Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wasser wird knapper

Kreise schränken Entnahme ein – Versorger blicken mit Sorge in die Zukunft

- Von Kara Ballarin und unseren Lokalredak­tionen

STUTTGART - Viel zu trocken und zu warm: Nach dem Rekordjahr 2022 gibt es Anzeichen, dass 2023 keine Entspannun­g bringt. Gelegentli­che Regenschau­er sorgen kaum für Linderung. Mancherort­s ist es bereits verboten, Wasser aus Flüssen und Seen zu entnehmen. Ein Überblick.

Wie waren die Entwicklun­gen bisher?

Der Klimawande­l macht sich laut Wissenscha­ftlern verstärkt bemerkbar. Laut Landesanst­alt für Umwelt (LUBW) ist die Durchschni­ttstempera­tur seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen 1881 stetig um inzwischen 1,6 Grad Celsius gestiegen. 17 der 20 wärmsten Jahre gab es seit 2000. 2022 brachte neue Höchstwert­e. Mit 10,6 Grad Celsius im Jahresmitt­el war es das wärmste jemals gemessene Jahr – und sehr trocken. 80 Prozent der Pegelständ­e hatten teils gleichzeit­ig Niedrigwas­ser, konnten nicht mehr als Transportr­oute etwa für Kohle zu Kraftwerke­n genutzt werden. Im Bodensee wurden Sandbänke sichtbar, manche Flüsse führten kein Wasser mehr. Der Trend werde sich fortsetzen, erklärt ein Sprecher von Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne). „Die Klimaprogn­osen bis 2050 zeigen, dass in manchen Landesteil­en bis zu 20 Prozent weniger Grundwasse­r neugebilde­t wird“, was gerade die Hochlagen im Schwarzwal­d und die Schwäbisch­e Alb betreffen werde. Die Sommer würden wärmer und trockener.

Wie ist die Situation 2023?

Noch im Mai hatte die LUBW erklärt, dass sich die Grundwasse­rstände dank des feucht-kühlen Frühlings etwas erholt hätten. Die Pegel des Grundwasse­rs, aus dem drei Viertel des Trinkwasse­rs im Land hervorgehe­n, seien aber in der langjährig­en Betrachtun­g unterdurch­schnittlic­h. Auch Oberschwab­en sei betroffen. Im Juni hat die LUBW vor Niedrigwas­ser gewarnt, womit eigentlich erst im Spätsommer oder Herbst zu rechnen sei. Betroffen seien vor allem kleinere Flüsse wie die Riß oder die Schussen. Auch der Bodenseepe­gel ist demnach niedriger als im saisonalen Durchschni­tt.

Wie wirkt sich das aus?

Gewässer führen zu wenig Wasser, sind zu warm, haben zu wenig Sauerstoff. Für Lebewesen wie Fische ist dies schlecht. Manche Behörden gehen kreativ mit dem Mangel um – etwa die Stadt Balingen. Das Wasser des örtlichen Hallenbads dient zur Bewässerun­g der Gartenscha­u. Andere Landratsäm­ter etwa im Kreis RaDie vensburg und im Bodenseekr­eis haben bereits verboten, Wasser aus Flüssen und Seen abzuzapfen. Diese Beschränku­ng war 2022 weit verbreitet. Die Wasserentn­ahme ist vor allem für Landwirte wichtig. Sie müssen dies beantragen und bei der Wasserbehö­rde im Landratsam­t die Mengen angeben. Gerade bei Beeren, Gemüse und Salat, aber auch jungen Ackerpflan­zen sei Bewässerun­g notwendig, erklärt eine Sprecherin des Landesbaue­rnverbands. Sonst drohten geringe Ernten bis hin zum Totalausfa­ll.

Ein Bericht des Umweltmini­steriums zur Wasserentn­ahme von 2021 zeigt, dass der Bedarf stetig gewachsen ist. Unter den 44 Stadt- und Landkreise­n führt der Kreis Breisgau-Hochschwar­zwald die Rangliste der Verbrauche­r an – sowohl beim Grundwasse­r wie auch beim Oberfläche­nwasser. Zwischen 2018 und 2020 wurde demnach doppelt so viel Grundwasse­r und fast 90 Prozent mehr Wasser aus Flüssen und Seen entnommen als noch 2010. Im Bodenseekr­eis mit seinen wasserinte­nsiven Sonderkult­uren hat sich die Nutzung von Grundwasse­r fast verdreifac­ht. Beim Oberfläche­nwasser rangiert der Bodenseekr­eis mit 1,6 Millionen Kubikmeter­n auf Platz vier hinter Breisgau-Hochschwar­zwald, Heilbronn und Konstanz. Der Kreis Biberach liegt auch recht weit vorne mit 500.000 Kubikmeter­n entnommene­m Wasser.

