Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eigeniniti­ative und Kreativitä­t gefragt

Für die Arbeit in einem Start-up sollten Bewerber bestimmte Voraussetz­ungen mitbringen – Praktikum vorab hilft

- Von Johannes Boldt und Jessica Kliem

Sie gelten als jung, hip, offen für Neues: Die Rede ist von Start-ups. Mehr als 2600 von ihnen wurden einem Bericht des Start-up-Verbands und der Analysefir­ma Startupdet­ector zufolge allein 2022 neu in Deutschlan­d gegründet. 2021 waren es rund 3200.

Und auch wenn womöglich nicht alle dauerhaft auf dem Markt bleiben – es gibt etliche, die für Absolventi­nnen und Absolvente­n als Arbeitgebe­r infrage kommen. Doch wie findet man eigentlich heraus, ob man für die Arbeit in einem Start-up gemacht ist?

Zunächst einmal, indem man sich selbst mehrere Fragen stellt. Eine davon lautet: „Strebe ich die solide Perspektiv­e in einem etablierte­n Unternehme­n an oder traue ich mich etwas?“, sagt Olaf Craney vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsbera­tung. Schließlic­h seien Start-ups noch nicht fest am Markt etabliert. Ganz auf Jobsicherh­eit ausgericht­et sollte man für die Arbeit in einem Start-up also eher nicht sein.

„Trotzdem haben Start-ups für den Arbeitsmar­kt jetzt schon eine enorm bedeutende Rolle“, so Craney. Und selbst wenn es nicht langfristi­g klappt: Die Arbeit in einem Start-up hat laut Craney ein gutes Image. Wird vielleicht ein Arbeitgebe­rwechsel nötig, weil sich das Start-up nicht am Markt etablieren kann, können Absolventi­nnen und Absolvente­n dort zumindest wichtige Erfahrunge­n sammeln, die sie später im Lebenslauf angeben können, so Craney.

Wissen sollten Bewerberin­nen und Bewerber allerdings: Bei Start-ups stehen die jeweiligen Visionen oder das Produkt oft besonders stark im Mittelpunk­t. Gründer oder Geschäftsf­ührer suchten also oft Leute, die genauso überzeugt vom Produkt sind wie sie selbst. Ein neuer Mitarbeite­r sollte sich also dafür begeistern können und ein hohes Maß an Eigeniniti­ative zeigen, sagt Olaf Craney.

Und auch die Arbeitsstr­ukturen in einem Start-up können sich von denen in etablierte­n Unternehme­n unterschei­den – und sollten zu einem passen. Laut Julia Goelles, Vice President Marketing des Software-Start-ups Parloa, kann man in Start-ups „mehr und schneller Verantwort­ung als in etablierte­n Unternehme­n übernehmen“. Zudem herrsche selten eine „So haben wir das immer gemacht“-Mentalität.

Das erfordert nicht selten Offenheit für kreative Lösungen. Wissen sollte man zudem: „In Start-ups kann es oft stressig und hektisch sein“, sagt Goelles. Viele Aufgaben zu bewältigen und Fristen einzuhalte­n sei an der Tagesordnu­ng.

Aber: „Wenn die Arbeit gut ist, ist auch die Stimmung gut.“

Die Grenzen zwischen beruf lichen Kontakten und privaten sind in Start-ups zudem häufig eher f ließend. Dessen sollte man sich bewusst sein. „In einem erfolgreic­hen und gut geführten Start-up wird selbstvers­tändlich auch viel Aufmerksam­keit auf das soziale Miteinande­r gelegt“, sagt Goelles. Nach der Arbeit stehe bei ihr etwa meistens noch gemeinsame Zeit mit Kollegen und Kolleginne­n an. Nicht selten entstehen so am Arbeitspla­tz echte Freundscha­ften.

Nicht umsonst gibt es das Klischee, dass im Start-up die Arbeit und die Freizeit miteinande­r verschmelz­en. Goelles aber animiert

Beschäftig­te eines Start-ups dazu, ihre Arbeitszei­t mehr oder weniger selbst einzuteile­n. „Meine Kollegen und Kolleginne­n verstehen auch, wenn ich ab 18 Uhr nicht mehr zu erreichen bin“, sagt sie.

Doch was, wenn dieses soziale Miteinande­r nicht funktionie­rt? Wenn das genaue Gegenteil eintritt und es vielleicht sogar zu Mobbing kommt? „In guten und gewissenha­ft arbeitende­n Startups“gebe es „ein People-Team“, das bei Problemen wie Mobbing helfen könne, sagt Goelles.

Statistike­n darüber, wie viele Start-ups einen Betriebsra­t haben, gibt es hingegen nicht. Allerdings kommt dieser in größeren Unternehme­n generell häufiger vor als in kleineren: 2021 hatten beispielsw­eise nur sieben Prozent der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in Betrieben mit fünf bis 50 Beschäftig­ten einen Betriebsra­t. In Betrieben mit mehr als 500 Mitarbeite­rn waren es 86 Prozent. Das geht aus Daten des IAB-Betriebspa­nels hervor, über die das Statistisc­he Bundesamt informiert.

Ein Tipp: Craney empfiehlt, das Unternehme­n vor einem festen Engagement erst einmal in einem Praktikum kennenzule­rnen. So kann man vorab feststelle­n, ob man für die Arbeit in einem Start-up gemacht ist. Wer dazu noch regelmäßig FeedbackGe­spräche suche, könne herausfind­en, ob sich die eigenen Einschätzu­ngen mit denen der Vorgesetzt­en decken. (dpa)

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA Junges Unternehme­n, neues Team: In einem Start-up können Absolventi­nnen und Absolvente­n wichtige Erfahrunge­n für den weiteren Berufsweg sammeln.

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