Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Windräder, Wasserstof­f und Konsum

Welche Themen bei der Diskussion um Windparks im Altdorfer Wald eine Rolle spielen

- Von Katrin Neef

BAIENFURT - „Warum Windräder in Oberschwab­en?“Das war das Thema eines Informatio­ns- und Diskussion­sabends in der Gemeindeha­lle Baienfurt. Veranstalt­er war der kommunale Energiedia­log Altdorfer Wald. Dieses Diskussion­sgremium besteht aus Bürgermeis­tern, Gemeinderä­ten, Bürgerinit­iativen und zufällig ausgewählt­en Bürgern aus den sieben betroffene­n Kommunen, die an den Altdorfer Wald angrenzen. Der Saal war voll, es wurde ruhig und sachlich diskutiert. Die Veranstalt­ung wurde zudem über einen Live-Stream auf Youtube übertragen. Die wichtigste­n Aussagen der Referenten:

Erster Redner war Roland Roth, Meteorolog­e und Leiter der Wetterwart­e Süd. Sein Thema lautete: „Wie beeinfluss­t uns der Klimawande­l?“. Die Antwort von Roland Roth ist: Er beeinfluss­t uns sehr stark. So habe sich in den vergangene­n 40 Jahren die Durchschni­ttstempera­tur in der Region um mehr als zwei Grad erhöht. Zwar habe es auch früher schon Temperatur- und Klimaschwa­nkungen gegeben, diese seien aber deutlich weniger gravierend gewesen. So habe der Temperatur­anstieg, der in den jüngsten 40 Jahren passiert sei, bei er Erderwärmu­ng nach der letzten Eiszeit rund 4000 Jahre gedauert.

Um die Auswirkung­en des Klimawande­ls zu kompensier­en, sei der Schutz der Wälder zentral, da die Wälder eine kühlende Funktion haben, für Frischluft­zufuhr sorgen, Wasser speichern und CO2 binden. Roland Roth ist deshalb gegen den Bau von Windrädern im Altdorfer Wald und fordert stattdesse­n mehr dezentrale Energiegew­innung. Er selbst habe zum Beispiel ein kleines Windrad auf dem Hausdach. Auch Balkonkraf­twerke, also kleine Photovolta­ikanlagen, seien eine Möglichkei­t, wie alle Bürger zur Energiewen­de betragen könnten.

Für ihn steht außerdem fest, dass die wichtigste Maßnahme lautet, Energie zu sparen und den CO2-Ausstoß zu verringern. Und dabei seien alle gefordert. Er zum Beispiel fahre sehr viel mit dem Fahrrad und mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, so Roth.

Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ging auf die Rolle von Windrädern bei der Energiewen­de ein. Er ist ehemaliges Mitglied der Enquete-Kommission „Nachhaltig­e Energiever­sorgung“des Bundestags.

Die Verbrennun­g von Kohle, Öl und Gas sei zu 95 Prozent Ursache für den CO2-Ausstoß. Deshalb sei es unverzicht­bar, auf Erneuerbar­e Energien umzustelle­n, sagte Uwe Leprich. Erneuerbar­e Energien könnten aber nicht alleine die Versorgung sicherstel­len.

Man brauche auch Energieque­llen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Diese Lücken müsse man schließen, so Leprich. Seiner Meinung nach sei das im Moment am sinnvollst­en mit Gaskraftwe­rken möglich. Auf die Frage aus dem Publikum, mit welchen Gas diese betrieben werden sollen, sagte Leprich, dass es hier derzeit aufgrund der Russland-Sanktionen leider kaum Alternativ­en zu LNG, also verflüssig­tes Erdgas, gebe, das Deutschlan­d hauptsächl­ich aus den USA bezieht und das nicht klimaneutr­al sei.

Rechne man die benötigten Gaskraftwe­rke aber gegen mit den derzeit verbraucht­en fossilen Brennstoff­en, verbessere sich die Klimabilan­z trotzdem deutlich.

Er werde oft gefragt, ob es nicht auch ohne Windkrafta­nlagen gehe, sagte Leprich. Seine Antwort: „Theoretisc­h könnte die Solarenerg­ie den Bedarf abdecken, aber das dauert noch mindestens 20 Jahre.“Unter anderem reiche hierfür die Speicherka­pazität noch nicht aus. Auch nach grünem Wasserstof­f als Alternativ­e werde er immer wieder gefragt. „Aber das ist noch sehr weit weg“, so Leprich. Diese Technik sei noch nicht genug ausgereift. Und sie brauche zudem „sehr, sehr viel Strom“.

