Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Sterben und Erben

Gerhard Polt und die Well-Brüder in „A scheene Leich“an den Münchner Kammerspie­len

- Von Christiane Wechselber­ger

MÜNCHEN - Wenn Gerhard Polt auf der Bühne nach vorne schlendert und der Saal vorfreudig zu lachen anfängt, wirkt der Kabarettis­t und Schauspiel­er leicht amüsiert über die Wirkung, die er erzielt. Vor acht Jahren zeigte Polt mit „Ekzem Homo“auf der Bühne des Schauspiel­hauses, dass der Mensch dem Menschen ein Geschwür ist. Damals wie heute beschert der Kabarettis­t zusammen mit den Well-Brüdern den Münchner Kammerspie­len ein lange im Voraus ausverkauf­tes Haus.

Mit der Erblastkom­ödie „A scheene Leich“wenden Polt und die Wells sich den letzten Dingen zu. Dem Sterben eben, und da soll es würdig zugehen, dafür ist a scheene Leich da. Das ist nicht der Leichnam, sondern eine gelungene Bestattung, bei der alles passt und wo beim Leichensch­maus alle fröhlich in Tränen aufgelöst des teuren Verblichen­en gedenken. Das wäre hier der Pius Brenner, Bestattung­sunternehm­er („Bei Pietas macht das Sterben Spaß“) und Altenheimb­etreiber, ein lohnender Synergieef­fekt. Von der ersten Chorprobe bis zum Leichensch­maus begleiten wir die Vorbereitu­ngen der Beisetzung und den Blick auf Leben und Werk des Nekroökono­men. Da ist der Betrieb, der aufrechter­halten werden muss und in dem der Filialleit­er (Polt) keine Nachlässig­keit in der Urnenkunde und beim Verkaufsge­spräch duldet. Wer erfolgreic­h Marmorsärg­e verkauft, wird mit dem silbernen Sargnagel in Bronze ausgezeich­net. Da sind die Ehefrauen (beide Maren Solty): Hilde eins in rosa Chanel wies dem undankbare­n Pius einst den Weg über Leichen. Frau Nummer 2, das Luder aus Feldkirche­n und Alleinerbi­n, schießt am Grab Selfies. Gierig sind sie beide.

Und da ist Herr Sabo aus dem Altenheim Haus Sonnenstra­hl (Stefan Merki), der klaglos Vernachläs­sigung hinnimmt und sich fürs Stinken entschuldi­gt, wenn es nur am Freitag eine Banane gibt. Nur dass die Ivanka nach Bosnien zurück ist, macht ihn traurig. Na ja, und natürlich die Toten. Es waren schon einige. Das wäre nicht passiert, wenn die Ivanka noch da gewesen wäre. So zieht die Frage nach der Würde vor dem Tod und unserem Umgang mit Alten in den Szenenreig­en ein.

Ruedi Häusermann inszeniert leichtfüßi­g, lässt den Laienchor Tänze mit den Wandteilen aufführen, die sich zu immer neuen Räumen (Bühne: Häusermann und Christl WeinEngel) von verblichen­er Rustikalit­ät zusammense­tzen. Gerhard Polt, Fixpunkt des Abends, drängt sich nicht vor, spielt seinen Part eher beiläufig, ob als Anwalt, der den toten Pius vor Gericht wegen der Schweinere­ien in Haus Sonnenstra­hl nach den Grundsätze­n der Marktwirts­chaft verteidigt. Oder als Pfarrer, der die Trauergese­llschaft mit der Offenbarun­g des Johannes verstört und in die Flucht schlägt. Gedanklich­e Exkursione­n ins Lernen und Erinnern und Anspruchsd­enken gründeln tief im Schlamm der Gegenwart. Seine Kunst ist halt auch die des Weglassens, der Leerstelle­n im „woast scho“und „dings“, die Raum zum Weiterdenk­en geben.

Umrahmt und strukturie­rt wird das alles von Karli, Michael und Stofferl Well. Sie berichten von ihren Erfahrunge­n mit der Trauerkult­ur früherer Jahre, die auch immer eine große Gaudi war. Sie streuen famos musikalisc­he Zwischensp­iele ein, die von Schostakow­itsch auf der Tuba bis zu barocken Trompetenk­apriolen reichen. Für jeden Berufszwei­g haben sie das richtige Trauerlied und dichten Schlager zum Altenheimm­edley um, wenn sie nicht warnen: „Carpe diem liebe Leut, die letzte Mass steht schon bereit.“Darauf Prost!

Termine: 8., 17., 21., 29. März, 20 Uhr, 12. März, 18 Uhr (der Februar ist ausverkauf­t), www.muenchner-kammerspie­le.de

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FOTO: MAURICE KORBEL Gerhard Polt an den Kammerspie­len.

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