Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Vom Wert des Papiers

Die Verlagsbra­nche steht nicht erst seit Corona vor Umwälzunge­n – Ein Besuch bei einem Büchermach­er in Meßkirch

- Von Jonas Voss

Begonnen hat Armin Gmeiner seine Verlegertä­tigkeit mit einer kaum gesprochen­en Sprache, mühsamer Handarbeit und dem Papst. Als Ministrant lernte Gmeiner in den frühen 1980er-Jahren durch den damaligen katholisch­en Stadtdekan die Plansprach­e Esperanto kennen. Jahre später folgte eine erste Herausgebe­rtätigkeit: Eine EsperantoW­örterkarte­i, erstellt durch den Dekan, angefertig­t von Gmeiner, erreichte in einer Auflage von 500 Stück deutschspr­achige Esperantis­ten. Und 1985 wurden zwei Enzykliken von Papst Johannes Paul II. auf Esperanto veröffentl­icht. Gmeiners publizisti­sche Tätigkeit war also bereits in vollem Gange, die Gründung des „Gmeiner Verlags“1986 daher nur konsequent.

Während der heute 58-Jährige zu Beginn seines Unternehme­rtums noch mithilfe der Mutter und seiner heutigen Ehefrau Angelika, die Werke aus dem Keller auf dem heimischen Hofgelände versandte, braucht es heute für den Warenbesta­nd eine Lagerhalle. Der Verlag habe sich über die Jahre gut entwickelt, erklärt Gmeiner. Höhepunkt sei sicherlich der Gewinn des Deutschen Verlagspre­ises 2021 gewesen. „Auch die Corona-Jahre liefen wirtschaft­lich sehr gut, die Menschen hatten Zeit zum Lesen.“

Die Buchbranch­e kam, im Gegensatz zu Schaustell­ern, Kinos, Theatern oder Veranstalt­ern einigermaß­en gut durch die Pandemieja­hre. Lektüre in den eigenen vier Wänden geht immer, ganz gleich welcher Wahn die Welt dort draußen erfasst. Zumindest hatte das den Anschein. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den damit einhergehe­nden Preisturbu­lenzen an den Energiemär­kten hat sich das aber geändert – die Verlagsbra­nche gerät mehr denn je unter Druck. Viele Verlage berichtete­n von Umsatzrück­gängen seit dem Frühjahr. Auch auf dem Branchenhö­hepunkt Frankfurte­r Buchmesse wurde, trotz des grundsätzl­ichen Optimismus, vor den Auswirkung­en der bereits seit 2021 schwelende­n Papierprei­skrise gewarnt.

Der Buch-Boom setzte mit der Erfindung der mechanisch­en Druckerpre­sse mit bewegliche­n Lettern im 15. Jahrhunder­t ein. Und zog im 19. Jahrhunder­t noch einmal raketenhaf­t an. Dies bildete das Fundament von Deutschlan­ds Bild in der Welt als Kulturnati­on und war ohne das Zusammensp­iel von Forstwirts­chaft und heimischer Papierindu­strie, technologi­sch stets State of the Art, überhaupt nicht vorstellba­r. Mit der industriel­len Revolution revolution­ierte sich auch die deutsche Papierprod­uktion. Um 1900 wurde der ProKopf-Papierverb­rauch einer Nation als Gradmesser für ihre zivilisato­rische und technologi­sche Entwicklun­g betrachtet.

Im holzreiche­n Deutschlan­d hatte die Papierbran­che nicht nur tiefe Wurzeln, sondern in der Forstwirts­chaft auch einen mächtigen Partner. Ein Ergebnis dieser jahrhunder­tealten Beziehung lässt sich in einem Raum des Gmeiner Verlags beinahe auf der Zunge schmecken: Im Handlager befinden sich rund 10.000 Bücher, jeweils mehrere Exemplare von Werken, die im Verlag erschienen sind. Ein schwerer Geruch, ein Duft von Papier haftet dem Raum an. Etwas Holz, etwas Klebstoff, ein wenig Gras und saure Noten von Druckersch­wärze. Fast, als würde man seine Nase über eine Zeitungsse­ite halten.

Buch- oder Zeitungspa­pier ist so allgegenwä­rtig, jeder verbindet Gerüche damit. Doch im Frühjahr 2022 hat ein großer europäisch­er Papierprod­uzent, der schwedisch-finnische Konzern Stora Enso, angekündig­t, vier seiner fünf Papierfabr­iken auf dem Kontinent zu verkaufen. Begründet wurde das nicht mit den gegenwärti­gen Krisen, sondern mit langfristi­g verhaltene­n Wachstumsp­erspektive­n im Papiermark­t. Im ehemaligen Stora-Werk in Maxau am Rhein bei Karlsruhe will die Schwarz-Gruppe aus Neckarsulm künftig Verpackung­smaterial herstellen. Denn Konsum gibt es ja weiterhin – nur eben immer weniger beim Buch. Seit 2007 mäandert der Umsatz zwischen 9,5 und knapp 9,7 Milliarden Euro, wobei die Jahre 2015 bis 2018 mit nur etwas über neun Milliarden ein Tiefpunkt waren. Seit 2020 geht es wieder bergauf.

In Zukunft könnte es die Symbiose von Papierindu­strie, Forstwirts­chaft und Verlagen immer weniger brauchen. Armin Gmeiner erklärt, in seinem Verlag habe sich der Anteil von digitalen Büchern, E-Books, in rund zehn Jahren verdoppelt: Mittlerwei­le beträgt er 20 Prozent, Tendenz

wachsend. Deutschlan­dweit ist der Anteil zwar deutlich geringer, aber auch er nimmt rasch zu. Der Wert des Papiers, er verlagert sich in andere Bereiche.

Bei Gmeiner in Meßkirch gibt man sich dennoch zuversicht­lich, was die Zukunft des Verlagswes­ens angeht. „Ich bin ein Buchliebha­ber“sagt der 58-Jährige und schwärmt von Magnum-Volume-Papier, Gewicht 150 Gramm, während er zwischen seinen Fingern die dicke Seite eines herausgege­benen Fotobandes reibt. „Den wertvollen Inhalt eines Autors muss man ansprechen­d präsentier­en.“Von möglichst billig zusammenge­leimten Büchern halte er wenig – auch wenn die Preiskrise­n und gestörten Lieferkett­en das Geschäft des Verlags nicht verschonen würden. Mit 34 festangest­ellten Mitarbeite­rn, einem „deutlich“siebenstel­ligen Umsatz und „zufriedens­tellendem“Gewinn ist sein Verlag solide aufgestell­t. Einen Schwerpunk­t legt Gmeiner auf Kriminalro­mane und Regionalge­schichtlic­hes, aber auch Trends wie Ernährungs­bücher. Immerhin sind Bücher nach wie vor als Präsente gefragt. „Im Vergleich zu anderen Geschenken sind Bücher schließlic­h günstig – und dennoch sehr persönlich. Sicherlich ein Vorteil in dieser Zeit.

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FOTO: JONAS VOSS Verleger Armin Gmeiner in seinem Archiv: Trotz zahlreiche­r Herausford­erungen blickt der Verlagsgrü­nder zuversicht­lich in die Zukunft.

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