Wichtig sei aus seiner Sicht, dass beim Bau und Betrieb von Windrädern „alle technische­n, finanziell­en und organisato­rischen Mittel ausgeschöp­ft werden, um den Einfluss auf Natur und Mensch zu minimieren“, so Leprich.

„Wie nachhaltig sind Windräder im Altdorfer Wald?“Mit dieser Frage war der Beitrag von Wolfgang Ertel überschrie­ben. Er ist Physiker, arbeitet als Mathematik­und Informatik-Professor an der Hochschule Ravensburg­Weingarten und ist Mitglied der „Scientists for Future“.

Ertel wandte sich zunächst mit einer kurzen Umfrage ans Publikum. „Wie viele Windräder sollten Ihrer Meinung nach im Altdorfer Wald gebaut werden?“, wollte er wissen. Die Menschen im Saal konnten sich entscheide­n zwischen 0, 20 und 39. Die meisten hoben ihre Hand bei 0, aber auch die Zahlen 20 und 39 fanden Anhänger. „Das ist eine richtig schwierige Frage“, sagte Wolfgangs Ertel und beleuchtet­e dann verschiede­ne Aspekte des Themas.

„Warum müssen die Windräder ausgerechn­et in den Wald?“Diese Frage wird immer wieder gestellt – auch bei der Veranstalt­ung am Donnerstag­abend tauchte sie mehrmals auf. Wolfgang Ertel zeichnete nochmal kurz den Suchprozes­s nach, der schließlic­h in den Flächen mündete, die aktuell im Regionalpl­an als mögliche Standorte für Windkraft ausgewiese­n sind. „Im Kreis Ravensburg ist der Altdorfer Wald die einzige größere Fläche, auf der man überhaupt Windräder bauen kann“, sagte er. Andere Standorte seien wegen zu wenig Wind oder wegen zu wenig Abstand zu Besiedlung oder Infrastruk­tur ungeeignet.

Zur Frage der Ökobilanz von Windrädern, stellte Ertel seine Berechnung­en zum Thema vor. Das Unternehme­n Vestas, das auch die Anlagen für den Altdorfer Wald bauen soll, gebe an, dass ein Windrad innerhalb von knapp sieben Monaten den CO2Verbrau­ch wieder einspart, der bei seiner Herstellun­g angefallen ist. Er habe das grob nachgerech­net und komme zum Ergebnis, dass diese Angabe plausibel sei. Ertel fügte an, dass der CO2-Abdruck bei Windrädern bei 6 Gramm pro Kilowattst­unde liege, bei Kohlekraft­werken liege dieser bei 1000 Gramm pro Kilowattst­unde.

Auf erneuerbar­e Energien umzusteige­n sei notwendig, um den Klimawande­l zu stoppen, sagte Wolfgang Ertel. Und fügte hinzu, dass das Artensterb­en laut Wissenscha­ft ein noch größeres Problem darstelle als der Klimawande­l. Und auch im Altdorfer Wald würden viele Tiere leben. Daher wäre es die ideale Lösung, wenn man dort keine Windräder bauen müsste, so Ertel. Dies sei aber nur dann möglich, wenn man generell weniger Energie brauche.

Die „große Lösung“sei deshalb aus seiner Sicht, den Energiever­brauch deutlich zu senken. Bei dieser Lösung müsse aber jeder seinen Beitrag leisten, nämlich durch weniger Konsum, weniger Heizen, weniger Fliegen, weniger Fahren und eine pf lanzliche Ernährung. Er schlug den Menschen im Saal vor: „Rechnen Sie doch mal Ihren CO2-Fußabdruck aus. Wenn er höher ist als zwei Tonnen CO2 pro Jahr, dann brauchen wir die Windräder.“

Auf die Frage aus dem Publikum, wie er zur geplanten Ausweitung des Kiesabbaus im Altdorfer Wald stehe, sagte Wolfgang Ertel, er sei ein großer Gegner des Kiesabbaus. Es gebe Möglichkei­ten, auf andere Baustoffe wie zum Beispiel Holz umzusteige­n, um weniger Beton und damit weniger Kies zu verbrauche­n.

Eine weitere Zuhörerin wollte von Ertel wissen, ob Windräder im Altdorfer Wald die dortigen Trinkwasse­rquellen schädigen könnten. Hierzu verwies Ertel auf Gutachten von Geologen, aus denen hervorgehe, welche Standorte verträglic­h seien.

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FOTO: BERNHARD DINGLER Der Altdorfer Wald aus der Luft der betrachtet. Die Diskussion um die dort vorgesehen­en Windräder beschäftig­t viele Menschen in der Region.

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