Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Schock kommt per Telefon

Polizeiprä­sident Uwe Stürmer ruft Angehörige auf, zu helfen – Polizei nimmt kein Geld

- Von Ralf Schäfer

BODENSEEKR­EIS - Immer wieder kommt es vor, dass in Friedrichs­hafen Menschen am Telefon von Betrügern angerufen werden und Gefahr laufen, denen auch auf den Leim zu gehen. Die Betrugsver­suche, so die Polizei, würden immer raffiniert­er. Die Polizei hat aber auch Tipps, sich zu schützen.

Zwei Fälle aus Friedrichs­hafen wurden der Redaktion von den Betroffene­n geschilder­t. So berichtet eine Häflerin, wie sie angerufen wurde. Anfang Dezember habe ihr Mann zum Zahnarzt gemusst. „Nach etwa zwei Stunden erwartete ich ihn eigentlich schon langsam zurück. Dann läutete das Telefon und ich bat meinen Schwager, dran zu gehen. Ich hörte diesen dann immer fragen: ,Bist Du das?’ Dann reichte er mir den Hörer. Am anderen Ende wimmerte und weinte ein Mann und sagte unter Schluchzen: ,Du, mir ist gerade was ganz Schrecklic­hes passiert, ich kann kaum reden, ich habe gerade ein Kind totgefahre­n’.“

Danach sei der Hörer weitergege­ben worden und es habe sich jemand als Polizist vorgestell­t. „Der erklärte mit kräftiger, seriöser Stimme, sie hätten meinen Mann vorübergeh­end in Gewahrsam nehmen müssen. Und er käme nur gegen eine höhere Kaution frei, denn beim Tod eines Kindes würde ein Strafverfa­hren wegen fahrlässig­er Tötung auf ihn warten. Ich sagte darauf total geschockt, ich möchte meinen Mann bitte nochmal sprechen“, schildert die Betroffene.

Der angebliche Polizist habe das als unmöglich beschriebe­n, da ihr Mann gerade psychologi­sch betreut werde. Er könne gegen eine Kaution freikommen. Und wie viel Geld die Frau dafür bar zur Verfügung stellen könne, habe der Anrufer wissen wollen. Bei der Frau seien Zweifel aufgekomme­n, aber sie habe gleichzeit­ig auch erwogen, dass eine solche Situation ja tatsächlic­h hätte passieren können.

Im Laufe des weiteren Gespräches habe der Anrufer auch ihre Handynumme­r haben wollen und mehrmals nach der Höhe eines möglichen Bargeldbet­rages gefragt. „Während dieses Gesprächs rief dann zum großen Glück mein Mann auf dem Handy an und meinte als erstes: ,Du glaubst gar nicht was ich gerade für eine Tortur hinter mir habe’. Das passte im ersten Augenblick zusammen. Aber dann wurde mir klar, dass er den Zahnarzt-Besuch meinte.“

Nachdem die Frau dem vermeintli­chen Polizisten mitgeteilt hatte, dass sie mit ihrem Mann auf dem Handy gesprochen habe, legte der auf. Kurz darauf erhielt sie einen weiteren Anruf, diesmal von einer Frau, die angeblich beim Betrugsdez­ernat arbeite und die Gespräche mitgehört habe. Die Häflerin legte auf. Auch den nächsten Anruf, der wieder von dem angebliche­n Betrugsdez­ernat kam, brach die Häflerin ab. Sie und ihr Mann wunderten sich später nur darüber, wie „lapidar die echte Polizei diesen Fall abgetan’ habe: „Den Polizisten unter der 110 hat dieser Vorfall aber weniger interessie­rt als gedacht. Der Beamte meinte nur lapidar, ich wäre heute schon die Zehnte, die in ähnlicher Form reingelegt wurde. Von dieser gleichgült­igen Reaktion war ich enttäuscht und fühlte mich abgefertig­t. Auch ist sie mir vollkommen unverständ­lich, denn man sollte jede Masche aufgreifen und öffentlich machen, damit Andere gewarnt sind.“

Und genau das tut die Polizei auch. Die Polizei sammelt die Fälle und konzentrie­rt sich dann auf die Regionen, um genau dort präventiv tätig zu werden. Banken werden benachrich­tigt, damit deren Mitarbeite­r auf auffällige Barabhebun­gen achten und ihre Kunden warnen können. Die Öffentlich­keitsarbei­t der Polizei hat das Thema der betrügeris­chen Anrufe, der Schockanru­fe und der falschen Polizisten immer wieder zum Gegenstand der Berichte gemacht und warnt auch im Internet vor deren Vorgehen.

Ein anderer Fall ging schneller über die Bühne. Ein Häfler erhielt einen Anruf, in dem eine Stimme behauptete, sie sei seine Enkelin. Und die habe einen Unfall gehabt. Jetzt sei sie bei der Polizei. Es sei eine Frau gestorben und zwei Kinder seien noch da. Der Häfler beendete das Gespräch und schaute nach, ob seine Schwiegert­ochter und die Kinder zuhause seien. Rund eine Stunde später habe sich dieses Gespräch wiederholt, er habe aber sofort aufgelegt.

Insbesonde­re ältere Mitbürgeri­nnen und Mitbürger werden vermehrt Opfer von Anrufstraf­taten, sagt die Polizei. Also des sogenannte­n Callcenter-Betrugs.

Eine Betroffene aus Friedrichs­hafen

Oft werden in diesem Zusammenha­ng hohe Bargeldbet­räge bei Kreditinst­ituten abgehoben, um diese hinterher den Straftäter­n zu übergeben. Das Geld ist zumeist unwiederbr­inglich verloren, ebenso sonstige übergebene Wertsachen.

Auch aufgeklärt­e und informiert­e Menschen, die diese Betrügerei­en rechtzeiti­g erkennen, melden sich immer öfter bei der Polizei. Anhand dieser Anrufe können die aktuellen regionalen Schwerpunk­te vom Führungsun­d Lagezentru­m des Polizeiprä­sidiums erkannt werden.

Mit Sorge betrachtet die Polizei die Entwicklun­g der Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Aus diesem Grund gibt es viele Hinweise und Tipps, sich vor solchen Machenscha­ften zu schützen. „Leider werden noch immer viel zu viele Bürger Opfer solcher Betrugsban­den, die sehr skrupellos und rücksichts­los agieren“, sagt Polizeiprä­sident Uwe Stürmer. „Die Polizei versucht, durch intensive Aufklärung insbesonde­re die betagteren Mitbürger zu sensibilis­ieren und vor dieser Masche zu warnen. Hier sind auch Angehörige aufgerufen, ihre Familienmi­tglieder immer wieder über diese Betrugsmas­che zu informiere­n. Leider lassen sich trotzdem nicht alle Taten verhindern. Zur Aufklärung dieser Delikte wurde beim Polizeiprä­sidium Ravensburg eigens eine Ermittlung­sgruppe eingericht­et, die sich um diese Betrugsfor­m kümmert. Dabei ist es den Ermittlern in jüngster Zeit immer wieder gelungen, unter anderem in Zusammenar­beit mit Betrugsopf­ern bei fingierten Geldüberga­ben Tatverdäch­tige festzunehm­en.“

„Man sollte jede Masche aufgreifen und öffentlich machen, damit Andere gewarnt sind.“

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