Schwäbische Zeitung (Tettnang)
VGH will Ernennung des Beigeordneten aufheben
Mitbewerber hatte gegen Ernennung von Gerd Schwarz geklagt – Stadt kann Revision einlegen
TETTNANG - Seit Dezember 2020 hat Tettnang einen Beigeordneten als hauptamtlichen Bürgermeister-Stellvertreter. Nun hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Ernennung von Gerd Schwarz zum Beigeordneten jedoch für ungültig erklärt. Ein damaliger Mitbewerber, der bei der Wahl unterlegen war, hatte geklagt – und war damit nun vor dem VGH erfolgreich. Die Stadt hat jedoch noch die Möglichkeit, Revision einzulegen – und will davon auch Gebrauch machen.
Die Ernennung des Beigeordneten der Stadt Tettnang sei mit Urteil vom 23. April 2024 aufgehoben, das teilt der VGH in einer aktuellen Pressemitteilung mit. Gerd Schwarz, der zuvor Hauptamtsleiter in Tettnang war, war am 16. Dezember 2020 mit klarer Mehrheit vom Gemeinderat zum ersten Beigeordneten gewählt worden.
Für das Amt beworben hatten sich ursprünglich fünf Kandidaten. In einer Sondersitzung hatte der Gemeinderat vorab bereits drei Favoriten gewählt, die sich dann in der öffentlichen Sitzung, in der die Wahl stattfand, persönlich vorstellten. Schwarz hatte 15 von insgesamt 22 möglichen Stimmen erhalten. Der zweite Kandidat, Thomas Rosner, hatte sieben Stimmen für sich verbuchen können. Der dritte anwesende Kandidat sowie zwei weitere, nicht persönlich vorgestellte Bewerber (Lars Christensen und Jürgen Hillesheim) waren ohne Stimmen geblieben.
Aus den Reihen der Mitbewerber hat es nun eine Klage gegen die Ernennung von Gerd Schwarz gegeben, die sich auf eine Verletzung des sogenannten Bewerbungsverfahrensanspruchs bezog. Nachdem das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Klage zunächst abgewiesen hatte, urteilte der VGH nun zugunsten des Klägers. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, auch eine Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.
Aus einer Erläuterung des VGH zum rechtlichen Hintergrund lassen sich jedoch Hinweise zu einer möglichen Urteilsbegründung ablesen. Demnach könnte die Entscheidung des VGH unter anderem mit der Zeitspanne zwischen der Wahl und der Ernennung von Gerd Schwarz zusammenhängen. Der ehemalige Bürgermeister Bruno Walter hatte Schwarz direkt am Tag nach der Wahl, am 17. Dezember 2020, zum Beigeordneten ernannt.
Demnach leitet sich aus dem Grundgesetz ein sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch ab – inwieweit dieser jedoch auch bei kommunalen Ämtern wie dem eines Beigeordneten besteht, sei laut VGH „nicht abschließend rechtlich geklärt“.
Rechnung zu tragen sei diesem Anspruch allerdings dadurch, „dass mit der Ernennung eines Beamten solange zugewartet wird, dass der unterlegene Konkurrent Gelegenheit hat, gerichtlichen Eilrechtschutz gegen die bevorstehende Ernennung in Anspruch zu nehmen. Wird dies durch zügige Ernennung des ausgewählten Beamten vereitelt, kann aber auch eine erfolgte Ernennung noch gerichtlich angegriffen werden.“
Sprich, weil die Ernennung des Beigeordneten direkt am nächsten Tag nach der Wahl stattfand, könnte dadurch besagter Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt worden sein. „Wir als Stadt sind von der Entscheidung, die Ernennung nach 3,5 Jahren aufzuheben, sehr überrascht worden“, so Bürgermeisterin Regine Rist auf SZ-Nachfrage. Eine abschließende Beurteilung könne die Verwaltung jedoch erst vornehmen, wenn die Urteilsbegründung vorliege.
Sobald das Urteil vollständig vorliegt, hat die Stadt einen Monat lang Zeit, Revision einzulegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Bürgermeisterin Rist begründet die zügige Ernennung von Schwarz so, dass die Stadt damals davon ausgegangen sei, dass die Auswahl eines Beigeordneten dem Gemeinderat als Hauptorgan unterliege. Entsprechend sei die Entscheidung des Gemeinderats bindend gewesen und am Tag nach der Wahl bereits vollzogen worden. Möglich war dies wohl auch, weil Gerd Schwarz bereits vor Ort tätig war. „Wenn die Wahl auf einen anderen Bewerber gefallen wäre, wäre der Ernennungszeitpunkt von seiner bisherigen Tätigkeit, das heißt von der zeitlichen Verfügbarkeit abhängig gewesen“, äußert Rist weiter.
Die Amtszeit des Beigeordneten dauert acht Jahre. Nach seiner Wahl hatte Gerd Schwarz die Bereiche Verwaltungsmanagement, Personal, Kultur, Familie, Bildung und Betreuung sowie den gesamten Finanzbereich übernommen. Darüber hinaus ist der Beigeordnete der hauptamtliche Stellvertreter der Bürgermeisterin und repräsentiert die Stadt nach außen.