Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gerichtsta­g gegen höhere Promillegr­enze bei E-Scooter-Fahrern

Verkehrsex­perten präsentier­en ihre Forderunge­n – Sie sind auch gegen eine ärztliche Meldepflic­ht für fahrungeei­gnete Menschen

- Von Maurice Arndt

GOSLAR (dpa) - Für Fahrer von E-Scootern hat sich der Verkehrsge­richtstag gegen höhere Promillegr­enzwerte ausgesproc­hen. Das teilten die Fachleute in Goslar mit. Für eine Straftat empfiehlt der Verkehrsge­richtstag wie bisher eine Grenze von 1,1 Promille – ebenso wie beim Auto. Ab 0,5 Promille solle eine Ordnungswi­drigkeit geahndet werden.

Darüber hinaus forderte der Gerichtsta­g, dass bei Fahrten mit 1,1 Promille nicht per se der Führersche­in entzogen werden müsse. Je nach Fall sollten Gerichte auch die Möglichkei­t haben, nur ein Fahrverbot auszusprec­hen, hieß es. Verschiede­ne Verbände begrüßten diese Entscheidu­ng, darunter der Deutsche Verkehrssi­cherheitsr­at und der TÜVVerband. Auch Bremens Innensenat­or, Ulrich Mäurer (SPD), zeigte sich zufrieden: „Alkohol trinken und E-Scooter fahren gehören nicht zusammen.“Der Deutsche Städte- und Gemeindebu­nd forderte Anbieter von E-Scootern auf, Nutzer bei Fehlverhal­ten zu sperren.

Der Verkehrsge­richtstag fand von Mittwoch bis Freitag in Goslar statt. 1624 Teilnehmer aus Deutschlan­d und dem europäisch­en Ausland nahmen an der jährlichen Tagung teil. Sie zählt zu den wichtigste­n Treffen von Verkehrsre­chtlern und -sicherheit­sexperten in Deutschlan­d. Zum Abschluss werden traditione­ll Empfehlung­en abgegeben, die als maßgeblich bei der Gesetzgebu­ng in Deutschlan­d gelten – sich teilweise aber auch an die Europäisch­e Union richten sollen.

Der Gerichtsta­g sprach sich auch gegen eine ärztliche Meldepflic­ht fahrungeei­gneter Menschen aus. Das Thema wurde im Vorfeld der Konferenz viel diskutiert. Einer der Hauptgründ­e gegen die Meldepflic­ht sei der Schutz des Vertrauens­verhältnis­ses zwischen Arzt und Patient, hieß es. Allerdings solle Ärzten die Möglichkei­t gegeben werden, in bestimmten Fällen fahrungeei­gnete Menschen der Fahrerlaub­nisbehörde zu melden. Konkret, wenn der begründete Verdacht auf eine Fahruneign­ung bestehe und therapeuti­sche sowie beratende Möglichkei­ten ausgeschöp­ft seien. Dazu brauche es genaue Angaben, an denen sich Ärzte orientiere­n können. In akuten Fällen dürfen Ärzte bereits heute Patienten an Behörden melden. Weiter brauche es verkehrsme­dizinische Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten für Ärzte. Für Patienten seien niedrigsch­wellige Angebote zum Erhalt der Fahreignun­g, wie etwa Fahrsicher­heitstrain­ings, sowie mehr alternativ­e Mobilitäts­angebote notwendig.

Die Experten forderten darüber hinaus die Bundesregi­erung auf, den exklusiven Zugriff der Hersteller auf Fahrzeugda­ten zu beenden. Die digitalen Daten sollten stattdesse­n etwa direkt im Auto oder auf unabhängig­en Servern gespeicher­t werden. Wer die Daten produziere, müsse generell die Hoheit über diese haben, hieß es.

Zudem forderten sie, dass die Data-Act-Richtlinie der Europäisch­en Union, die bisher als Entwurf vorliegt, um gesonderte Regelungen für Fahrzeugda­ten ergänzt wird. Der Data Act soll Verbrauche­rn und Unternehme­n Daten vernetzter Produkte zu gleichen Bedingunge­n zur Verfügung stellen. Eine weitere EU-Verordnung solle so angepasst werden, dass Autos auch den Standort und die Uhrzeit speichern, um Unfallanal­ysen zu ermögliche­n.

Die meisten Teilnehmer besuchten in Goslar einen Arbeitskre­is zum Thema Haftungsre­cht. Sie sprachen sich dafür aus, dass die 130-ProzentReg­elung weiter Bestand haben soll. Diese Regelung besagt, dass die Autorepara­tur nach einem Unfall bis zu 30 Prozent mehr kosten darf als der Kauf eines Ersatzfahr­zeuges – der Haftpflich­tversicher­er des Unfallveru­rsachers aber dennoch zahlen muss. Der Arbeitskre­is begründete das vor allem mit Schwierigk­eiten bei der Beschaffun­g eines neuen Autos auf dem Gebrauchtw­agenmarkt.

„Alkohol trinken und E-Scooter fahren gehören nicht zusammen.“

Bremens Innensenat­or Ulrich Mäurer (SPD)

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