industriel­le Entwicklun­gsprojekte wollen die beiden Regierunge­n mit zusammen 46 Millionen Euro fördern. Ein Schwerpunk­t liegt auf der Weiterentw­icklung von Elektrolys­euren. Das sind Apparate, die Wasser in Wasserstof­f und Sauerstoff zerlegen. Wird dafür Ökostrom beispielsw­eise aus Solaranlag­en verwendet, spricht man von „grünem“

Wasserstof­f ohne klimaschäd­liche Kohlendiox­id-Emissionen.

Für die noch nicht existieren­de Produktion­skette werden unter anderem Solar- und Wasserents­alzungsanl­agen, Elektrolys­eure, Fabriken für die Verflüssig­ung des Wasserstof­fs und Häfen gebraucht. „Spätestens 2030“solle die erste Lieferung aus Australien in Deutschlan­d ankommen, sagte Stark-Watzinger.

Vermutlich handelt es sich dabei um Ammoniak, eine Verbindung von Wasserstof­f und Stickstoff, die sich leichter transporti­eren lässt als reiner Wasserstof­f.

Die Transportk­osten auf der langen Strecke nach Europa spielten dabei kaum eine Rolle, erklärte Energiemin­ister Bowen. Laut Forschungs­ministeriu­m beträgt der Anteil der Schiffspas­sage an den Gesamtkost­en „fünf bis elf Prozent“. Der klimafreun­dliche Energieträ­ger könnte zum Beispiel über ein neues Terminal in Wilhelmsha­ven importiert und bei der Salzgitter AG zur Stahlprodu­ktion eingesetzt werden.

Zahlreiche beteiligte Unternehme­n wollen im Rahmen der Projekte neue Materialie­n testen, den Energieein­satz und damit die Kosten senken. Heute ist die Herstellun­g grünen Wasserstof­fs noch zu teuer und nicht konkurrenz­fähig. Das zu ändern soll die staatliche Anschubfin­anzierung ermögliche­n.

Ein weiterer Fokus liegt auf der Herstellun­g sogenannte­n grünen Methanols in Australien und seines

Exports nach Deutschlan­d. In dieser chemischen Reaktion verbindet sich Wasserstof­f mit Kohlendiox­id. Das flüssige Methanol kann etwa als Treibstoff in Verbrennun­gsmotoren dienen. Ein Vorteil: Es ist leicht zu transporti­eren. Außerdem knüpft sich daran die Hoffnung unter anderem der FDP, dass Dutzende Millionen deutscher Autos mit Verbrennun­gsmotoren auf klimafreun­dliche Art weiterfahr­en können. Nachteil: Ein großer Teil der ursprüngli­ch eingesetzt­en Solarenerg­ie geht in den diversen Umwandlung­sstufen verloren.

Nach Angaben Stark-Watzingers könnte Deutschlan­d 2030 etwa ein Drittel des dann benötigten grünen Wasserstof­fs selbst herstellen. Die übrigen zwei Drittel müssten importiert werden, unter anderem aus Australien. Weitere ähnliche Wasserstof­f-Kooperatio­nen schiebt die Bundesregi­erung mit Kanada, Norwegen, Chile und Namibia an. Energiemin­ister Bowen sieht große Chancen: „Australien ist energierei­ch, Deutschlan­d energiehun­grig.“

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FOTO: JENS SCHICKE/IMAGO Christian Bruch, Vorstandsv­orsitzende­r von Siemens Energy, bei der Vorstellun­g der deutsch-australisc­hen Wasserstof­f-Projekte.

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