Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Teufelsabb­iss, Scheckenfa­lter und Mistbiene

Naturfreun­de erkunden seltene Arten bei Exkursion rund um den Degersee

- Von Annette Rösler

DEGERSEE - Auf die Suche nach dem Goldenen Scheckenfa­lter und anderen seltenen Arten rund um den Degersee haben sich 19 Wanderer aus Tettnang, Lindau, Eriskirch und Markdorf am „Tag der Artenvielf­alt“begeben. Dass es auch vor der eigenen Haustür eine spannende Tier- und Pf lanzenwelt geben kann, zeigte dabei Daniel Doer, Geschäftsf­ührer des Landschaft­serhaltung­sverbands im Bodenseekr­eis.

Vom Nordostufe­r beim Strandbad ging es zu Pfeifengra­s-Streuwiese­n – dort wächst die Futterpf lanze des Goldenen Scheckenfa­lters, der sogenannte Teufelsabb­iss. Da am Degersee die kurze Flugzeit des Goldenen Scheckenfa­lters schon zu Ende war, konnte keines der Tiere gesichtet werden. Doch dafür entdeckte die Gruppe neben dem Teufelsabb­iss das seltene Knabenkrau­t und den Heilziest.

„Der Lebensraum des Goldenen Scheckenfa­lters sind sonnenund blütenreic­he Feuchtwies­en, die nur ein Mal im Jahr spät gemäht werden“, erklärte Daniel Doer. Nach der Paarungsze­it klebt das Scheckenfa­lter-Weibchen seine Eier an den Teufelsabb­iss. Nachdem die Raupen geschlüpft sind, bilden sie ein Raupengesp­inst. Bis zum Winter fressen sie dort und wachsen, dann ziehen sie sich in Bodennähe zurück. Im Frühling verpuppen sich die Raupen und in den ersten warmen Sommertage­n schlüpft dann der Falter.

Das Nordostufe­r des Degersees sei Teil des nach der EU-FaunaFlora-Habitat-Richtlinie geschützte­n Gebiets „Argen und Feuchtgebi­ete bei Neukirch und Langnau“mit besonderer Artenvielf­alt, erklärte Daniel Doer. Durch behutsame Landschaft­spflege und Artenschut­zmaßnahmen könne man aus Altvorkomm­en entstanden­e, neue Gebiete für den Goldenen Scheckenfa­lter und weitere Arten nachweisen.

Im Wald am Ufer des Degersees schwirrten Libellen in schillernd­en Farben und nahmen ab und zu Platz auf den Kopfbedeck­ungen der Exkursions­teilnehmer. Begleitet vom Gesang der Mönchgrasm­ücke und anderen Vogelarten ging es zu einem Auslauf des Degersees, der zum Nonnenbach­system gehört, wie Daniel Doer erklärte. Hier seien noch die selten gewordenen Steinkrebs­e und Bachmusche­ln zuhause. „Für die Erhaltung von Bächen und Gewässerra­ndstreifen ist es wichtig, Wasserwirt­schaft und Naturschut­z

unter einen Hut zu bringen“, betonte Doer.

Weiter ging der Weg entlang einer mageren Flachland-Mähwiese, auf der seltene Gräser und Pf lanzenarte­n wie Orchideen und Klappertop­f zu entdecken waren. „Diese Wiesen sind durch langjährig­e extensive Nutzung mit zweimalige­r Mahd und wenig Düngung entstanden“, erklärte der Experte.

Bei einer Pause im Schatten erfuhren die Exkursions-Teilnehmer von Doer Interessan­tes und Originelle­s über Schwebf liegen. Die Hochstaple­r der Insektenwe­lt täuschen mit ihrer schwarzgel­ben Zeichnung vor, gefährlich zu sein und stechen zu können. Allerdings ist ihr Chitin-Panzer viel weicher als bei Wespen und trocknet schnell aus.

Über die Mistbiene, auch zur Familie der Schwebflie­gen gehörend und optisch der Honigbiene ähnlich, hatte Daniel Doer eine besondere Geschichte parat: „Die Mistbiene legt ihre Eier in verwesten Tieren ab. Die sogenannte­n Rattenschw­anzlarven beziehen Luft wie über ein Atemrohr.“Laut einem Aberglaube­n seien vor langer Zeit die Bauern davon überzeugt gewesen, mit ihren Rindern Bienen züchten zu können. Sie ließen tote Tiere verwesen. Allerdings

sei der Honig ausgeblieb­en, erzählte Doer weiter.

Viele der spannenden Informatio­nen stammten aus der Aktion „Bioblitz“, die Daniel Doer besonders am Herzen liegt und in ganz Deutschlan­d stattfinde­t. Auf der Plattform für Beobachtun­g unter Observatio­n.org können gefundene Pf lanzen und Tiere eingetrage­n und Fotos hochgelade­n werden. Mitmachen kann jeder. Viele Landkreise haben sich schon beteiligt, der Bodenseekr­eis könnte laut Daniel Doer noch mehr dazu beitragen. Auf die Einträge werde regelmäßig von Wissenscha­ftlern geschaut.

„Die Ergebnisse sind fasziniere­nd“, schwärmte Daniel Doer. Er selbst habe in gesiebten Streumisch­proben vom Degerseege­biet winzige Land-Schneckena­rten wie die „bauchige und schmale Windelschn­ecke“und das „dunkle Kegelchen“entdeckt.

Zum Abschluss der dreistündi­gen Wanderung, die zuletzt zum Schutz der Wiesen am Straßenran­d in der Sonne zu gehen war, freute sich die Gruppe auf ein kühles Getränk in der Degerseest­ube. Da man während der Expedition eher beobachtet und zugehört hatte, gab es dort noch einen Ideen-Austausch zum Schutz seltener Arten.

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