NTW-Beschäftigte kämpfen um ihre Jobs
80 Mitarbeiter der Neuen Textilveredelung demonstrieren auf dem Marktplatz.
WANGEN - Die Beschäftigten der Neuen Textilveredelung Wangen (NTW) haben den Kampf um ihre Arbeitsplätze noch nicht aufgegeben. Rund 80 Mitarbeiter des sich in der vorläufigen Insolvenz befindlichen Traditionsbetriebs demonstrierten Dienstagmittag vor dem Rathaus für den Erhalt ihrer Jobs. Doch die Hoffnung, dass sich die Unternehmenspleite noch abwenden lässt, schwindet mit jedem Tag mehr.
Kurz nach dem Mittagsglockenschlag von St. Martin wird es laut auf dem Marktplatz. Ausgerüstet mit Gewerkschaftsfahnen, Trillerpfeifen und Spruchbändern marschieren rund 80 Beschäftigte der Neuen Textilveredelung Wangen durchs Ratloch und dann vors Rathaus. Dort ist ein Rednerpult samt Mikrofon bereits aufgebaut. „Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir nicht mehr stillhalten können“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Salvatore Arcuri und klagt den NTW-Geschäftsführer an: „Herr Otto, halten Sie sich an Ihr Versprechen und Ihre Zusagen. Oder ist Ihr Wort nichts mehr wert?“
„Alleingang von Herrn Otto“
Sein Wort, dass es bei der NTW weitergeht und der Mutterkonzern HOS (Heinrich Otto Söhne) aus Wendlingen in den Standort Wangen investieren wird, soll Dirk Otto noch im vergangenen Dezember, auf der Weihnachtsfeier, gegeben haben. Was dann am 27. Januar folgte, war jedoch der für alle Beteiligten völlig überraschende Gang zum Ravensburger Amtsgericht: um die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen (die SZ berichtete ausführlich). „Das war ein Alleingang von Herrn Otto“, vermutet Arcuri. Und Robert Bäuerlein von der IG Metall Friedrichshafen-Oberschwaben setzte in seiner Ansprache noch einen drauf: „Dirk Otto sagt, dass ihm der Schritt in die vorläufige Insolvenz schwer gefallen ist, aber das glaube ich ihm nicht. Ich glaube, er hat die NTW bereits aufgegeben.“
Die harschen Worte konnte Dirk Otto nicht hören, er hielt sich zur glei- chen Zeit in der Ausrüstung 1 auf, wo die Neue Textilveredelung Wangen ihren Firmensitz hat. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass ich für die Leute jetzt der Buhmann bin“, so der Geschäftsführer später gegenüber der SZ. „Aber es gibt nichts, was ich mir vorwerfen könnte, unversucht gelassen zu haben, um den Standort Wangen zu retten.“
Über viele Jahre hinweg hätte die HOS zusammen mit der Stadt die NTW gestützt. Und obwohl, so Otto, bereits Ende 2014 das „Eis sehr, sehr dünn“und das letzte Jahr das bislang schlechteste gewesen sei, habe der Beirat im Dezember zunächst beschlossen, in den Standort nochmal zu investieren. Als über den Jahreswechsel jedoch die Auftragssituation schwierig gewesen sei und im Januar auch noch die Färberstraße durch einen Brand ausfiel, sei man, so drückt es Dirk Otto aus, zur Einsicht gelangt, dass „es finanziell für uns unmöglich ist, diese Investition alleine zu schultern“. Die Folge war der Schritt in die vorläufige Insolvenz und die Suche nach einem strategischen Partner.
Investorensuche bislang erfolglos
Die blieb bislang erfolglos. Es habe, laut Otto, durchaus Interessenten gegeben. Die hätten aber, abgeschreckt durch die Größe des Betriebs und den Investitionsstau, mittlerweile abgewinkt. „Wir haben uns da unheimlich ins Zeug gelegt“, so der Geschäftsführer. „Aber das ist letztlich auch ein Kampf gegen die betriebliche Infrastruktur.“Daran könne auch die derzeit gute Auftragslage nichts ändern. Die sei auch darauf zurückzuführen, dass die Produktion durch den Brand im Januar gestoppt war und die Kunden noch in der vorläufigen Insolvenz ordern würden.
Dies kann die Belegschaft jedoch nur schwer nachvollziehen. Der gute Auftragsbestand hänge auch mit der Umstellung auf neue Produktionsbereiche, wie beispielsweise den AfrikaDamast, zusammen. „Jetzt gibt es einen Aufbauplan, und man sieht die positive Entwicklung, die Richtung stimmt, und trotzdem kommt der für alle unverständliche Schritt in die Insolvenz“, so Robert Bäuerlein.
Den nächsten Schritt, um diese noch abzuwenden, wollen die Beschäftigten am Freitag tun. Um 9.30 Uhr steigen sie in den Bus nach Wendlingen, wo am Nachmittag der Beirat des HOS-Mutterkonzerns tagt. „Wir wollen noch einmal ein Zeichen setzen“, sagt Salvatore Arcuri. Auch in der Hoffnung, dass sich der HOSMitgesellschafter Armin Knauer weiterhin für den Standort Wangen stark macht. Die Hoffnung teilt OB Michael Lang. Der Wangener Rathauschef sicherte den NTW-Beschäftigten bei der Demo die bestmögliche Unterstützung zu. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt weiterhin am Kauf der Gewerbeflächen auf dem NTW-Areal interessiert sei. Die Rede ist von einem Wert der Fläche in Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Die Hoffnung, dass sich in den letzten Tagen der vorläufigen Insolvenz, also bis zum 31. März, doch noch ein Investor meldet, schwindet jedoch immer mehr. „Wir kämpfen bis zum Schluss weiter“, sagte der vorläufige Insolvenzverwalter Philipp Grub aus Stuttgart am Dienstag auf SZ-Anfrage. Zuversicht hört sich jedoch irgendwie anders an.
Betroffen wären 89 Beschäftigte
Sollte bis Ende März weder von Seiten eines Investors noch vom Mutterkonzern ein positives Zeichen kommen, will Grub ab April das Gespräch mit Betriebsrat und Gewerkschaft suchen. Dann dürfte es in erster Linie um Dinge wie Interessenausgleich, Sozialplan und in letzter Konsequenz auch um die Stilllegung des Traditionsbetriebs in der Ausrüstung 1 gehen. Betroffen wären nicht nur die insgesamt 89, auf dem Arbeitsmarkt größtenteils nur schwer vermittelbaren Mitarbeiter, sondern auch ihre Familien.