Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Alarm unterm Dach bei Rolls-Royce Power Systems
Friedrichshafen sollte von neuen Panzeraufträgen profitieren - Doch jetzt kommt ein harter Sparkurs
FRIEDRICHSHAFEN - Bei dem Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems (MTU) geht die Sorge um. Nachdem der Betriebsrat noch im vergangenen Sommer zuversichtlich war, dass der Standort mit rund 6000 Mitarbeitern von Aufträgen aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen profitieren kann und 450 neue Jobs aufgebaut werden, ist die Euphorie jetzt der Angst gewichen.
Betriebsratschef Thomas Bittelmeyer rechnet damit, dass Investitionen im Werk heruntergefahren werden, um Sparziele zu erreichen. Hintergrund ist der angekündigte neue Sparkurs des britischen Mutterkonzerns Rolls-Royce.
Der 119 Jahre alte Konzern steht vor einem tiefgreifenden Umbau, wie der neue Vorstandschef Tufan Erginbilgic in einer internen Ansprache vergangene Woche vor Tausenden Mitarbeitern angekündigt hat. Er warnte mit drastischen Worten und nannte Rolls-Royce „eine brennende Plattform“, die laufend Geld mit Investitionen verliere.
Rolls-Royce (Umsatz 2021: 10,95 Milliarden Pfund) baut in Großbritannien vor allem Flugzeugtriebewerke und leidet bis heute unter den Corona-Einbrüchen der Luftfahrtindustrie. Strukturelle Probleme hatte das Traditionsunternehmen aber schon zuvor.
Ein Effizienz- und Sparprogramm soll jetzt den Konzern retten. Deshalb rechnet man auch am Bodensee mit harten Einschnitten. London könnte Friedrichshafen ausquetschen, um seine finanzielle Lage zu verbessern, so die Befürchtung. „Wer die Rede gehört hat, macht sich echte Sorgen“, sagte Bittelmeyer am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Investitionen seien dringend notwendig, wenn MTU Rüstungsaufträge erfüllen soll. „Wenn es Panzeraufträge gibt, stehen wir mit heruntergelassenen Hosen da“, sagte Bittelmeyer. Das Unternehmen baut unter anderem die Motoren für die Panzer Leopard 1 und 2, Marder und Puma und hat damit eine Schlüsselposition in der deutschen Rüstungsindustrie. Die jetzt von der Konzernspitze beschlossenen Rentabilitäts-Ziele hält Bittelmeyer für „völlig unrealistisch“. Genaueres verrät Bittelmeyer nicht. Nur so viel: RRPS sei das profitabelste Unternehmen im Konzern. Das abgelaufene Jahr sei das beste in der Firmengeschichte gewesen. Dennoch soll auch in Friedrichshafen „die Performance“, wie es heißt, deutlich verbessert werden. Bei einer Betriebsversammlung am Montagvormittag unter freiem Himmel will der Betriebsratschef die Mitarbeiter über Details der Konzernpläne informieren und seinem Ärger Luft machen.
Ein Unternehmenssprecher sagte der „FAZ“, man stehe bereit, „zusätzlich entsprechende Aufträge von der Bundesregierung zu bearbeiten“. „Wir halten uns an unsere Zusage, die Produktionskapazitäten entsprechend des Auftragsvolumens anzupassen“, so der Sprecher laut „FAZ“.
Bittelmeyer hält dagegen: „Wir haben Aufträge bis Mitte 2024 und sind ausgelastet.“Außerdem sei es nicht so einfach, neue Mitarbeiter in der Region für die Produktion zu bekommen - und schon gar nicht kurzfristig.
Anfang August hat MTU angekündigt, für die Rüstungsproduktion bis zum Jahr 2031 bis zu 450 neue Mitarbeiter einzustellen und die Montagelinien auszuweiten, als Bedingung jedoch nachgeschoben: „je nach konkreter Auftragslage“. Betriebsratschef Bittelmeyer sagte der „Schwäbischen Zeitung“, London habe einen Einstellungsstopp in allen nicht-produktiven Bereichen verhängt. Dem Vernehmen nach solle dieser Einstellungsstopp auf die Produktion ausgeweitet werden. „Seit vergangener Woche wird alles in London entschieden“, so Bittelmeyer.
Auch in der Politik ist die Sorge angekommen. „Die deutsche Regierung muss darauf einwirken, dass sich Erginbilgic nicht auf Kosten von Friedrichshafen saniert“, forderte der lokale Bundestagsabgeordnete Volker Mayer-Lay (CDU) in der „FAZ“. Noch hoffe er, „dass die Wichtigkeit der Panzersparte auch in London gesehen wird“. Sie müsse Liquidität bekommen, statt dass Geld abgezogen werde. Doch klar ist für ihn auch: Die Firmenphilosophie in London passe nicht mehr zu den Herausforderungen.
„Ich finde die aktuelle Konstruktion nicht nur glücklich. Großbritannien ist nicht mehr in der EU. Es wäre einfacher, wenn das Unternehmen in deutscher Hand wäre.“Mayer-Lay will den Fall nun in der britischen Botschaft ansprechen.