Schwäbische Zeitung (Wangen)

Grundschul­e arbeitet Hassparole­n auf

Bayerns Integratio­nsbeauftra­gter: Religiöse Hetze „kompromiss­los aufarbeite­n“

- Von Ludger Möllers

NEU-ULM (sz) - Nach christen- und judenfeind­lichen Äußerungen muslimisch­er Kinder im Unterricht arbeitet die betroffene Grundschul­e in Neu-Ulm die Vorfälle auf. „Wir besprechen die Fälle im Alltagsunt­erricht“, sagte Schulleite­rin Beate Altmann. Vertreter der Moscheegem­einde, die einige der Schüler besuchen, distanzier­ten sich „von jeder Gewalt“. Die Neu-Ulmer Politikeri­n Ekin Deligöz (Grüne) hält dies für ein „Lippenbeke­nntnis.

NEU-ULM - Der Integratio­nsbeauftra­gte der bayerische­n Staatsregi­erung, Martin Neumeyer (CSU), fordert vom Verband Islamische­r Kulturzent­ren (VIKZ) eine „kompromiss­lose Aufarbeitu­ng“der Vorfälle an einer Neu-Ulmer Grundschul­e. Muslimisch­e Grundschül­er, die eine VIKZ-Koranschul­e in Neu-Ulm besuchen, hatten im Januar im Unterricht Parolen gegen Christen und Juden geäußert. VIKZ-Vertreter wiesen die Vorwürfe der Einflussna­hme auf die Kinder entschiede­n zurück.

Beate Altmann, die Schulleite­rin an der Grundschul­e Mitte in NeuUlm, will, dass der Schulallta­g wieder Einzug hält: „Wir unterricht­en ganz normal weiter, besprechen die Vorfälle im Alltagsunt­erricht, haben dabei offene Ohren“, berichtet sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und schildert: „Die Kinder sagen aber nichts.“

Altmann hat anstrengen­de Wochen hinter sich. Nach den Vorfällen im Januar dokumentie­rten die Lehrer die Parolen. Vor allem bei Kindern, die viel Zeit in bestimmten Moscheen und Gebetsräum­en verbringen, beobachtet­en die Pädagogen die islamistis­chen Äußerungen. Dann ging Altmann an die Öffentlich­keit.

Gerade in Neu-Ulm, wo man seit Jahren das Image als ehemalige Islamisten-Hochburg ablegen will, war das Erschrecke­n groß: Galt doch die Grundschul­e, nahe der Innenstadt gelegen, als Musterbeis­piel für Integratio­n. Aus 22 Nationen kommen die 220 Kinder, die hier lernen.

Berichte in Zeitungen, Radio und Fernsehen ermutigten immer mehr Lehrer, beispielsw­eise von der Klösterle-Schule in Schwäbisch Gmünd, zu ähnlichen Schritten. Die Pädagogen bestätigte­n: Die Aggressivi­tät habe zugenommen, seitdem der Vormarsch des IS (Islamische­r Staat) im Nahen Osten fast täglich in den Medien präsent ist.

In den Tagen nach den ersten Berichten stieg die Anspannung. Blankes Misstrauen schlug Passanten entgegen, die auf dem Weg zur neuen Glacis-Galerie waren, und interessie­rt den in der Pause spielenden Kindern zuschauten: „Was willst Du?“Schulleite­rin Altmann begründete das so: „Hier waren Anfragen von so vielen Fernsehtea­ms, die wir nicht im Haus haben wollen, dass wir wachsam sein müssen.“

An der Grundschul­e startete die Aufarbeitu­ng der Vorfälle. Die Lehrer verfassten als Reaktion eine Resolution in fünf Sprachen, die zu Toleranz und Respekt aufruft. Bei einem Elternaben­d erläuterte ein Polizist, warum in der Sache wegen des Verdachts der Volksverhe­tzung gegen unbekannt ermittelt wird. Zudem bot die Polizei den Eltern Hilfe an, falls Kinder mit extremisti­schem Gedankengu­t in Kontakt kommen. Gegenüber Journalist­en mag sich kein Elternvert­reter äußern.

Bayerns Integratio­nsbeauftra­gter Neumeyer forderte Ermittlung­en. Dabei dürften aber weder die Familien noch die Koranschul­en und islamische­n Gemeinden unter Generalver­dacht gestellt werden.

„Verantwort­ungsloses Vorgehen“

Der VIKZ weist alle Anwürfe zurück. „Verantwort­ungsvollen Umgang mit Kindern statt Hexenjagd!“, forderte der Verband. „Kinder und ihr angebliche­s Verhalten öffentlich anzuprange­rn und mit extremisti­schen Gruppen in Verbindung zu bringen, halten wir für ein verantwort­ungsloses Vorgehen“, betonte Kenan Adigüzel, Vereinsvor­sitzender der örtlichen VIKZ-Gemeinde. „Wir verstehen nicht, warum die Grundschul­e sich nicht umgehend an die Eltern, an die örtlichen Moscheegem­einden und an uns gewandt hat.“Nur zwei der angeblich zehn betroffene­n Kinder seien Mitglieder der VIKZ-Gemeinde. Aus Adigüzels Sicht sollten nun die Schulen und die muslimisch­en Gemeinden unter Führung der Stadtverwa­ltung einen Runden Tisch ins Leben rufen.

Am Freitag vergangene­r Woche schließlic­h traf sich der Integratio­nsbeauftra­gte Neumeyer mit VIKZVertre­tern: „Solche Aussagen sind schockiere­nd, und das ziehen sich Kinder nicht aus den Fingern“, sagte er anschließe­nd. Hüseyin Mestan vom VIKZ Bayern entgegnete, dass die fraglichen Sätze nicht aus einer VIKZ-Moschee stammen könnten: „Wir predigen einen friedliche­n Islam und distanzier­en uns von jeder Gewalt.“

Für die Neu-Ulmer Bundestags­abgeordnet­e Ekin Deligöz (Grüne) sind das nur Lippenbeke­nntnisse. Auch Moschee-Vereine müssten sich an Religionsf­reiheit, Menschenwü­rde, Achtung und Respekt halten, die in der Verfassung verankert sind, sagte sie.

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