Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie die AfD sich ihre eigene Wahrheit bastelt

Eine Kundgebung, ein Spendenauf­ruf und eine Anzeige, die im Salemer Amtsblatt gar nicht hätte veröffentl­icht werden dürfen

- Von Jens Lindenmüll­er

SALEM - Bernhard Straßer hat sein Spendenver­sprechen eingelöst. Im Zuge einer AfD-Demonstrat­ion, die sich gegen eine Unterkunft für Geflüchtet­e und gegen ihn selbst als Vermieter des Gebäudes richtete, hatte der Salemer Bauunterne­hmer Anfang Dezember eine Spendenakt­ion zugunsten des Ihube-Eine-Welt-Projekts des Elternvere­ins der Bodensee-Schule gestartet – und auch die AfD dazu aufgeforde­rt, diese zu unterstütz­en. Seither versucht die Partei mit fragwürdig­en Mitteln, die Aktion als eigenen Erfolg zu verkaufen.

Zur Kundgebung der AfD vor dem ehemaligen Supermarkt, den Bernhard Straßer zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en an den Bodenseekr­eis vermietet, waren nur knapp 30 Menschen gekommen. Beim Aufmarsch vor Straßers Firma, wo die Protestier­enden ihn öffentlich zur Rede stellen wollten, traf das Grüppchen auf mehr als 300 Gegendemon­stranten.

Bernhard Straßer stellte sich den AfD-Funktionär­en und -Anhängern trotzdem, verteidigt­e nicht nur die Vermietung des ehemaligen Supermarkt­s als Flüchtling­sheim, sondern kündigte auch an, die erste Monatsmiet­e, die er vom Bodenseekr­eis erhält – aufgerunde­t 5000 Euro – für das Projekt „Beweg was“im Rahmen des Ihube-Eine-Welt-Projekts zu spenden. Dahinter verbirgt sich eine Berufsschu­le in der Region Okigwe in Nigeria, in der Jugendlich­e ein Handwerk erlernen können.

Straßer rief alle Kommunen im Bodenseekr­eis dazu auf, das Projekt ebenfalls zu unterstütz­en. Um in schwierige­n Zeiten ein Zeichen zu setzen. Und er erinnerte die Vertreter der AfD an das, was einer ihrer Redner bei der Kundgebung festgestel­lt hatte: dass mit dem Geld, das in Deutschlan­d für einen Migranten ausgegeben werde, „locker 20 notleidend­en Menschen in dessen Heimatland geholfen werden“könne. Vor diesem Hintergrun­d forderte der Unternehme­r auch die AfD auf, seinem Spendenauf­ruf zu folgen. Und erhielt eine Zusage.

Seitdem versucht die Partei, die Aktion als eigenen Erfolg zu verkaufen – unter anderem auf der Homepage des Kreisverba­nds, wo das Geschehen so dargestell­t wird, als habe die AfD Bernhard Straßer zum Umdenken bewogen und als würde man mit ihm gemeinsame Sache machen. „Bauunterne­hmer Bernhard Straßer und die AfD im Bodenseekr­eis arbeiten zusammen an einer Lösung gegen die Massenmigr­ation“, schreibt die AfD auch in einer Anzeige in der Weihnachts­ausgabe des Salemer Amtsblatts.

Straßer selbst hat diese Anzeige, die gar nicht hätte veröffentl­icht werden dürfen (siehe Infokasten), „mit Entsetzen“zur Kenntnis genommen, wie er gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“zu verstehen gibt. Was er von der AfD hält, hatte er in der vorherigen Ausgabe von „Salem aktuell“unmissvers­tändlich zum Ausdruck gebracht. Darin bedankte sich der Unternehme­r für „die überwältig­ende Teilnahme an der Gegendemon­stration“, die er als „starkes Zeichen gegen Rechts“wertete.

Angesichts dessen, wie die AfD sich die Geschehnis­se nun zunutze machen will, mag er sich zu der ganzen Angelegenh­eit am liebsten gar nicht mehr öffentlich äußern. Seine Spende habe er überwiesen, von Vertretern der AfD sei er seit der Demo nicht mehr kontaktier­t worden.

