Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Gefühlige Begrüßung für die Ministerin
Nicole Hoffmeister-Kraut besucht Trigema in Burladingen – Einblicke in heimische Produktion
BURLADINGEN - Küsschen rechts und links, Umarmung – so herzlich wird die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut bei der Firma Trigema in Burladingen (Zollern-Alb-Kreis) empfangen. Elisabeth Grupp ist die Frau des Patriarchen Wolfgang Grupp und die vollkommene Verbindung von Eleganz und Empathie. „Die Welt ist im Wandel und auch Trigema ist in einem Umbruch“, so kommt sie zur Sache. Vor wenigen Wochen erst hat Wolfgang Grupp senior sein Lebenswerk in die Hände seiner beiden Kinder gelegt. Das ist das Stichwort für die CDU-Ministerin, die ebenfalls aus dem Zollern-Alb-Kreis stammt. „Die Familienunternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie planen in Generationen und denken nicht nur an kurzfristige Erfolgszahlen“, sagt Hoffmeister-Kraut – und man nimmt ihr ab, dass sie das wirklich ernst meint.
Nur kommt diese Botschaft bei den Mittelständlern im Land nicht so recht an. Sie kämpfen mit Widrigkeiten wie dem Lieferkettengesetz, Nachhaltigkeitsberichten und Verpackungsverordnung oder der maximal komplizierten Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen, wenn sie etwa Flüchtlinge in Lohn und Brot bringen wollen. Das alles ist angesichts einer schwachen Konjunktur und hohen Kosten für Energie und Transport eine Herausforderung für die angeblichen Säulen der Wirtschaft. Einiges davon kommt nach der gefühligen Begrüßung der Landesministerin bei Trigema später noch zur Sprache. „Herr Grupp, sind Sie zufrieden mit der Regierungspolitik“, fragt die Ministerin den Senior. „Nein“, ist seine wenig überraschende Antwort.
Doch zunächst will sich Hoffmeister-Kraut ein Bild machen von der Produktion des weithin bekannten Herstellers von TShirts und Freizeitbekleidung, dessen Alleinstellungsmerkmal bis heute das „Made in Germany“ist. Der neue persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafter, Wolfgang Grupp junior (33), führt die Ministerin durch die Hallen am Stammsitz des Unternehmens. 78 Prozent der Wertschöpfung passieren hier an Ort und Stelle.
In den Hochzeiten der Textilindustrie auf der Schwäbischen Alb gab es mehr als 20 Textilfabrikanten in der Kleinstadt Burladingen, heute ist Trigema das einzige noch übrige Unternehmen.
Die Schwäbische Alb ist ein rauer Landstrich. „Viel Steine gabs und wenig Brot“, dichtete Ludwig Uhland 1814: Die Böden waren mager, die Erbteilung machte die Flächen immer kleiner. Angetrieben von Pietismus und Hunger entstanden die ersten Trikotfabriken. Heimarbeit war die Regel, neben Landwirtschaft und Hausarbeit saßen Familienväter und -mütter bis tief in die Nacht an den Strickmaschinen. Der Achtstundentag war noch nicht erfunden. Wohlstand entwickelte sich hier erst allmählich, die Älteren erinnern sich noch heute, dass dieser alles andere als selbstverständlich ist.
100.000 Arbeiter wären nötig, um das zu schaffen, was eine der 47 Strickmaschinen schafft, die bei Trigema stehen. Mit dem Stoff, der pro Stunde unten raus rattert, könnten sechs bis acht Fußballfelder ausgelegt werde. Die Strickmaschinen stammen vom Albstädter Unternehmen
Meyer & Cie, die Nadeln darin liefert Weltmarktführer Groz-Beckert, ebenfalls aus Albstadt.
Die Ministerin strahlt und staunt, befühlt die Stoffe, lässt sich alles erklären. Wolfgang Grupp junior ist der Chef, die Bühne gehört ihm und er vermittelt: Die neue Rolle ist ganz die seine, er füllt sie aus – auch wenn er noch nicht das „Rampensau“Image des alten Wolfgang Grupp (81) hat und womöglich auch nicht anstrebt.
Um in Deutschland erfolgreich produzieren zu können, braucht es maximale Effizienz, macht der Juniorchef deutlich. Die neuen Maschinen zur Stoffbearbeitung verbrauchen rund 30 Prozent weniger Wasser und Strom, beim Färben wird an Chemikalien gespart. Im Zuschnitt geht es um Stückzahlen. Stoff lagen werden gepresst und geschnitten, die Teile gebündelt und schließlich im Nähsaal zum T-Shirt vollendet.
Am großen Tisch schließlich sitzt der Senior am Kopfende, womöglich ein Zeichen dafür, dass er sich immer noch als das Oberhaupt sieht und auch so gesehen wird. Hier geht’s in die Details, so einfach kommt HoffmeisterKraut nicht davon. Es geht um Migration oder „Qualifizierte Zuwanderung“, wie es die Ministerin ausdrückt. Bei Trigema sind in Burladingen, Rangendingen und Altshausen zusammen rund 1200 Mitarbeiter aus 30 Nationen beschäftigt. Tochter und Mit-Geschäftsführerin Bonita Grupp versteht zum Beispiel nicht, warum der Ehemann einer Mitarbeiterin aus dem Iran nicht auch bei ihnen arbeiten darf, nur weil er keine Qualifikation nachweisen kann. „Warum überlässt der Staat das nicht dem Unternehmer, wenn dieser die Verantwortung für die Person übernimmt?“, fragt der Seniorchef.
Trigema engagiert sich: Auf dem Betriebsgelände werden schon bald Container stehen, die einen Teil der Flüchtlinge aufnehmen, die dem Landkreis zugewiesen werden. Es sind keine Massenunterkünfte, Wolfgang Grupp spricht von etwa zehn Personen – doch es ist eine Entlastung. Nur wenige Kilometer von Burladingen, in Killer, war CDU-Landrat
Günther-Martin Pauli bei einer Informationsveranstaltung zu einer dort geplanten Unterkunft niedergebrüllt worden.
Das kritisiert die CDU-Ministerin: Man müsse respektvoll miteinander umgehen. HoffmeisterKraut ist in ihrer Komfortzone, denn vieles, was hier auf den Tisch kommt, wird in Berlin geregelt. Das ist für sie eine Vorlage, um die Ampel zu kritisieren. Was sie tun kann: Sie will eine zentrale Ausländerbehörde in BadenWürttemberg einrichten. Jetzt gäbe es 137, das sei kein Zustand.
Das Lieferkettengesetz nimmt sie als Bürokratiemonster für den Mittelstand wahr, auch wenn es auf einen CSU-Minister zurückgeht: „Manche Unternehmen haben 1200 Schnittstellen“, weiß sie. Über alle muss ein Nachweis geführt werden, wer die Lieferanten sind und die Lieferanten der Lieferanten und so fort.
Besserung kann die Ministerin nicht versprechen. Verständnis und Empathie zeigt sie durchaus und sie ist sichtlich glücklich, dass es im Land noch erfolgreiche Familienunternehmen gibt.