Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wütende Bauern wollen das Land wachrütteln
Trotz jüngster Zugeständnisse – Aktionen und Kundgebungen in zahlreichen Städten gegen die Politik der Bundesregierung
RAVENSBURG - Zuerst die frische Nachricht: Die Ampel-Regierung will geplante Kürzungen von Subventionen für Landwirte teilweise zurücknehmen. Wie die Bundesregierung am Donnerstagnachmittag mitteilte, soll es keine Streichung der Kfz-Steuerbefreiung geben. Die Abschaffung beim Agrardiesel werde schrittweise bis 2026 vollzogen.
Jetzt die Emotionen. Trotz der überraschenden Zugeständnisse dürften sich viele Landwirte ab Montag an regionalen Protestaktionen beteiligen. Der Deutsche Bauerverband (DBV), die Landesbauernverbände und der Interessenverband Land schafft Verbindung (LsV) hatten im Dezember zu einer bundesweiten Aktionswoche gegen die Sparpläne der Bundesregierung aufgerufen. „Es geht nicht nur um Kfz-Steuer und Agrardiesel“, sagt Landwirt Gerd Neidlinger, einer der Demo-Mitorganisatoren beim LsV, „wir brauchen eine andere Politik. Die Landwirtschaft wurde in den vergangenen Jahren überproportional belastet.“(siehe Kasten).
Die Protestaktionen sind breit gefächert. Allein in Ravensburg werden am Montag 1000 Landwirte erwartet, die sich mit ihren Traktoren ab 9 Uhr vor der Oberschwabenhalle treffen. Im Ostalbkreis wollen Bauern mit ihren Fahrzeugen den Verkehr in Richtung der Städte Aalen, Ellwangen und Schwäbisch Gmünd verlangsamen. Bei Biberach schleichen Landwirte mit ihren Traktoren über die B 30, im Beisein von Spediteuren und Handwerkern.
Ob die Protestzüge – wie vom LsV angedacht – tatsächlich über die A 7 und die A 8 führen, ist offen. „Wir haben über die Woche verteilt zahlreiche Aktionen angemeldet“, sagt Neidlinger, „manche Genehmigungen stehen noch aus. Sicher ist, dass man uns wahrnimmt.“
Am Mittwoch rollten bereits mehr als hundert Traktoren hupend und leuchtend nach Rangendingen (Zollernalbkreis), wo örtliche Landwirte zu einer Kundgebung unter dem Motto „Zu viel ist zu viel“aufgerufen hatten. Einige Traktorenkonvois bremsten auf dem Weg dorthin auch den Verkehr auf der B 27 aus. In Tuttlingen, Sigmaringen, Bad Saulgau und in anderen Städten sind ab Montag Mahnwachen geplant, ebenso im Bodenseekreis. Am 10. Januar findet in Ellwangen eine große Bauernkundgebung statt.
Bauernpräsident Joachim Rukwied hatte auf der Plattform X angekündigt, wenn die Ampel ihre Steuererhöhungspläne nicht zurücknehme „werden wir ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat“. Die angekündigen Nachbesserungen beim Agrardiesel und der KfzSteuer seinen für den Bauernverband unzureichend. „Dies kann nur ein erster Schritt sein“, sagte Rukwied gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa), „unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch.“Es gehe um die Zukunftsfähigkeit der Branche und um die Frage, ob heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht sei.
Der Biberacher Bundestagsabgeordnete und Schweinebauer Josef Rief (CDU) kann den Unmut verstehen. Er sagt der „Schwäbischen Zeitung“: „Die
Bauern werden durch die Streichung von Förderprogrammen, die CO2-Steuer, die Abschaffung Freibeträgen und weiteren Vorgaben bei der Tierhaltung extrem belastet. Das ist nicht hinnehmbar.“Rief will sich an der Protestkundgebung in Ravensburg beteiligen, seine Familie reist mit dem Traktor an.
Der Berufsverband der Forstunternehmer in Bayern hat seine Mitglieder ebenfalls aufgerufen, auf die Straßen zu gehen. Dessen Vorsitzender Norbert Harrer klagt in einem Rundschreiben: „Die ideologiegetriebene Politik der Ampel-Regierung und neue Verordnungen und Gesetze auf EU-Ebene sorgen dafür, jegliche Form der Landwirtschaft (…) massiv zu erschweren oder unmöglich zu machen. Eine solche Politik gegen die Landbevölkerung hat es noch nie in Deutschland gegeben.“Zu den Demonstranten gehören auch Spediteure, die eine annähernde Verdopplung der Lkw-Maut beklagen.
Rukwied appeliert an die Teilnehmer, die Proteste friedlich zu gestalten. Die Zustimmung großer Teile der Bevölkerung für die Anliegen der Bauern dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. LsVMitorganisator Neidlinger sagt diesbezüglich: „Auf den Straßen werden bei allen Aktionen Gassen für Rettungsfahrzeuge freigehalten. Wir sind nicht radikal, aber wir sind extrem verärgert über die Politik der Ampel-Regierung.“
Interessenverband Land schafft Verbindung (LsV)