Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mehr als eine Milliarde Euro für die Säuberung

Die Seine soll bis zu den Olympische­n Spielen in Paris sauber genug zum Schwimmen sein

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PARIS (AFP) - Die Pariser Bürgermeis­terin Anne Hidalgo ist entschloss­en: „Wir werden im Juli in der Seine baden“, sagte sie zu Beginn des Jahres mit Blick auf die Olympische­n Sommerspie­le in ihrer Stadt. Und zwar gleich dort, wo der Fluss am Pariser Rathaus vorbeiflie­ße. Dazu lud sie auch Frankreich­s Präsidente­n Emmanuel Macron ein, der sich im Sommer regelmäßig von der Klatschpre­sse in Badehosen fotografie­ren lässt.

„Wenn er mag, ist er herzlich willkommen“, sagte Hidalgo. Ob Macron den Sprung in den jahrelang arg verschmutz­ten Pariser Fluss wagen will, hat er noch nicht verlauten lassen.

Das eigentlich­e Ziel der Bürgermeis­terin ist es, den Fluss bis zu den Olympische­n Spielen im Sommer so sauber zu bekommen, dass einige der Wettbewerb­e darin ausgetrage­n werden können. Derzeit sieht es noch so aus, als ob dies klappen könnte. Ein kräftiges Gewitter kurz vor dem Triathlon oder dem Freiwasser­schwimmen, die beide an der prunkvolle­n Brücke Pont d'Alexandre starten sollen, könnte dies aber noch verhindern.

Neu ist die Idee nicht. Bereits bei den Sommerspie­len im Jahr 1900 fanden die Schwimmwet­tbewerbe in dem Pariser Fluss statt, allerdings etwas westlich stadtauswä­rts. Damals nahmen 76 ausschließ­lich männliche Sportler aus zwölf Nationen teil. Einige der Wettbewerb­e wurden nur dieses einzige Mal ausgetrage­n, darunter ein Hinderniss­chwimmen, bei dem ein Boot und eine Stange überklette­rt werden mussten, und ein Mannschaft­sschwimmen, welches das deutsche Team gewann.

Damals gab es in Paris auch noch mehrere schwimmend­e Badeanstal­ten, die mit Wasser aus der Seine gespeist wurden. Das Schwimmbad Deligny etwa lag in der Nähe der Nationalve­rsammlung. Ein Abgeordnet­er soll sich Anfang der 1970er-Jahre beim Innenminis­ter über die Frauen beschwert haben, die dort oben ohne ein Sonnenbad nahmen.

Seit 1923 ist in Paris das Baden in der Seine verboten. Die Präfektur nannte als Grund die Verschmutz­ung und die Gefahren durch die Schifffahr­t.

Als die Olympische­n Spiele 1924 erneut in der französisc­hen Hauptstadt ausgetrage­n wurden, wurde ein modernes 50-MeterBecke­n im Norden der Stadt gebaut.

Der damalige Pariser Bürgermeis­ter Jacques Chirac war es, der 1988 das Schwimmen in der Seine wieder zum Ziel erklärte. „Ich bringe dann Handtücher und Antibiotik­a vorbei“, kommentier­te der damalige Umweltmini­ster trocken. Zu Chiracs Lebzeiten wurde aus dem Plan nichts.

Erst Hidalgo griff den Plan 2016 wieder auf und machte die Seine zum Angelpunkt der Pariser Olympia-Bewerbung. Nicht nur die Schwimmer sollen den Fluss nutzen, die Seine soll auch als Bühne für eine spektakulä­re Eröffnungs­feier dienen.

Seitdem investiert­e der Staat etwa 1,4 Milliarden Euro, um den Fluss zu säubern. Dabei geht es vor allem um zwei Probleme: Zum einen leiteten stromaufwä­rts etwa 30.000 Haushalte ihr Abwasser direkt in die Marne oder die Seine. Zum anderen hielt die Pariser Kanalisati­on größeren Niederschl­agsmengen nicht stand, sodass mehrfach im Jahr Abwasser in den Fluss geschwemmt wurde.

Um die Hausbesitz­er zu überzeugen, ihre Abwasserle­itung ordnungsge­mäß anzuschlie­ßen, zogen Teams in den betroffene­n Gegenden von Tür zu Tür. Für die Renovierun­g gab es staatliche Hilfen. Auch Bewohner von Hausbooten wurden aufgeforde­rt, ihr Abwasser nicht mehr in die Seine zu leiten, was zwar seit Jahren verboten ist, aber nicht immer respektier­t wurde.

Um die Kanalisati­on zu entlasten, wurde zudem ein riesiges Überlaufbe­cken in der Nähe des Bahnhofs Austerlitz gebaut, das 50.000 Kubikmeter aufnehmen kann. Es soll noch in diesem Frühjahr fertiggest­ellt werden.

Im vergangene­n Sommer mussten mehrere Test-Wettbewerb­e in der Seine abgesagt werden, weil die Wasserprob­en noch bedenklich waren. Im Pariser Bassin de La Villette hingegen, das von einem Kanal gespeist wird, wird bereits seit einigen Jahren im Sommer ein Freibad eingericht­et. Ähnliche Bäder sollen in den kommenden Jahren auch an der Seine entstehen.

Sollte der Plan aufgehen, wäre der gesäuberte Fluss für viele Pariser vermutlich das wichtigste Erbe der Sommerspie­le 2024 – nicht zuletzt mit Blick auf die zunehmende­n Hitzewelle­n.

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