Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Agrarminister warnt Lebensmittelketten
Hauk plant Transparenz bei Preissteigerungen – Landwirte laut Studie keine Kostentreiber
STUTTGART - Seit einigen Monaten fallen die Lebensmittelpreise wieder. Langfristig betrachtet ist der Wocheneinkauf in Deutschland aber deutlich teurer geworden – vor allem 2022 befeuert durch eine sehr hohe Inflationsrate. Bei den Erzeugern, also den Landwirten, komme aber kaum mehr Geld an, erklärt Baden-Württembergs Agrarminister Peter Hauk (CDU). Zum Beweis hat er am Donnerstag in Stuttgart eine Untersuchung vorgelegt und angekündigt, gegen versteckte Preissteigerungen auf dem Weg der Produkte vom Acker bis zur Ladentheke ankämpfen zu wollen.
Worum geht es?
Hauk will die Landwirte vom Vorwurf befreien, für gestiegene Lebensmittelpreise verantwortlich zu sein. Dafür hat er die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum in Schwäbisch Gmünd mit einer Studie beauftragt. Die Behörde hat dafür 20 beliebte Lebensmittel über die vergangenen zehn Jahre untersucht.
Wie haben sich die Erzeugerpreise im Vergleich zu den Einkaufspreisen entwickelt?
Laut der Studie blieb in den vergangenen zehn Jahren bei den meisten Produkten ein immer geringerer Anteil des Geldes, das Verbraucher an der Kasse zahlen, bei den Bauern hängen. Besonders auffällig ist, dass Landwirte einen sehr geringen Anteil an den Kostensteigerungen von verarbeiteten Lebensmitteln haben.
Beispiel Toastbrot: Bis 2021 hat sich der Erzeugerpreis für Weizen kaum gesteigert, der Verkaufspreis aber ab 2017 deutlich. Als die Erzeugerpreise 2022 anzogen, wurden enorme Preissteigerungen an der Ladentheke zwar damit erklärt, aber bei fallenden Erzeugerpreisen nicht mehr rückgängig gemacht, heißt es in der Studie. „Erst die inflationsbedingte Verbraucherzurückhaltung und die wieder gesunkenen Rohstoffpreise in 2023 haben diesen Mechanismus ein Stück weit durchbrochen.“Von etwa 15 Prozent ist der Anteil, den Bauern von Toastbroterlös bekommen, auf inzwischen weniger als zehn Prozent gesunken.
„Noch extremer ist es bei Weizenbrötchen, wo der Erzeugeranteil unter fünf Prozent liegt“, sagt Hauk. Obwohl die Preise für die Brötchen im Laden kontinuierlich gestiegen sind. Als Erklärung dienen hierfür vielmehr gestiegene Energie- und Lohnkosten als Erzeugerpreise.
Wie sieht es bei weniger verarbeiteten Produkten aus?
Deutlich weniger extrem. „Bei nicht verarbeiteten Produkten wie Äpfeln ist die Spanne deutlich langsamer gestiegen“, sagt Hauk. Bei Freilandeiern hat sich der Trend, dass Bauern immer weniger von den gestiegenen Verkaufspreisen profitieren, im Laufe der zehn untersuchten Jahre sogar umgedreht. Gründe hierfür seien eine generelle Verteuerung der Produktion – etwa wegen gestiegener Futterkosten und wegen des Verbots, männliche Küken zu töten.
Auffallend sei zudem, dass die Preise für einfachere Produkte wie Hackfleisch stärker angehoben wurden als Premiumprodukte wie Schweinefilet oder Rindersteak – zum Teil auch Bioprodukte. „Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Verbraucherpreise bei diesen Produkten bereits auf einem hohen Niveau waren“, so die Studienautoren. Noch höhere Preise hätten Verbraucher dann wohl abgeschreckt.
Welches Fazit zieht Hauk?
„Die Landwirtschaft ist definitiv kein Inflationstreiber“, betont der Minister. Sie sei nur ein Teil der Wertschöpfungskette und laut der Studie oft nicht der Profiteur gestiegener Verbraucherpreise. Phasen höherer Erzeugerpreise seien zwar dafür genutzt worden, die Verbraucherpreise anzuheben. Wieder sinkende Erzeugerpreise würden indes nicht oder nur verzögert an die Verbraucher zurückgegeben. Die Spanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreis wachse stetig. Ergo, so Hauk: Irgendwo dazwischen gibt es Gruppen, die eine höhere Spanne bekommen.“Genau das will der Minister nicht mehr einfach so hinnehmen.
Was plant der Minister?
„Die erste Zielsetzung heißt: Transparenz herstellen“, so Hauk. Zum einen will er die nun vorgelegte Studie verfeinern und genauer beleuchten, wer denn in der Erzeugungskette bis zum Verkauf eines Produkts wie stark profitiert. Konkret will er den Lebensmitteleinzelhandel stärker kontrollieren. „Hier haben wir es mit einem Oligopol zu tun“, so Hauk. Fünf große Handelsketten teilten sich den Markt auf und kämpften bei der Preisgestaltung mit harten Bandagen. „Da muss der Staat näher hinschauen“, so Hauk. „Bei Oligopolen braucht es mehr Regulierung.“Wettbewerbsrecht sei zwar in Verantwortung von Bund und EU. Aber: „Wir arbeiten daran mit dem Ziel, Bundesratsinitiativen zu starten.“
Außerdem will Hauk einen Marktbeirat einrichten. Das Gremium soll den Strategiedialog Landwirtschaft weiterführen, den Ministerpräsident Winfried Kretschmann vor eineinhalb Jahren eingerichtet hat und der sich seinem Ende nähert. Wie im Strategiedialog sollen auch im Marktbeirat dann alle Akteure von Landwirtschaft über Verbraucher, Verarbeiter und Wissenschaft bis hin zu Einzelhandel vertreten sein und im Austausch bleiben. „Der Beirat könnte auch bei kritischen Fragen angerufen werden“, so Hauk. „Wir wollen gegenseitiges Verständnis wecken, mehr Transparenz reinbringen und Schuldzuweisungen nicht so einfach ermöglichen.“
Was muss sich ändern?
Verbraucher müssten bereit sein, statt auf „Geiz ist geil“auf regionale Produkte zu setzen und der Handel müsse durch langfristige Verträge und Preisrahmen fairer und nachhaltiger mit den Erzeugern umgehen. „Landwirte produzieren nicht nur Lebensmittel, sondern erhalten auch unsere Kulturlandschaft“, so Hauk. Wenn Bauern nicht auskömmlich wirtschaften könnten, könnte es bald Brachflächen und einen massiven Strukturwandel geben, warnte er. In den vergangenen 20 Jahren hätten 36 Prozent der Landwirte aufgegeben. „Es braucht ein Moratorium für Auflagen und Bürokratie“, sagt Hauk in Richtung Bundesregierung und warnte erneut davor, Steuervergünstigungen und Dieselsubventionen zu streichen.