Für den Elternvere­in der Bodensee-Schule ist das Ganze eine zwiespälti­ge Angelegenh­eit. Einerseits ist man für das IhubeProje­kt auf Spenden angewiesen. Anderersei­ts wehrt sich der Verein dagegen, „für politische Zwecke instrument­alisiert“zu werden, wie ein Sprecher des Vereins gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“zu verstehen gibt. Das gelte für alle Parteien – für eine,

„die am rechten Rand agiert“, aber in besonderem Maße. Weil deren Beweggründ­e, sich für Entwicklun­gshilfepro­jekte in Afrika auszusprec­hen, gänzlich andere sind als die, die zur Gründung des Ihube-Projekts geführt haben.

Ziel dieses Projekts ist es, Menschen durch Bildung und Ausbildung ein gutes Leben in ihrer Heimat zu ermögliche­n und sie in die Lage zu versetzen, ihr Umfeld selbst zu gestalten. Welches Ziel die AfD verfolgt, hat die Partei unter anderem in ihrem Flyer zur Demo und in einem Eigenberic­ht zu dieser Veranstalt­ung, der frei zugänglich im Internet nachzulese­n ist, ziemlich klar zum Ausdruck gebracht: Ihr geht es darum, Migranten durch „Remigratio­n“in ihre Herkunftsl­änder zurückzuve­rfrachten, denn die AfD betrachtet diese Menschen pauschal als potenziell­e Vergewalti­ger und Messerstec­her.

Eine Spende, die erkennbar aus dem Umfeld der AfD stammt, ist beim Ihube-Projekt bislang nicht eingegange­n. Wie viele Spender insgesamt durch den Aufruf von Bernhard Straßer animiert worden sind, darüber lässt sich allenfalls spekuliere­n. Weil es wenige Wochen vor Weihnachte­n auch andere Aktionen gab, mit denen dafür geworben wurde, und weil es in dieser Zeit immer ein erhöhtes Spendenauf kommen gibt. Was der Sprecher des Vereins allerdings bestätigt, ist der Eingang mehrerer Spenden durch Gemeindera­tsmitglied­er aus verschiede­nen Kommunen im westlichen Bodenseekr­eis.

Was eine Beteiligun­g von Städten und Gemeinden selbst betrifft, so hat sich bislang zumindest der Bürgermeis­ter von Straßers Heimatort Salem klar positionie­rt – und zwar gegen eine Spende. „Tatsächlic­h hat sich mir und auch einzelnen Gemeinderä­ten die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, die 5000 Euro direkt vor Ort in die Integratio­n und Unterbring­ung der neuen Flüchtling­e zu investiere­n“, schreibt Manfred Härle auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Unabhängig davon könnten Unterstütz­er und Befürworte­r des Spendenauf­rufs jederzeit ihren persönlich­en Beitrag leisten.

Mitauslöse­r für Bernhard Straßers Spendenauf­ruf war übrigens eine Aussage von Manfred Härle im Zusammenha­ng mit der von der CDU im Kreistag beantragte­n Resolution zur Migrations­politik.

Härle hatte zu verstehen gegeben, dass die Kommunen angesichts der steigenden Zahl an Gef lüchteten „kapitulier­en“würden – was Straßer „massiv geärgert“hat.

Dem Kreisverba­nd der AfD hat die „Schwäbisch­e Zeitung“mehrere Fragen im Zusammenha­ng mit der Demo, der Anzeige im Salemer Amtsblatt und zur Darstellun­g des Sachverhal­ts durch die AfD gestellt. Beantworte­t wurde keine.

 ?? FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER ?? Dem Aufruf der AfD zum Aufmarsch vor dem Bauunterne­hmen Straßer, der dem Bodenseekr­eis einen ehemaligen Supermarkt zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en vermietet, folgen Anfang Dezember nur wenige Bürger.
FOTO: JENS LINDENMÜLL­ER Dem Aufruf der AfD zum Aufmarsch vor dem Bauunterne­hmen Straßer, der dem Bodenseekr­eis einen ehemaligen Supermarkt zur Unterbring­ung von Geflüchtet­en vermietet, folgen Anfang Dezember nur wenige Bürger.

Newspapers in German

Newspapers from Germany