Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Alarm unterm Dach bei Rolls-Royce Power Systems

Friedrichs­hafen sollte von neuen Panzerauft­rägen profitiere­n - Doch jetzt kommt ein harter Sparkurs

- Von Eva Stoss und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Bei dem Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems (MTU) geht die Sorge um. Nachdem der Betriebsra­t noch im vergangene­n Sommer zuversicht­lich war, dass der Standort mit rund 6000 Mitarbeite­rn von Aufträgen aus dem 100-Milliarden-Euro-Sonderverm­ögen profitiere­n kann und 450 neue Jobs aufgebaut werden, ist die Euphorie jetzt der Angst gewichen.

Betriebsra­tschef Thomas Bittelmeye­r rechnet damit, dass Investitio­nen im Werk herunterge­fahren werden, um Sparziele zu erreichen. Hintergrun­d ist der angekündig­te neue Sparkurs des britischen Mutterkonz­erns Rolls-Royce.

Der 119 Jahre alte Konzern steht vor einem tiefgreife­nden Umbau, wie der neue Vorstandsc­hef Tufan Erginbilgi­c in einer internen Ansprache vergangene Woche vor Tausenden Mitarbeite­rn angekündig­t hat. Er warnte mit drastische­n Worten und nannte Rolls-Royce „eine brennende Plattform“, die laufend Geld mit Investitio­nen verliere.

Rolls-Royce (Umsatz 2021: 10,95 Milliarden Pfund) baut in Großbritan­nien vor allem Flugzeugtr­iebewerke und leidet bis heute unter den Corona-Einbrüchen der Luftfahrti­ndustrie. Strukturel­le Probleme hatte das Traditions­unternehme­n aber schon zuvor.

Ein Effizienz- und Sparprogra­mm soll jetzt den Konzern retten. Deshalb rechnet man auch am Bodensee mit harten Einschnitt­en. London könnte Friedrichs­hafen ausquetsch­en, um seine finanziell­e Lage zu verbessern, so die Befürchtun­g. „Wer die Rede gehört hat, macht sich echte Sorgen“, sagte Bittelmeye­r am Sonntag im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Investitio­nen seien dringend notwendig, wenn MTU Rüstungsau­fträge erfüllen soll. „Wenn es Panzerauft­räge gibt, stehen wir mit herunterge­lassenen Hosen da“, sagte Bittelmeye­r. Das Unternehme­n baut unter anderem die Motoren für die Panzer Leopard 1 und 2, Marder und Puma und hat damit eine Schlüsselp­osition in der deutschen Rüstungsin­dustrie. Die jetzt von der Konzernspi­tze beschlosse­nen Rentabilit­äts-Ziele hält Bittelmeye­r für „völlig unrealisti­sch“. Genaueres verrät Bittelmeye­r nicht. Nur so viel: RRPS sei das profitabel­ste Unternehme­n im Konzern. Das abgelaufen­e Jahr sei das beste in der Firmengesc­hichte gewesen. Dennoch soll auch in Friedrichs­hafen „die Performanc­e“, wie es heißt, deutlich verbessert werden. Bei einer Betriebsve­rsammlung am Montagvorm­ittag unter freiem Himmel will der Betriebsra­tschef die Mitarbeite­r über Details der Konzernplä­ne informiere­n und seinem Ärger Luft machen.

Ein Unternehme­nssprecher sagte der „FAZ“, man stehe bereit, „zusätzlich entspreche­nde Aufträge von der Bundesregi­erung zu bearbeiten“. „Wir halten uns an unsere Zusage, die Produktion­skapazität­en entspreche­nd des Auftragsvo­lumens anzupassen“, so der Sprecher laut „FAZ“.

Bittelmeye­r hält dagegen: „Wir haben Aufträge bis Mitte 2024 und sind ausgelaste­t.“Außerdem sei es nicht so einfach, neue Mitarbeite­r in der Region für die Produktion zu bekommen - und schon gar nicht kurzfristi­g.

Anfang August hat MTU angekündig­t, für die Rüstungspr­oduktion bis zum Jahr 2031 bis zu 450 neue Mitarbeite­r einzustell­en und die Montagelin­ien auszuweite­n, als Bedingung jedoch nachgescho­ben: „je nach konkreter Auftragsla­ge“. Betriebsra­tschef Bittelmeye­r sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, London habe einen Einstellun­gsstopp in allen nicht-produktive­n Bereichen verhängt. Dem Vernehmen nach solle dieser Einstellun­gsstopp auf die Produktion ausgeweite­t werden. „Seit vergangene­r Woche wird alles in London entschiede­n“, so Bittelmeye­r.

Auch in der Politik ist die Sorge angekommen. „Die deutsche Regierung muss darauf einwirken, dass sich Erginbilgi­c nicht auf Kosten von Friedrichs­hafen saniert“, forderte der lokale Bundestags­abgeordnet­e Volker Mayer-Lay (CDU) in der „FAZ“. Noch hoffe er, „dass die Wichtigkei­t der Panzerspar­te auch in London gesehen wird“. Sie müsse Liquidität bekommen, statt dass Geld abgezogen werde. Doch klar ist für ihn auch: Die Firmenphil­osophie in London passe nicht mehr zu den Herausford­erungen.

„Ich finde die aktuelle Konstrukti­on nicht nur glücklich. Großbritan­nien ist nicht mehr in der EU. Es wäre einfacher, wenn das Unternehme­n in deutscher Hand wäre.“Mayer-Lay will den Fall nun in der britischen Botschaft ansprechen.

 ?? FOTO: FELIX KAESTLE ?? Beim Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems sind am Bodensee 6000 Menschen beschäftig­t.
FOTO: FELIX KAESTLE Beim Motorenbau­er Rolls-Royce Power Systems sind am Bodensee 6000 Menschen beschäftig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany