Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bahn kündigt Modellbahnern
Ein Zeichen dafür, dass sich im Lindauer Bahnhof bald was tut? – LTK würde gern einziehen
LINDAU - Das Kündigungsschreiben der Bahn kam kurz vor Weihnachten, und es war ein Schock: In weniger als einem halben Jahr muss die Lindauer Modellbahngruppe aus ihren Räumen im Inselbahnhof ausziehen. Ein Zeichen dafür, dass sich dort bald was tut?
Seit Monaten arbeiten Ernst Praedel, Manfred Aberle und Christian Zimmer gemeinsam mit ihren Vereinskollegen an einem neuen Projekt: Auf 60 Quadratmetern Fläche bauen sie ein Modell des Bahnhofsareals auf der Insel. Es soll zeigen, wie es dort in den 1980er-Jahren ausgesehen hat. Besonders stolz sind sie auf das Bahnhofsgebäude. Ein paar Handgriffe und ein bisschen Detailarbeit waren noch nötig, nun sieht das Modell seinem großen Bruder auf der Lindauer Insel zum verwechseln ähnlich. Doch ausgerechnet aus dem Gebäude, dem er ein Denkmal setzen will, muss der Verein jetzt ausziehen.
„Die Kündigung von der Bahn kam am 23. Dezember“, erzählt Christian Zimmer, „ohne Angabe von Gründen“. Ende Juni muss der Verein spätestens aus dem Bahnhof raus sein, darum sucht er jetzt dringend eine neue Bleibe. Denn ohne Räume droht der Modellbahngruppe das Aus. „Wenn wir keine Möglichkeit haben, an den Modellen zu arbeiten, entfällt der Zweck des Vereins“, sagt Zimmer.
Das neue Vereinsheim sollte vor allem eins sein: groß. Die ehemalige Gepäckannahme des Inselbahnhofs, in der die Modellbahner auch immer ihre Kunstwerke präsentieren, misst 250 Quadratmeter. Dort ist nicht nur das Miniatur-Bahnhofareal untergebracht, sondern auch eine komplett fertige Spur-N-Anlage, mit den Eisenbahnlinien zwischen Allgäu, Lindau und Enzisweiler.
In dem riesengroßen, preisgekrönten Modell, das aus insgesamt 30 Modulen besteht, stecken 17 Jahre und tausende Stunden Handarbeit. „In mancher Obstanlage haben wir jeden einzelnen Baum abgezählt“, sagt Ernst Praedel, lacht, und lässt offen, ob das nur ein Scherz war. Zuzutrauen wäre es ihm.
Er gehört zu den Urgesteinen des Vereins. Seit 20 Jahren arbeitet er an den Modellen mit. Früher in den ausrangierten Postwaggons, die dem Verein als Heim dienten. Seit 2010 kommt Praedel regelmäßig nachmittags in den Inselbahnhof. „Schon als
Fünfjähriger habe ich von meiner Tante die erste Eisenbahn bekommen“, erzählt er. Die Männer in seiner Familie seien bereits in der vierten Generation bei der Bahn. „So hat es sich dann einfach entwickelt, dass ich die Modellbahn liebe.“
Christian Zimmer hat gehört, dass die Bahn ihr Vereinsheim bald gewinnbringend vermieten will.
„Daher ist für uns leider auch in Zukunft kein Platz mehr im Bahnhofsgebäude“, sagt er. Offiziell steht noch immer nicht fest, wie dieses in Zukunft genutzt werden soll.
Klar ist bislang nur, dass die Bahn das 100 Jahre alte Gebäude auf der Insel behalten will – und schon sehr lange an einem Nutzungskonzept arbeitet. Dieses Konzept sollte eigentlich längst fertig sein. Vergangenes Jahr im März kündigte Bahnsprecher Anton Knapp an, dass es im Sommer fertig sein würde. Nun ist der Sommer längst vorbei, passiert ist bislang nichts. In der Zwischenzeit verfällt das Gebäude immer weiter.
Auf Nachfrage äußert sich die Bahn noch immer nicht dazu, wie der Bahnhof in Zukunft gestaltet werden soll. Knapp verweist nun auf eine Pressekonferenz im März. Warum die Bahn den Mietvertrag der Modellbahngruppe so unvermittelt gekündigt hat, beantwortet er nicht.
Allerdings scheint es schon einen potenziellen Nachmieter zu geben: die Lindau Tourismus und Kongress GmbH (LTK). Deren Mietvertrag für die jetzigen Geschäftsräume läuft bald aus, wie Geschäftsführer Carsten Holz im Gespräch mit der LZ erzählt. „Wir sind schon seit langer Zeit auf der Suche nach Räumlichkeiten“, sagt er. „Und der Bahnhof wäre eine unserer Wunschlösungen. Fix ist aber noch nichts.“
Lange hätten sich die Modellbahner die Miete für die alte Gepäckhalle im Bahnhof allerdings wohl ohnehin nicht mehr leisten können. Bislang zahlen sie nur 190 Euro Miete, den Rest legt das Bahnsozialwerk drauf. Allerdings hat dieses bereits vor einiger Zeit angekündigt, die Mietzuschüsse 2025 zu streichen. 700 Euro plus Nebenkosten wären für den rund 40 Mitglieder starken Verein dann ohnehin schwierig zu berappen gewesen. Doch aus 2025 wurde nun Juni 2023 – und der Zeitdruck ist plötzlich groß.
Was sollten die neuen Räume mitbringen? „Im Bahnhof war es natürlich ideal“, sagt Vereinsvorsitzender Manfred Aberle. Doch den Modellbahnern sei klar, dass sie mit ihrem kleinen Budget nicht wählerisch sein dürfen. Mindestens 200 Quadratmeter groß sollte das neue Vereinsheim aber schon sein, damit die Modelle auch hineinpassen. „Das ist immerhin ein Stück Lindau-Geschichte“, sagt Aberle. Zum Abschied vom Inselbahnhof plant der Verein an Ostern eine letzte große Ausstellung.
Eine konkrete Idee, wo sie künftig unterkommen könnten, haben die Modellbahner nicht. Trotzdem hoffen sie auf eine Lösung. Dass sie keine finden, daran wollen sie gar nicht denken. „Es ist jetzt schon schlimm“, sagt Ernst Praedel. „Wenn der Verein wirklich kaputt geht, dann kommen mir die Tränen.“
Die letzte Ausstellung der Modellbahner im Inselbahnhof ist am Karsamstag, 8. April, und am Ostersonntag, 9.April, jeweils von 13 Uhr bis 18 Uhr. An beiden Tagen findet neben der eigentlichen Ausstellung auch ein Flohmarkt statt, bei dem Dekorationsgegenstände sowie Lok- und Wagenmaterial für die Modellbahn gekauft werden können.
Wer den Modellbahnern Räume zur Verfügung stellen kann, sollte sich am besten per Mail melden an vorstand@mbg-lindau.de.