Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Auf digitalen Abwegen
„Tatort: Avatar“(ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) - Zugegeben, bei älteren Semestern kann es ein bisschen dauern, bis sie checken, um was es überhaupt geht. Die Themen KI, Chat-Kommunikation und die Möglichkeiten moderner Technik im Netz mögen zunächst überfordern. Aber da sind sie nicht allein, auch Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), die 62-jährige Schauspielerin und mit fast 35 Jahren dienstälteste „Tatort“Kommissarin, muss sich von Jüngeren auf klären lassen. Zumal Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter) zunächst auch keine große Hilfe ist. Angst vor allzu experimentellen Krimimomenten braucht trotzdem niemand zu haben. Dafür sind zu viele „alte Hasen“an Bord, die ihr Handwerk perfekt verstehen.
Für Autor Harald Göckeritz ist es bereits das 15. „Tatort“-Drehbuch und das zehnte für Lena Odenthal. Auch Regisseur Miguel Alexandre passt sich an, inszeniert unaufdringlich und überfordert die Zuschauer, auch ältere, letztlich nicht wirklich.
Als zwei männliche Leichen kurz hintereinander in Ludwigshafen am Rheinufer angespült werden, ist schnell klar, dass beide ermordet wurden. Fast genauso schnell wird eine Zeugin gefunden – die Programmiererin Julia Da Borg will angeblich dort nur joggen gewesen sein und niemanden gesehen haben. Odenthal misstraut ihr, vor allem, „weil sie aussieht, als habe sie seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen“. Ein Glück, dass Bernadette Heerwagen die nervöse Zeugin spielt, die ihre Nächte vor dem Computer verbringt und etwas zu verbergen scheint. Es dauert etwas, bis klar wird, dass der nicht allzu lang zurückliegende Tod ihrer Stieftochter Sina etwas mit den Morden zu tun hat.
Immer tiefer tauchen Kommissarinnen und Zuschauer in die digitale Kommunikationswelt ein und damit auch in die Probleme zwischen Eltern und ihren fast erwachsenen Kindern. Gleich bei mehrere Familien scheint da etwas nicht in Ordnung zu sein. Ein überzeugender, inhaltlich glaubwürdiger Krimi, der – wie so häufig – auch mit einem Abschied aufwarten kann. Keine Sorge, Lena Odenthal macht weiter. Lediglich Sekretärin Keller und Kriminaltechniker Becker verabschieden sich gemeinsam in den Ruhestand.