Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Der Schock kommt per Telefon
Polizeipräsident Uwe Stürmer ruft Angehörige auf, zu helfen – Polizei nimmt kein Geld
BODENSEEKREIS - Immer wieder kommt es vor, dass in Friedrichshafen Menschen am Telefon von Betrügern angerufen werden und Gefahr laufen, denen auch auf den Leim zu gehen. Die Betrugsversuche, so die Polizei, würden immer raffinierter. Die Polizei hat aber auch Tipps, sich zu schützen.
Zwei Fälle aus Friedrichshafen wurden der Redaktion von den Betroffenen geschildert. So berichtet eine Häflerin, wie sie angerufen wurde. Anfang Dezember habe ihr Mann zum Zahnarzt gemusst. „Nach etwa zwei Stunden erwartete ich ihn eigentlich schon langsam zurück. Dann läutete das Telefon und ich bat meinen Schwager, dran zu gehen. Ich hörte diesen dann immer fragen: ,Bist Du das?’ Dann reichte er mir den Hörer. Am anderen Ende wimmerte und weinte ein Mann und sagte unter Schluchzen: ,Du, mir ist gerade was ganz Schreckliches passiert, ich kann kaum reden, ich habe gerade ein Kind totgefahren’.“
Danach sei der Hörer weitergegeben worden und es habe sich jemand als Polizist vorgestellt. „Der erklärte mit kräftiger, seriöser Stimme, sie hätten meinen Mann vorübergehend in Gewahrsam nehmen müssen. Und er käme nur gegen eine höhere Kaution frei, denn beim Tod eines Kindes würde ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung auf ihn warten. Ich sagte darauf total geschockt, ich möchte meinen Mann bitte nochmal sprechen“, schildert die Betroffene.
Der angebliche Polizist habe das als unmöglich beschrieben, da ihr Mann gerade psychologisch betreut werde. Er könne gegen eine Kaution freikommen. Und wie viel Geld die Frau dafür bar zur Verfügung stellen könne, habe der Anrufer wissen wollen. Bei der Frau seien Zweifel aufgekommen, aber sie habe gleichzeitig auch erwogen, dass eine solche Situation ja tatsächlich hätte passieren können.
Im Laufe des weiteren Gespräches habe der Anrufer auch ihre Handynummer haben wollen und mehrmals nach der Höhe eines möglichen Bargeldbetrages gefragt. „Während dieses Gesprächs rief dann zum großen Glück mein Mann auf dem Handy an und meinte als erstes: ,Du glaubst gar nicht was ich gerade für eine Tortur hinter mir habe’. Das passte im ersten Augenblick zusammen. Aber dann wurde mir klar, dass er den Zahnarzt-Besuch meinte.“
Nachdem die Frau dem vermeintlichen Polizisten mitgeteilt hatte, dass sie mit ihrem Mann auf dem Handy gesprochen habe, legte der auf. Kurz darauf erhielt sie einen weiteren Anruf, diesmal von einer Frau, die angeblich beim Betrugsdezernat arbeite und die Gespräche mitgehört habe. Die Häflerin legte auf. Auch den nächsten Anruf, der wieder von dem angeblichen Betrugsdezernat kam, brach die Häflerin ab. Sie und ihr Mann wunderten sich später nur darüber, wie „lapidar die echte Polizei diesen Fall abgetan’ habe: „Den Polizisten unter der 110 hat dieser Vorfall aber weniger interessiert als gedacht. Der Beamte meinte nur lapidar, ich wäre heute schon die Zehnte, die in ähnlicher Form reingelegt wurde. Von dieser gleichgültigen Reaktion war ich enttäuscht und fühlte mich abgefertigt. Auch ist sie mir vollkommen unverständlich, denn man sollte jede Masche aufgreifen und öffentlich machen, damit Andere gewarnt sind.“
Und genau das tut die Polizei auch. Die Polizei sammelt die Fälle und konzentriert sich dann auf die Regionen, um genau dort präventiv tätig zu werden. Banken werden benachrichtigt, damit deren Mitarbeiter auf auffällige Barabhebungen achten und ihre Kunden warnen können. Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei hat das Thema der betrügerischen Anrufe, der Schockanrufe und der falschen Polizisten immer wieder zum Gegenstand der Berichte gemacht und warnt auch im Internet vor deren Vorgehen.
Ein anderer Fall ging schneller über die Bühne. Ein Häfler erhielt einen Anruf, in dem eine Stimme behauptete, sie sei seine Enkelin. Und die habe einen Unfall gehabt. Jetzt sei sie bei der Polizei. Es sei eine Frau gestorben und zwei Kinder seien noch da. Der Häfler beendete das Gespräch und schaute nach, ob seine Schwiegertochter und die Kinder zuhause seien. Rund eine Stunde später habe sich dieses Gespräch wiederholt, er habe aber sofort aufgelegt.
Insbesondere ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger werden vermehrt Opfer von Anrufstraftaten, sagt die Polizei. Also des sogenannten Callcenter-Betrugs.
Eine Betroffene aus Friedrichshafen
Oft werden in diesem Zusammenhang hohe Bargeldbeträge bei Kreditinstituten abgehoben, um diese hinterher den Straftätern zu übergeben. Das Geld ist zumeist unwiederbringlich verloren, ebenso sonstige übergebene Wertsachen.
Auch aufgeklärte und informierte Menschen, die diese Betrügereien rechtzeitig erkennen, melden sich immer öfter bei der Polizei. Anhand dieser Anrufe können die aktuellen regionalen Schwerpunkte vom Führungsund Lagezentrum des Polizeipräsidiums erkannt werden.
Mit Sorge betrachtet die Polizei die Entwicklung der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Aus diesem Grund gibt es viele Hinweise und Tipps, sich vor solchen Machenschaften zu schützen. „Leider werden noch immer viel zu viele Bürger Opfer solcher Betrugsbanden, die sehr skrupellos und rücksichtslos agieren“, sagt Polizeipräsident Uwe Stürmer. „Die Polizei versucht, durch intensive Aufklärung insbesondere die betagteren Mitbürger zu sensibilisieren und vor dieser Masche zu warnen. Hier sind auch Angehörige aufgerufen, ihre Familienmitglieder immer wieder über diese Betrugsmasche zu informieren. Leider lassen sich trotzdem nicht alle Taten verhindern. Zur Aufklärung dieser Delikte wurde beim Polizeipräsidium Ravensburg eigens eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die sich um diese Betrugsform kümmert. Dabei ist es den Ermittlern in jüngster Zeit immer wieder gelungen, unter anderem in Zusammenarbeit mit Betrugsopfern bei fingierten Geldübergaben Tatverdächtige festzunehmen.“
„Man sollte jede Masche aufgreifen und öffentlich machen, damit Andere gewarnt sind.“