Schwäbische Zeitung (Tettnang)
So ändert sich 2025 die Einkommensteuer
Millionen Arbeitnehmer und Pensionäre betroffen – Weniger Nettogehalt für manche Gutverdiener
RAVENSBURG - Fairer, einfacher, gerechter: So begründet die AmpelRegierung die geplante, radikale Änderrung der Einkommensteuer im kommenden Jahr. Die von vielen Ehepaaren genutzten Steuerklassen 3 und 5 werden bekanntlich abgeschafft. Stattdessen greift Steuerklasse 4/1 für beide Eheleute. Das betrifft vor allem Paare mit unterschiedlich hohen Gehältern, die bisher das Steuerklassensplitting 3 und 5 nutzen. Dabei wird der Gutverdiener nach Steuerklasse 3 besteuert, der Geringverdiener nach Steuerklasse 5.
Die Regierung verspricht, dass nach der Steuerreform kein Ehepaar beziehungsweise keine eingetragene Lebenspartnerschaft finanziell schlechter gestellt wird. Aber stimmt das auch? Und was ist mit Ruheständlern, die eine monatliche Pension beziehen?
Die „Schwäbische Zeitung“hat nun die brennenden Fragen an den Bund der Steuerzahler gerichtet. Erstens: Kann es sein, dass ein Ehepaar in den Steuerklassen 4/1 ein geringeres Monatseinkommen zur Verfügung hat? Antwort: „Wegen der Vielzahl möglicher Konstellationen und Einzelfälle ist das nicht auszuschließen.“
Und weiter, zweite Frage: Werden auch Pensionäre in der neuen Steuerklasse 4/1 veranlagt? Antwort: „Unseres Wissens sehen die Überlegungen vor, alle zusammenveranlagten Paare in das Faktorverfahren mit den Steuerklassen 4/1, 4/1 zu integrieren, also auch verheiratete Pensionäre.“
Im Bundesfinanzministerium wird dieser Tage an einem Gesetzentwurf mit konkreten Zahlen gearbeitet. Laut den Berechnungen vom Bund der Steuerzahler könnte im neuen Faktorverfahren beispielsweise der folgende Fall eintreten: Ein Mann verdient monatlich 5000 Euro brutto. Seine Ehefrau 2000 Euro brutto. In Steuerklasse 3 hat der Mann monatliche Abzüge von 1532 Euro. In Steuerklasse 4/1 sind es 1940 Euro – also monatlich satte 408 Euro mehr!
Die Frau hatte in Steuerklasse 5 monatliche Abzüge von 769 Euro, in Steuerklasse 4/1 nur 536 Euro. Ihr bleiben nach der Gesetzesänderung monatlich 233 Euro mehr. Zusammen hat das Ehepaar nach der Steuerreform also 175 Euro monatlich weniger zur Verfügung.
Andererseits: Ehepaare mit jeweils 2000 Euro Brutto-Monatseinkommen hätten nach der Reform 108 Euro monatlich mehr.
Die Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger (Grüne) aus Ravensburg hält das für sinnvoll. Sie sagt auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“: „In einer Ehe, in der beide Partner unterschiedlich verdienen, sorgt das bisherige System der Klassen 3 und 5 dafür, dass der Ehepartner mit dem geringeren Gehalt mit überproportional hohen Abzügen belegt wird, während der Partner, der mehr Gehalt verdient, in der Konsequenz einen deutlichen höheren Nettolohn erhält, weil bei diesem der Lohnsteuerabzug gemindert wird. In vielen Fällen kommt es durch diese Minderung der Steuerlast dann aber im nächsten Jahr zu Nachzahlungen, wenn mit der Abgabe der Steuererklärung die echte Steuerlast berechnet wird.“
Brugger teilt weiter mit: „In den meisten Fällen trifft dieser proportional höherer Lohnsteuerabzug Frauen, weil sie im Schnitt weniger bezahlt arbeiten, einen größeren Teil im Bereich der Erziehung und Pflege leisten und es nach wie vor eine Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern gibt. Mit dem neuen Verfahren wird eine Hürde für eine größere Erwerbsbeteiligung von Frauen abgebaut und wir sorgen für mehr Gerechtigkeit.“
Fakt ist: Trotz der Änderungen bei den monatlichen Bezügen haben Ehepaare weiter die Möglichkeit, sich über die gemeinsame Steuererklärung Geld vom Staat zurückzuholen. Der Bund der Steuerzahler schreibt dazu: „Das neue Faktorverfahren ändert nichts an der Gesamtsteuerlast eines Paares für das Gesamtjahr. Die Steuerklassenwahl beeinflusst lediglich die Höhe der monatlichen Steuer-Abschlagszahlungen, aber nicht die Höhe der Jahressteuer, die sich nach der Einkommensteuerveranlagung letztlich ergibt.“
Trotzdem: Manche Paare haben nach der Reform monatlich weniger Geld zur Verfügung. Auch manche Ruheständler, bei denen die Pension deutlich höher ausfällt als die Rente der Frau. Wie sich die Abzüge konkret gestalten, stimmen Bund und Länder
in den kommenden Monaten ab. Ebenso die Ausgestaltung der künftigen Steuerfreibeträge. Danach müssen Software und IT in den Finanzämtern angepasst werden. Greifen könnte das neue Gesetz nach einer Übergangszeit möglicherweise Ende 2025.
Der Ravensburger Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser (FDP) sagt auf Anfrage: „Im Koalitionsvertrag hatten wir 2021 vereinbart, die Kombination aus den Steuerklassen 3 und 5 in das Faktorverfahren der Steuerklasse 4/1 als Standard zu überführen. Es ist keine Steuererhöhung und keine Mehrbelastung durch die Hintertür, sondern wir sorgen für mehr Gerechtigkeit.“
Grundsätzlich erhofft sich die Bundesregierung, dass nach der Reform mehr Frauen in Vollzeit arbeiten – weil netto mehr Geld von ihrem Gehalt bleibt.