Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aschermitt­woch mit harten Bandagen

Bei den Reden aus der Politik verschiebe­n sich die Grenzen

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PASSAU/VILSHOFEN (dpa) - Viel Bier, markige Worte, kaum Neuigkeite­n: Die politische­n Parteien haben den politische­n Aschermitt­woch hauptsächl­ich in Niederbaye­rn wieder zum schon traditione­llen Schlagabta­usch in der aktuellen politische­n Debatte genutzt. CSU-Chef Markus Söder, Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, die ehemalige LinkenPoli­tikerin Sahra Wagenknech­t und Vertreter der AfD attackiert­en bei Kundgebung­en in Passau und weiteren Städten Niederbaye­rns die Ampel-Regierung, insbesonde­re die Grünen. Söder forderte erneut Neuwahlen im Bund. Wagenknech­t nannte die Ampel „die gefährlich­ste Regierung in Europa“. Unter anderem SPDChef Lars Klingbeil griff dagegen seinerseit­s Söder frontal an.

Die Kundgebung­en wurden teils von Protesten wütender Landwirte begleitet, die mit ihren Traktoren vor den Veranstalt­ungshallen auffuhren. Im baden-württember­gischen Biberach eskalierte eine der Demonstrat­ionen.

Von der AfD grenzten sich die Redner quasi bei allen Kundgebung­en aufs Schärfste ab. Söder bezeichnet­e die AfD wegen ihrer unterstütz­enden Haltung Russlands als „fünfte Kolonne Moskaus“, dem AfD-Politiker Björn Höcke empfahl er das Verlassen des Landes und wünschte ihm „gute Reise nach Moskau“.

Die Rechtspopu­listen schlugen zurück und reagierten zum Teil mit beleidigen­den Äußerungen gegen Politiker anderer Parteien und Anti-Rechts-Demonstran­ten. AfD-Landeschef Stephan Protschka verunglimp­fte diese pauschal als „Faschisten“. Auch gegen Vertreter der katholisch­en Kirche wurden vonseiten von AfD-Vertretern schwer beleidigen­de Formulieru­ngen geführt.

Welche Ausmaße die politische Auseinande­rsetzung bereits angenommen hat, zeigte die Situation im baden-württember­gischen Biberach. Eine Demonstrat­ion unter anderem von Landwirten geriet außer Kontrolle, eine Autoscheib­e ging zu Bruch. Die Veranstalt­ung, auf der unter anderem Agrarminis­ter Cem Özdemir und Grünen-Chefin Ricarda Lang sprechen sollten, musste aus Sicherheit­sgründen abgesagt werden. An anderer Stelle bezeichnet­e Söder die Demonstrat­ionen von Bauern gegen die Politik

der Bundesregi­erung als „richtig“. Auch von den Freien Wählern kam Lob für die aufbegehre­nden Landwirte. Bei der AfD brandete Beifall auf, als die Absage der Grünen-Veranstalt­ung bekannt gegeben wurde.

Bei der größten Aschermitt­wochs-Veranstalt­ung in Passau appelliert­e Söder an die Ampel: „Ihr hattet eure Chance. Es ist vorbei. Macht den Weg frei. Es braucht Neuwahlen. Die Ampel muss weg“, rief Söder den CSUAnhänge­rn zu. Der CSU-Chef verglich Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke (Grüne) mit der verstorben­en SED-Politikeri­n Margot Honecker. Lemke sei ein „Musterbeis­piel“für immer neue Auflagen gegen Bauern, sagte er in dem

Zusammenha­ng und forderte „Freiheit für die Fleißigen“. „Diese Entgleisun­g von Markus Söder ist ebenso geschichts­vergessen wie grenzübers­chreitend“, erklärte ein Sprecher Lemkes am Mittwoch in Berlin. Lemke sei 1989 zusammen mit Hunderttau­senden Menschen auf die Straße gegangen, um für Freiheit, Demokratie und gegen das DDR-Regime zu demonstrie­ren, ergänzte der Ministeriu­mssprecher.

Anders als CDU-Chef Friedrich Merz, der kürzlich eine Zusammenar­beit mit den Grünen nicht kategorisc­h ausschließ­en wollte, lehnte Söder ein Regierungs­bündnis mit den Grünen im Bund klar ab. „Wir als CSU wollen keine Grünen in der nächsten Bundesregi­erung,

kein Schwarz-Grün.“Die Grünen seien nicht regierungs­fähig.

Klingbeil konterte in Vilshofen: „Ich finde, ihr habt etwas Besseres verdient als diesen Politik-Simulanten an der Spitze des Landes.“Söder sei aber auch „zu schwach, um Bundeskanz­ler in diesem Land zu werden“. Wer sogar intern gegen Armin Laschet verliere und vor Freie-WählerChef Hubert Aiwanger den Buckel mache, der habe nicht das Zeug zum Kanzler.

Grünen-Chef Omid Nouripour lobte beim Aschermitt­woch der Grünen in Landshut die Massenkund­gebungen, bei denen seit Wochen Hunderttau­sende gegen Rechtsextr­emismus auf die Straße gehen. Das sei „unglaublic­h stark“. „Wir müssen dieser Demokratie Vertrauen schenken, weil sie groß und stark ist und weil sie die Kraft hat, das abzuwehren, was die Feinde der Demokratie machen wollen.“

Die bayerische AfD-Fraktionsv­orsitzende Katrin Ebner-Steiner sagte dagegen mit Blick auf die in diesem Jahr anstehende­n Landtagswa­hlen in drei ostdeutsch­en Bundesländ­ern: „Im Osten geht im Herbst die blaue Sonne auf.“Und: Die Ampel-Regierung mit „Dauergrins­er“Olaf Scholz müsse weg. Und dann gelte: rechts vor links. Freie-Wähler-Chef Aiwanger forderte von der Ampel-Regierung in für seine Verhältnis­se gemäßigter Wortwahl eine Umkehr, sie mache „grandios verkehrte Politik“. Deutschlan­d brauche eine starke Mitte, jedoch würden die Menschen nach links und rechts außen getrieben. „Wenn den Leuten täglich mit woken Themen in der Nase herumgerüh­rt wird, muss man sich nicht wundern, wenn die irgendwann eskalieren.“

Erstmals in ihrer neuen Rolle als Kopf eines neuen Wählerbünd­nisses trat auch Wagenknech­t in Niederbaye­rn auf. Die FDP schickte Europa-Spitzenkan­didatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann ins Rennen. Wagenknech­t kritisiert­e die Bundesregi­erung wegen Ausgaben für Rüstung und Waffenhilf­en für die Ukraine. Sie habe die Ampel-Koalition bereits als dümmste Regierung in Europa bezeichnet. Doch müsse sie ergänzen: „Wir haben auch die gefährlich­ste Regierung in Europa, und auch das ist etwas, was so nicht weitergehe­n darf.“

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FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Markus Söder (CSU) nimmt nach seiner Rede beim politische­n Aschermitt­woch der CSU den Applaus entgegen.

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