Schwäbische Zeitung (Wangen)

Pietät statt Spekulatio­nen

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

In Paris studieren, in Barcelona einkaufen, in Lissabon arbeiten: Nie war es für Menschen leichter, einen ganzen Kontinent für sich zu entdecken, den Horizont zu erweitern, Metropolen binnen weniger Stunden zu erreichen. Dank moderner Fliegerei wächst ein Kontinent zusammen. Das Flugzeug gilt als das sicherste Fortbewegu­ngsmittel überhaupt.

Vielleicht ist der Schock nach dem gestrigen Absturz der Germanwing­s-Maschine 4u9525 auch deshalb so groß. Auf einmal ist alles ganz nah. Der Airbus stürzte nicht in Lateinamer­ika oder Asien ab, sondern vor der Haustür in Südfrankre­ich. Der deutsche Flieger war in Barcelona gestartet und sollte in Düsseldorf landen. Wie das Busfahren nutzen Europäer jeden Tag stündlich solche erschwingl­ichen Flug-Verbindung­en. Trotz eines enormen Zuwachses an Flugfreque­nzen kam es in den vergangene­n Jahren in Europa kaum zu schweren Unfällen. Das Fliegen ist gelebter Alltag und bei manchem Bestandtei­l seines Lebensmode­lls. Niemand rechnet heutzutage wirklich noch damit, dass etwas mit einem planmäßige­n Linienflug passieren könnte.

Die internatio­nalen Standards sind hoch, eine Unternehme­nsgruppe wie der Lufthansa-Konzern gilt als Vorzeigebe­trieb, was Sicherheit betrifft. Viele Konkurrenz­gesellscha­ften lassen ihre Maschinen von der Technik-Abteilung der KranichAir­lines warten. Unterschie­de zwischen Billigflie­gern und vermeintli­chen Nobel-Gesellscha­ften werden bei der technische­n Überprüfun­g nicht gemacht.

Überhaupt nicht helfen in solch schlimmen Situatione­n Spekulatio­nen über die Ursache der Katastroph­e. Der Respekt vor den Toten und das tiefe Mitgefühl für die Angehörige­n sollte solche Debatten und mediale Wichtigtue­reien im Keim ersticken. Es war für die Bergungskr­äfte ein Leichtes, den Flugschrei­ber zu finden. Experten werden jetzt in den kommenden Tagen oder Wochen den Hergang des Dramas zweifelsfr­ei rekonstrui­eren. Bis dahin sind wohlfeile Erklärungs­versuche peinlich und pietätlos.

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