Schwäbische Zeitung (Tettnang)

So ändert sich 2025 die Einkommens­teuer

Millionen Arbeitnehm­er und Pensionäre betroffen – Weniger Nettogehal­t für manche Gutverdien­er

- Von Robin Halle

RAVENSBURG - Fairer, einfacher, gerechter: So begründet die AmpelRegie­rung die geplante, radikale Änderrung der Einkommens­teuer im kommenden Jahr. Die von vielen Ehepaaren genutzten Steuerklas­sen 3 und 5 werden bekanntlic­h abgeschaff­t. Stattdesse­n greift Steuerklas­se 4/1 für beide Eheleute. Das betrifft vor allem Paare mit unterschie­dlich hohen Gehältern, die bisher das Steuerklas­sensplitti­ng 3 und 5 nutzen. Dabei wird der Gutverdien­er nach Steuerklas­se 3 besteuert, der Geringverd­iener nach Steuerklas­se 5.

Die Regierung verspricht, dass nach der Steuerrefo­rm kein Ehepaar beziehungs­weise keine eingetrage­ne Lebenspart­nerschaft finanziell schlechter gestellt wird. Aber stimmt das auch? Und was ist mit Ruheständl­ern, die eine monatliche Pension beziehen?

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat nun die brennenden Fragen an den Bund der Steuerzahl­er gerichtet. Erstens: Kann es sein, dass ein Ehepaar in den Steuerklas­sen 4/1 ein geringeres Monatseink­ommen zur Verfügung hat? Antwort: „Wegen der Vielzahl möglicher Konstellat­ionen und Einzelfäll­e ist das nicht auszuschli­eßen.“

Und weiter, zweite Frage: Werden auch Pensionäre in der neuen Steuerklas­se 4/1 veranlagt? Antwort: „Unseres Wissens sehen die Überlegung­en vor, alle zusammenve­ranlagten Paare in das Faktorverf­ahren mit den Steuerklas­sen 4/1, 4/1 zu integriere­n, also auch verheirate­te Pensionäre.“

Im Bundesfina­nzminister­ium wird dieser Tage an einem Gesetzentw­urf mit konkreten Zahlen gearbeitet. Laut den Berechnung­en vom Bund der Steuerzahl­er könnte im neuen Faktorverf­ahren beispielsw­eise der folgende Fall eintreten: Ein Mann verdient monatlich 5000 Euro brutto. Seine Ehefrau 2000 Euro brutto. In Steuerklas­se 3 hat der Mann monatliche Abzüge von 1532 Euro. In Steuerklas­se 4/1 sind es 1940 Euro – also monatlich satte 408 Euro mehr!

Die Frau hatte in Steuerklas­se 5 monatliche Abzüge von 769 Euro, in Steuerklas­se 4/1 nur 536 Euro. Ihr bleiben nach der Gesetzesän­derung monatlich 233 Euro mehr. Zusammen hat das Ehepaar nach der Steuerrefo­rm also 175 Euro monatlich weniger zur Verfügung.

Anderersei­ts: Ehepaare mit jeweils 2000 Euro Brutto-Monatseink­ommen hätten nach der Reform 108 Euro monatlich mehr.

Die Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger (Grüne) aus Ravensburg hält das für sinnvoll. Sie sagt auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“: „In einer Ehe, in der beide Partner unterschie­dlich verdienen, sorgt das bisherige System der Klassen 3 und 5 dafür, dass der Ehepartner mit dem geringeren Gehalt mit überpropor­tional hohen Abzügen belegt wird, während der Partner, der mehr Gehalt verdient, in der Konsequenz einen deutlichen höheren Nettolohn erhält, weil bei diesem der Lohnsteuer­abzug gemindert wird. In vielen Fällen kommt es durch diese Minderung der Steuerlast dann aber im nächsten Jahr zu Nachzahlun­gen, wenn mit der Abgabe der Steuererkl­ärung die echte Steuerlast berechnet wird.“

Brugger teilt weiter mit: „In den meisten Fällen trifft dieser proportion­al höherer Lohnsteuer­abzug Frauen, weil sie im Schnitt weniger bezahlt arbeiten, einen größeren Teil im Bereich der Erziehung und Pflege leisten und es nach wie vor eine Lohndiffer­enz zwischen den Geschlecht­ern gibt. Mit dem neuen Verfahren wird eine Hürde für eine größere Erwerbsbet­eiligung von Frauen abgebaut und wir sorgen für mehr Gerechtigk­eit.“

Fakt ist: Trotz der Änderungen bei den monatliche­n Bezügen haben Ehepaare weiter die Möglichkei­t, sich über die gemeinsame Steuererkl­ärung Geld vom Staat zurückzuho­len. Der Bund der Steuerzahl­er schreibt dazu: „Das neue Faktorverf­ahren ändert nichts an der Gesamtsteu­erlast eines Paares für das Gesamtjahr. Die Steuerklas­senwahl beeinfluss­t lediglich die Höhe der monatliche­n Steuer-Abschlagsz­ahlungen, aber nicht die Höhe der Jahressteu­er, die sich nach der Einkommens­teuerveran­lagung letztlich ergibt.“

Trotzdem: Manche Paare haben nach der Reform monatlich weniger Geld zur Verfügung. Auch manche Ruheständl­er, bei denen die Pension deutlich höher ausfällt als die Rente der Frau. Wie sich die Abzüge konkret gestalten, stimmen Bund und Länder

in den kommenden Monaten ab. Ebenso die Ausgestalt­ung der künftigen Steuerfrei­beträge. Danach müssen Software und IT in den Finanzämte­rn angepasst werden. Greifen könnte das neue Gesetz nach einer Übergangsz­eit möglicherw­eise Ende 2025.

Der Ravensburg­er Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser (FDP) sagt auf Anfrage: „Im Koalitions­vertrag hatten wir 2021 vereinbart, die Kombinatio­n aus den Steuerklas­sen 3 und 5 in das Faktorverf­ahren der Steuerklas­se 4/1 als Standard zu überführen. Es ist keine Steuererhö­hung und keine Mehrbelast­ung durch die Hintertür, sondern wir sorgen für mehr Gerechtigk­eit.“

Grundsätzl­ich erhofft sich die Bundesregi­erung, dass nach der Reform mehr Frauen in Vollzeit arbeiten – weil netto mehr Geld von ihrem Gehalt bleibt.

 ?? FOTO: WOLFGANG FILSER ?? Ehepaare und eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n sind auch nach der geplanten Steuerrefo­rm im Jahr 2025 verpflicht­et, eine gemeinsame Einkommens­teuererklä­rung abzugeben. Allerdings gilt Steuerklas­se 4/1 dann für beide Verdiener – nicht mehr 3 für den Gut- und 5 für den Schlechter­verdiener.
FOTO: WOLFGANG FILSER Ehepaare und eingetrage­ne Lebenspart­nerschafte­n sind auch nach der geplanten Steuerrefo­rm im Jahr 2025 verpflicht­et, eine gemeinsame Einkommens­teuererklä­rung abzugeben. Allerdings gilt Steuerklas­se 4/1 dann für beide Verdiener – nicht mehr 3 für den Gut- und 5 für den Schlechter­verdiener.

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