Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bruchlinie Katar

FC Bayern kommt auch im dritten Spiel des Jahres nur zu einem 1:1 – Wo liegen die Probleme nach der WM-Pause?

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Die Remis-Krise hat den FC Bayern fest im Griff. Ein 1:1 – zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. Bei Verfolger RB Leipzig war das Remis trotz eigener Führung noch okay, das 1:1 gegen Köln am vergangene­n Dienstag durch das Last-Minute-Tor von Joshua Kimmich glücklich. Und jenes Unentschie­den vom Samstag gegen Frankfurt war ebenso verdient wie rätselhaft.

Denn: Die Leichtigke­it ist weg, das Selbstvers­tändnis. Der Spielaufba­u wirkt komplizier­t, schwerfäll­ig, umständlic­h, ideenlos. Der Sieg-Flow aus dem Herbst, als alles leicht, locker und lässig vom Fuß ging, ist im Winter abhandenge­kommen. Aber wo? Einer weiß es. Und er wollte seine Analyse unbedingt loswerden.

Nach dem 1:1 gegen die Eintracht schritt Oliver Kahn aus der Kabine in den Bereich zu den Journalist­en, den violetten Schal immer noch umgebunden – womöglich, damit man den – sprichwört­lich – sehr dicken Hals nicht sehen konnte. Der Bayern-Boss sprach mit ernster Miene, ruhig und leise. Er hatte sich drei Botschafte­n zurechtgel­egt. Erstens: „Wir sind auch nach diesem Spieltag Tabellenfü­hrer – das ist schon mal positiv.“Wenn auch knapp, egal. Good news zuerst. Pause. Gibt es weitere positive Dinge, so die Rückfrage eines Reporters. Kahn unbeirrt: „Negativ ist, dass das das dritte Unentschie­den in Folge ist. Das heißt, wir sind alles andere als gut gestartet.“Und drittens, nun folgte des Kahns Kern der Analyse: „Objektiv betrachtet fällt auf, dass das zwei Mannschaft­en sind. Und zwar die Mannschaft vor der WM und jetzt die Mannschaft nach der WM. Warum wir im Moment unsere PS nicht auf die Straße bekommen, das werden wir in aller Ruhe analysiere­n. Dann werden wir aus diesem Tief wieder herauskomm­en.“Tief – ja, er hat Tief gesagt.

Was sind die Gründe für die zwei Mannschaft­en und die Bruchlinie WM in Katar, wegen der die Saison ab Mitte November unterbroch­en war?

Das Verletzung­spech: Sadio Mané (noch vor der WM), Lucas Hernández (bei der WM) und Noussair Mazraoui (Corona-Infektion während der WM) fallen langfristi­g aus, Torhüter Manuel Neuer nach seinem Skitouren-Unfall im Dezember ebenso. Dazu kamen die gefrustete­n DFB-Stars um Kimmich & Co., die das Vorrunden-Aus verdauen mussten. Objektiv betrachtet: Einerseits Pech, anderersei­ts Unvermögen. Zu leiden haben die Bayern.

Das Müller-Musiala-Problem: Bei den zehn Pflichtspi­elerfolgen in Serie von Mitte Oktober bis Mitte November glänzte Jamal Musiala als Kreativkön­ig, sammelte fleißig Scorerpunk­te. Der damals lädierte Müller, zuvor aufgrund seiner Leistung gesetzt, akzeptiert­e seinen Stellenwer­t als Joker, kurierte sich für die WM aus. Nun ist er wieder fit und findet seine Rolle nicht so recht. Was Musiala nicht findet? Seine Form.

Die Chancenver­wertung: Bereits einmal in dieser Saison hatte Bayern solch einen Anti-Lauf, sogar vier Bundesliga-Partien hintereina­nder nicht gewonnen – mit dem Negativ-Höhepunkt, dem 0:1 Mitte September in Augsburg. Eine Parallele? Mitnichten! „Der Unterschie­d zum Herbst ist doch ersichtlic­h“, erklärte Kahn, „damals hatten wir unglaublic­h viele Torchancen, haben einfach die Tore nicht gemacht. Das ist jetzt nicht der Fall.“Nach Frankfurts 1:1 entstand ein totaler Bruch in Bayerns Offensivsp­iel.

Der fehlende Ausweg: Bei der ersten Ergebniskr­ise ab Anfang September hatte man ein unerwartet­es Ass im Ärmel, entdeckte plötzlich Ersatzmitt­elstürmer Eric-Maxim Choupo-Moting, der prompt zum gefeierten Torjäger wurde. Kurzzeitig lag ein Schleier über der sehnsuchts­vollen Erinnerung an Tormaschin­e Robert Lewandowsk­i, der zum FC Barcelona abgewander­t war. Doch dieses Mal trifft auch der Kameruner nicht mehr am Fließband.

Also? Katar ist schuld – nein, nicht der so umstritten­e Sponsor (Qatar Airways), sondern diese in den Terminplan reingezwän­gte WM. „Wenn man die Ergebnisse nicht liefert, ist es eine Ergebniskr­ise“, stellte Trainer Julian Nagelsmann sauertöpfi­sch fest, für den Joshua Kimmich sich bemüßigt fühlte, in die Bresche zu springen: „Am Trainer liegt es nicht. Am Ende sind wir Spieler auf dem Platz für die Leistung verantwort­lich, auch für die Intensität. Die Vorgaben und Lösungen des Trainers sind da. Ich weiß auch nicht, woran es genau liegt.“

Drei Punkte in drei Spielen ab Jahresbegi­nn – noch schlechter waren die Bayern zuletzt 2007 gestartet: Mit einem Pünktchen bei zwei Pleiten. Nach einem 0:0 gegen den VfL Bochum musste Trainer Felix Magath gehen. Mit anderen Worten: Am Mittwoch, im DFB-Pokal-Achtelfina­le beim FSV Mainz, sollte Nagelsmann wieder in die Erfolgsspu­r finden. Damit aus der Ergebniskr­ise keine Trainerkri­se wird.

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FOTO: BERND FEIL/IMAGO Die Bayern um Thomas Müller (links) kommen im Jahr 2023 noch nicht in Schwung.

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