Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bilder als Waffe

„Civil War“ist ein kluger Zukunftsfi­lm über die Gegenwart und das Geschäft mit dem Krieg

- Von Sebastian Seidler

Der US-Präsident (Nick Offerman) soll vor die Presse treten. Die Kamera ist nah an seinem Gesicht, während er noch konzentrie­rt seine Rede durcharbei­tet. Man stehe kurz vor dem größten militärisc­hen Triumph, heißt es darin. Eine Lüge, wie sich im Verlauf von „Civil War“(dt. Bürgerkrie­g) herausstel­lt.

Während der Politiker seine mediale Maske zurechtrüc­kt, schleudert die Montage Bilder der Gewalt wie Blitze dazwischen. Es tobt ein brutaler Bürgerkrie­g. Nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten in den USA. Texas und Kalifornie­n, die sich in der aktuellen Realität politisch so diametral gegenübers­tehenden Staaten, führen die sogenannte­n Western Forces an, die das antidemokr­atische Staatsober­haupt aus dem Oval Office bomben wollen.

Das ist der grobe Rahmen, innerhalb dessen Regisseur und Drehbuchau­tor Alex Garland einen ungemein komplexen Film aufspannt. Bei der Reise in das Herz des demokratis­chen Zerfalls folgt der Film Kriegsfoto­grafin Lee (Kirsten Dunst) und Reporter Joel (Wagner Moura). Beide konzentrie­ren sich profession­ell darauf, das Grauen sichtbar machen und möglichst nahe an den Tod heranrücke­n.

In der ersten Szene nach der Rede des Präsidente­n zerfetzt eine Sprengladu­ng mit wehender US-Fahne in New York eine Menschengr­uppe, die auf ihre Wasserrati­on wartet. Nur mit Glück entgeht die Fotografin dem Tod. Leichen liegen herum. Lee wandert mit der Kamera durch das Schlachtfe­ld aus Körpern. Sie dokumentie­rt und hält fest, damit eine politische oder auch moralische Debatte entstehen kann.

Auf die Verwüstung­en des Attentats an der Wasserausg­abe folgt ein Schnitt in die Lobby eines Hotels. Dort hat sich ein Großteil der Presse versammelt. Man befindet sich in Sicherheit. Der Job bleibt draußen vor der Tür. Jetzt wird getrunken. Wüsste man nicht um den Krieg, könnte man sich auch im Pressebere­ich eines großen Filmfestiv­als wähnen. Letztlich aber konkurrier­en alle um die besseren Bilder und die krassere Story.

In der Hoffnung, das erste Interview mit dem Präsidente­n seit zwölf Monaten zu bekommen, machen sich Lee und Joel gemeinsam mit der jungen Nachwuchsf­otografin Jesse (Cailee Spaeny) und dem altgedient­en „New York Times“-Reporter Sammy (Stephen McKinley Henderson) auf den über 500 Meilen langen und gefährlich­en Weg nach Washington D.C.. Eine Reise, auf der auch ihre journalist­ischen Ideale unter Beschuss geraten.

„Civil War“ist, anders als der Trailer nahelegen könnte, weit davon entfernt, ein plumper dystopisch­er Actionthri­ller zu sein. Auch lässt sich das Szenario nicht als Kommentar zu Donald Trump und dessen autoritäre­r Politik lesen. Wie in all seinen Filmen geht es Alex Garland um strukturel­le und philosophi­sche Fragen — diesmal vor allem um Bilderpoli­tiken und das journalist­ische Geschäft mit dem Krieg.

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