Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zurück zu den Hertha-Wurzeln

Nach dem verlorenen Derby gegen Union wird Sport-Geschäftsf­ührer Fredi Bobic gefeuert

- David Langenbein und Jens Marx

BERLIN (dpa) - Kay Bernstein bat um Verständni­s für seine Nervosität nach emotional aufreibend­en Stunden beim Krisenclub Hertha BSC. „Das ist meine erste Pressekonf­erenz in der Form“, sagte der 42 Jahre alte Vereinsprä­sident – und die hatte es in sich. Der Unternehme­r, der seit den 1990er-Jahren zu den treuesten Fans des Hauptstadt­clubs gehört, musste am Sonntag die überrasche­nde Trennung von Geschäftsf­ührer Fredi Bobic am Vortag erklären, was nur in Grundzügen gelang. Dafür bekam Trainer Sandro Schwarz das Vertrauen ausgesproc­hen, und eine Lösung für die Bobic-Nachfolge wurde auch präsentier­t.

„Sandro hat volle Rückendeck­ung. Wir glauben, dass wir eine Kontinuitä­t auf der Position brauchen“, sagte Bernstein. Neben ihm saß Ur-Herthaner Benjamin Weber, der unterstütz­t von Ex-Profi Andreas „Zecke“Neuendorf ab sofort als Sportdirek­tor übernimmt. Mit ernster Miene führte Bernstein die Gründe für den Umbruch aus, der die im Derby gegen den 1. FC Union (0:2) wieder unterlegen­en Berliner doch noch vor dem Abstieg retten soll.

„Ich mache mir natürlich Sorgen, wie alle anderen da draußen. Wir Herthaner gehen morgen zur Arbeit und müssen die nächste Derby-Niederlage verkraften“, sagte der Clubpräsid­ent. „Dennoch ist es unsere Überzeugun­g und unser Glaube an diesen Verein, dass wir das drehen können.“Bobic habe „sachlich, inhaltlich, unemotiona­l“auf die Entscheidu­ng reagiert, sagte Bernstein. „Er war überrascht und gefasst.“Man sei nicht im Streit auseinande­rgegangen. Die Trennung von Bobic wurde laut Bernstein schon vor der erneuten Derby-Pleite vorbereite­t. „Es war für uns in den Gremien eine Verantwort­ung, einen Kurswechse­l vorzunehme­n“, sagte der frühere Ultra. Bobic musste an seinem 607. Tag im Amt gehen.

Der Europameis­ter von 1996, der den Erfolg von Eintracht Frankfurt mitverantw­ortet hatte, hatte keine Argumente mehr auf seiner Seite. Bis

Sonntagnac­hmittag äußerte sich Bobic nicht zur Trennung. Zuletzt war sein Name in Zusammenha­ng mit der Direktoren­suche beim Deutschen Fußball-Bund genannt worden – bei der Hertha kam das vermeintli­ch nicht gut an. Bernstein betonte aber, das habe bei der Entscheidu­ng keine Rolle gespielt.

Anders als eine Klausel im Vertrag von Bobic, der sich Medienberi­chten zufolge bald um zwei Jahre bis 2026 verlängert hätte. „Es war ein Faktor. Die Entwicklun­g des Kaders und dass wir Stand jetzt bei drei Siegen stehen ist ein zweiter“, sagte Bernstein. Dazu kommt die wirtschaft­liche Konsolidie­rung, bei der „unglaublic­h Druck auf dem Kessel“sei, wie es Aufsichtsr­atschef Klaus Brüggemann ausdrückte.

„Es ist eine aktive und bewusste

Entscheidu­ng für einen HerthaWeg“, sagte Bernstein. „Eine Entscheidu­ng, zu der uns unser wirtschaft­licher Rahmen auch ein Stück weit zwingt. Wir müssen aus der Not eine Tugend machen.“

Der Tabellen-17. will sich voll und ganz auf sich selbst besinnen. „Wir brauchen unseren Hertha-Weg. Wir brauchen mehr Leidenscha­ft, mehr Überzeugun­g, mehr HerthaDNA, auch im Vorleben, im täglichen Brennen für den Verein“, sagte Bernstein. Dafür sollen der neue Sportdirek­tor Weber und Club-Legende Neuendorf sorgen.

Weber war zuvor knapp 18 Jahre in verschiede­nen Funktionen für den Club tätig, war unter anderem mit viel Erfolg Leiter der NachwuchsA­kademie. „Die Akademie ist eines der Vorzeigemo­delle unseres Vereins“,

Kay Bernstein

sagte Bernstein. Sie soll alleine schon aus wirtschaft­lichen Zwängen noch eine größere Rolle spielen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell zu meinem Verein zurückkomm­e“, sagte Weber. „Ich habe den Weg gut wiedergefu­nden. Es war wie nach Hause zu kommen.“

Erfahrung als Sportdirek­tor hat Weber indes nicht, Neuendorf war bei der Hertha zuletzt als Co-Trainer tätig. „Es ist ein mutiger Weg“, sagte Bernstein. „Die meisten von euch haben sicher damit gerechnet, dass Horst Heldt hier sitzt, dass Andreas Rettig hier sitzt. Wir sind aber überzeugt von diesem Weg“, sagte er.

Der 42 Jahre alte Weber, der im Frühjahr einen Management-Lehrgang von DFL und DFB abschloss, sagte, er „brenne drauf loszulegen“und ergänzte mit Blick auf das Ende des Transferfe­nsters am Dienstag: „Das ist natürlich ein Thema, da noch zu schauen, was möglich ist.“Nur Spielern aus dem Nachwuchs werde es natürlich nicht gehen.

„Es ist eine aktive und bewusste Entscheidu­ng für einen Hertha-Weg.“

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FOTO: MICHAEL TÄGER/IMAGO Die erneute Derby-Niederlage gegen Oliver Ruhnerts Union Berlin war eine zu viel für Fredi Bobic (li.)

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