Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Baden-Württemberg lässt erste Biber töten
„Letale Entnahme“im Alb-Donau-Kreis orientiert sich am Vorbild Bayerns
STUTTGART - Streng geschützt und trotzdem „letal entnommen“: Nach bayerischem Vorbild hat nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“nun erstmals auch Baden-Württemberg Biber töten lassen. Die Hintergründe im Überblick:
Worum geht es?
Der Biber fällt Bäume, baut Dämme, staut Flüsse und Seen auf. Das Gute daran: Mit seinen Aktivitäten baut der Nager die Landschaft um und schafft etwa naturnahe Lebensräume an zuvor begradigten Bächen. Laut Studien nimmt dadurch die Artenvielfalt zu. Das Problem dabei: Der Biber sorgt so für Überflutungen und unterhöhlte Straßen und Bahngleise. Deshalb, aber auch wegen seines Fells und wohlschmeckenden Fleischs, wurde der Nager im 18. Jahrhundert in Deutschland weitgehend ausgerottet. Ab den 1970er-Jahren wurde er wieder angesiedelt und breitet sich seitdem aus. Hilfreich dabei ist, dass er im Naturschutzrecht von EU und Bund als streng geschützt eingestuft ist.
Wie verbreitet ist der Biber?
Vor allem in Süddeutschland haben sich die Säugetiere stark vermehrt. Von den bundesweit geschätzt rund 40.000 Tieren soll die Hälfte in Bayern leben. Deshalb hat der Freistaat sein Bibermanagement verschärft und allein 2022 mehr als 2300 Exemplare erlegt. Auch Baden-Württemberg verzeichnet einen starken Zuwachs. Umweltministerium (UM) und Ministerium für Ländlichen Raum (MLR) schätzen die Population aktuell auf 7500 Tiere.
Wie gehen die Länder mit dem Biber um?
In beiden Ländern gibt es seit vielen Jahren ein Bibermanagement, um Konflikte zwischen Tier und Mensch zu lösen. Baden-Württemberg hat seines vor 20 Jahren gestartet. Inzwischen gibt es in jedem Landkreis einen Biberberater. Das Land fördert Drahtgitter und Matten, um den Biber davon abzuhalten, an bestimmten Bäumen zu nagen und im Boden zu graben.
Was lernt Baden-Württemberg von Bayern?
Von Anfang 2022 bis Ende vergangenen Jahres lief nun ein Piumzugehen, lotversuch in den Kreisen Biberach, Ravensburg, Sigmaringen, Alb-Donau und Ulm. Hier diente der bayerische Umgang mit Bibern als Vorbild. Dabei sollte auch erprobt werden, wie sich das Töten eines Bibers auswirke und wie dies unbürokratisch organisiert werden könne. Dafür wurden laut UM und MLR vermehrt Jägerinnen und Jäger ins Bibermanagement eingebunden und für eine „letale Entnahme“, also für eine Tötung geschult. 31 hätten an den ersten Schulungen teilgenommen.
Im Freistaat vereinfacht eine Ausnahmeverordnung bereits seit Längerem den Abschuss. Das Bundesnaturschutzgesetz sieht Ausnahmen vom Verbot, den streng geschützten Biber zu töten, unter bestimmten Voraussetzungen vor. So müssen alle anderen Möglichkeiten, mit dem Biber
ausgeschöpft sein. Zudem darf die Population vor Ort nicht gefährdet werden und es müssen gravieren Gründe – etwa wirtschaftliche – vorliegen.
Was hat das Modellprojekt in Oberschwaben nun ergeben?
Laut einer Sprecherin von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) wurden aus dem Gebiet des Modellprojekts im Lauf der beiden Jahre 35 schwere Konflikte gemeldet. Bei einem Großteil seien die Möglichkeiten, die Konflikte zu lösen, noch nicht ausgeschöpft gewesen. In anderen Fällen fehlten Informationen. Übrig blieben zwei schwere Konflikte.
Für einen dieser beiden Fälle – nämlich im Alb-Donau-Kreis – gab es schließlich „nach gründlicher rechtlicher Prüfung und intensiver Abstimmung mit mehreren Biberexperten“eine artenschutzrechtliche Ausnahme, wie Walkers Sprecherin erklärt. Bereits Mitte Januar sei eine Falle aufgestellt worden. Mit dieser wird ein Biber zunächst lebend gefangen und anschließend getötet. „Die innerhalb des Bibermodellprojekts ausgearbeitete Vorgehensweise hat ersten Erkenntnissen zufolge gut funktioniert“, erklärt sie. Zwei Biber seien dort inzwischen gefangen und erlegt worden. Eine abschließende Beurteilung gebe es aber noch nicht. Beim anderen Konfliktfall gebe es derzeit indes keine Entnahme, so die Sprecherin. „Die gewonnenen Erfahrungen sollen nachfolgend in das landesweite Bibermanagement integriert werden.“
Welche Reaktionen gibt es?
Der Sigmaringer CDU-Abgeordnete Klaus Burger setzt sich lange schon für eine härtere Gangart im Umgang mit dem Biber ein. Vor allem von Biberschäden geplagte Bauern weiß er auf seiner Seite. Die getöteten Biber seien nicht das Ende des Modellprojekts. „Ich bin dafür, das Projekt zu verlängern“, sagt er. „Wenn es sich rausstellt, dass der Platz gleich wieder belegt wird, müssen wir weiter schauen“, sagt Burger.
Genau das prophezeit Johannes Enssle, Landesvorsitzender des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) und mahnt eine langfristige Lösung an. Er bedauere, dass zwei Biber nun erlegt wurden. „Es kann nicht sein, dass hier immer wieder Biber gefangen und getötet werden müssen, weil sie den Bachabschnitt erneut besiedeln“, erklärt er. Stattdessen solle wie im Kreis Biberach auch am Tobelbach im Alb-DonauKreis der Bachlauf verlängert und renaturiert werden. „Die Probleme beginnen erst an der Grenze zum Alb-Donau-Kreis.“
Umstritten ist zudem, ob der Biber ins baden-württembergische Jagdrecht aufgenommen werden soll – wie es etwa Klaus Burger fordert. Dann könne der Biber besser gemanagt und schneller auf Probleme reagiert werden, argumentiert er im Sinne der CDU und der Jägerschaft. Naturschützer und Grüne halten dagegen, dass eine Aufnahme ins Jagdrecht nichts ändere, wenn nicht auch der Schutzstatus des Tieres auf EU-Ebene geändert würde. Zudem gebe es auch ohne Aufnahme ins Jagdrecht die Möglichkeit, Biber zu erlegen – wie nun im Alb-Donau-Kreis.