Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tausende demonstrie­ren gegen rechts

Experte sieht Politiker-Auftritte kritisch – Ermittlung­en gegen Identitäre im Südwesten

- Von Ralf Müller und unseren Agenturen

BERLIN/MÜNCHEN/STUTTGART Auch dieses Wochenende werden wieder Tausende in ganz Deutschlan­d gegen Rechtsextr­emismus und für die Demokratie auf die Straßen gehen – mit Kundgebung­en, Demonstrat­ionszügen und Mahnwachen. Veranstalt­ungen in Baden-Württember­g sind am Samstag unter anderem angekündig­t in Stuttgart, Mannheim, Tübingen, Singen, Ravensburg, Biberach und Sigmaringe­n, in Bayern in Aichach, Hof, Fürth und Passau. Mottos sind unter anderem „Nie wieder ist jetzt“, „Gemeinsam gegen rechts“, „für Demokratie und Vielfalt“, „gegen Hass und Hetze“und „Fünf vor

Zwölf“. Am Samstag ist der internatio­nale Holocaust-Gedenktag.

Auslöser für die bundesweit­en Proteste sind Enthüllung­en des Recherchez­entrums Correctiv über ein Treffen radikaler Rechter, unter anderem mit einem Vortrag am 25. November in einer Villa in Potsdam. Bei der Veranstalt­ung mit einigen AfD-Politikern sowie einzelnen Mitglieder­n der CDU und der Werteunion hat unter anderem der frühere Kopf der Identitäre­n Bewegung in Österreich, Martin Sellner, nach eigenen Angaben über „Remigratio­n“gesprochen.

„Grundsätzl­ich positiv“bewertete derweil Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder am Freitag die großen Anti-rechts-Demonstrat­ionen. Die Kundgebung­en dürften aber weder von linker noch von rechter Seite instrument­alisiert werden, sagte er in München. Die Reden mancher Veranstalt­er seien daher „unglücklic­h“gewesen. „Man schwächt das Anliegen, wenn man dabei ein parteipoli­tisches Süppchen kocht“, sagte der CSUVorsitz­ende.

Experten bewerten die Teilnahme bekannter Politiker bei den Veranstalt­ungen gegen rechts ohnehin eher kritisch. Der politische Soziologe Rüdiger Schmitt-Beck von der Universitä­t Mannheim sagte am Freitag: „Die Mobilisier­ung der Protestbew­egung erfolgt außerhalb der Parteien, aus der Zivilgesel­lschaft heraus.“Politiker sollten nicht versuchen, die Proteste in der Hoffnung auf Wählerstim­men zu kapern und keinesfall­s sollten dort Parteisymb­ole auftauchen, erklärte Schmitt-Beck. „Das würde nur der AfD Munition geben, diese Proteste als Fortsetzun­g des Wahlkampfs mit anderen Mitteln zu beschreibe­n.“Zudem genössen die Parteien nicht das allergrößt­e Ansehen und der Union gelinge es in der Opposition nur begrenzt, von der Unbeliebth­eit der Ampel zu profitiere­n.

Unterdesse­n ermitteln mehrere Polizeiprä­sidien im Südwesten gegen die Gruppe „Reconquist­a 21“, die der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung in Baden-Württember­g zugeordnet wird. Dabei geht es um eine Reihe von Delikten, die einen rassistisc­hen Hintergrun­d haben.

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