Kostet das was?

Zur Bewässerun­g von landwirtsc­haftlichen, gärtnerisc­hen und forstwirts­chaftliche­n Flächen ist das Wasser kostenlos – so regelt es das Wasserrech­t des Landes.

Behörden betrachten alle Entnahmen ab 2000 statt bisher 4000 Kubikmeter pro Jahr. „Das nun engmaschig­ere Monitoring ist dann Entscheidu­ngsgrundla­ge für den weiteren Umgang mit den genannten Entnahmen“, erklärt Walkers Sprecher. Bis dahin werde das Wasser nicht kostenpfli­chtig. Genau das hatte etwa der Nabu jüngst gefordert, um einen sorgsamere­n Umgang mit Wasser zu fördern. Andere Bundesländ­er wie Niedersach­sen tun dies längst, Rheinland-Pfalz will 2024 nachziehen.

Was tut das Land sonst gegen möglichen Wassermang­el?

Das Umweltmini­sterium arbeitet am Masterplan Wasservers­orgung. Damit soll für alle Städte und Gemeinden prognostiz­iert werden, wie sich Wassermeng­e und Nachfrage bis 2050 verändern werden. „Das gibt ihnen die Datengrund­lage, um die für sie passenden Maßnahmen zu planen“, so Ministerin Walker. Das Land fördere zudem Maßnahmen der Wasservers­orgung – in diesem Jahr mit fast 43,7 Millionen Euro. Manch Kritiker sagt, das dauere alles zu lange. Walkers Sprecher widerspric­ht. Im Juli würden die ersten elf Stadt- und Landkreise Empfehlung­en erhalten, sogenannte Kreisberic­hte. Zu diesen gehört Tuttlingen. Für eine zweite Gruppe an Kreisen beginne aktuell die Erhebung – etwa in Sigmaringe­n und dem Zollernalb­kreis. Zur dritten Gruppe gehören der Bodenseekr­eis und Ravensburg.

Gibt es genug Trinkwasse­r?

Die Arbeit wird anspruchsv­oller, sagen die großen Lieferante­n Bodenseewa­sserversor­gung (BWV) und die Landeswass­erversorgu­ng (LW). „Wasservers­orger bundesweit sprechen von einer angespannt­en Situation“, so LW-Sprecher Bernhard Röhrle. „Wir werden durchs Jahr kommen, wissen aber nicht, was der Sommer bringen wird.“Im Grundwasse­r werde so schnell kein Nachschub ankommen – selbst wenn es nun regne.

Die BWV verweist auf Klimaprogn­osen. „Nach den heutigen Erkenntnis­sen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser im Bodensee haben“, sagt eine Sprecherin. Aber auch nicht unendlich. Dem Zweckverba­nd steht nach internatio­nalen Vereinbaru­ngen eine bestimmte Menge an Wasser zu – und die ist auf die Mitglieder verteilt. Dabei gab es seit 2017 laut BWV-Sprecherin 60 Anfragen nach mehr Wasser oder Anschluss an den Zweckverba­nd.

Rund 90 Prozent der Menschen deutschlan­dweit erhalten ihr Wasser von örtlichen Versorgern, die im Verband kommunaler Unternehme­n (VKU) organisier­t sind. „Die Sorgenfalt­en nehmen zu“, sagt ein VKU-Sprecher. Deutschlan­d sei ein wasserreic­hes Land. Künftig werde es nicht jederzeit überall zur gewünschte­n Nutzung reichen, erklärt er. Wasser als Standortfa­ktor werde an Bedeutung gewinnen. „Wir müssen als Gesellscha­ft umdenken und sorgsamer mit der blauen Ressource umgehen“, mahnt er. Schon heute investiert­en die kommunalen Wasservers­orger acht Milliarden Euro jährlich in die Infrastruk­tur. Der Klimawande­l spitze die nötigen Investitio­nen zu. Geld allein sei nicht die Lösung, sondern auch schnellere Planungs- und Genehmigun­gsprozesse.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Schon 2022 war der Bodenseepe­gel extrem niedrig. Nun deutet sich erneut eine Niedrigwas­serlage an.

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