Schwäbische Zeitung (Wangen)

Näher, aber nicht nah gekommen

Tsipras’ zweiter Tag in Berlin – In der Unionsfrak­tion bleibt die Skepsis groß

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Griechenla­nds Regierungs­chef Alexis Tsipras hat seinen BerlinBesu­ch mit Gesprächen mit der Opposition und einem Besuch des Holocaust-Mahnmals fortgesetz­t. Am Abend zuvor hatte er bis Mitternach­t mit Merkel zusammen zu Abend gegessen – und Probleme gewälzt. Eine konkrete Reformlist­e legte Tsipras aber nicht auf den Tisch. Wirtschaft­sminister Sigmar Gabriel (SPD), der Tsipras am Nachmittag traf, zeigte sich trotzdem erleichter­t, dass das Verhältnis von Griechenla­nd und Deutschlan­d sich normalisie­re.

Von einem „Lebenspart­nerschafts-Abkommen“zwischen Merkel und Tsipras spricht eine Athener Zeitung nach dem Treffen der beiden Regierungs­chefs. Lebenspart­nerschaft, das klingt ungefähr so gefühlvoll wie Lebensabsc­hnittsgefä­hrte. In Berlin hört man sogar noch nüchterner­e Töne. „Jetzt muss auch mal geliefert werden“, sagt Unionsfrak­tionsgesch­äftsführer Michael Grosse-Brömer. „Ich hoffe, dass die griechisch­e Regierung den Worten auch Taten folgen lässt“, meint CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t.

Dass Tsipras bei seinem Antrittsbe­such bei Merkel kurz das Protokoll durchbrach und erst einmal die Grie- chenland-freundlich­en Demonstran­ten und Linken begrüßt hat, führt CSU-Landesgrup­penchefin Gerda Hasselfeld­t auf die „fehlende Erfahrung von dem, was sich gehört“zurück. Aber es sei nicht so schlimm, als dass sie sich daran stoßen würde.

Kauder lehnt Treffen ab

Den Wunsch nach besonderer Tuchfühlun­g mit Tsipras’ Regierung gibt es allerdings auch nicht. Das Angebot, dass ein Kabinettsm­inister von Tspiras mit den Fraktionss­pitzen der Großen Koalition, mit Volker Kau- der, Thomas Oppermann und Gerda Hasselfeld­t reden könnte, lehnte Kauder ab. Auch Hasselfeld­t findet es ausreichen­d, wenn Merkel mit ihm rede. „Ich kann mich auf die Bundeskanz­lerin verlassen.“

Tsipras, der im Marriott Hotel am Potsdamer Platz wohnt, hat am Tag zwei seines Berlin-Besuchs erst Außenminis­ter Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dann die Spitzen der Linken empfangen, Gregor Gysi und Katja Kipping. „Wir haben es nicht mit einem finanziell­en Problem, sondern mit einem politische­n Problem zu tun in Europa“, sagt Gysi. 18 Regierunge­n seien neoliberal und wollten den linken Kurs der Regierung Tsipras nicht. Wenn diese 18 Regierunge­n jetzt aber meinten, die neue Regierung in Athen müsste das gleiche machen wie die alte, dann ginge das nicht. Gysi empfindet die Regierung Tsipras sogar als „Glücksfall“, weil man jetzt über eine Wende der europäisch­en Politik reden müsse.

Hofreiter erwartet anderen Kurs

Auch Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter sieht die Notwendigk­eit, den Kurs zu ändern. „Wir sind jetzt seit fünf Jahren im Griechenla­ndRettungs­modus“, schimpft Hofreiter, und der Ökonomie in Griechenla­nd sei es Jahr für Jahr schlechter gegangen. Deshalb erwarte er von Merkel, dass sie nun erläutere, wie man das Programm so gestalten könne, dass es Menschen und Wirtschaft in Griechenla­nd wieder besser geht.

Genau das aber sieht die Unionsfrak­tion anders. Das Programm habe vorgelegen, Griechenla­nd sei geholfen worden, dieser Kurs habe in Ländern wie Irland oder Spanien bereits zum Erfolg geführt. Da sei es „weder frech noch oberlehrer­haft“, wenn man jetzt von Griechenla­nd Leistungen abfordere, so Grosse-Brömer. Milder im Ton, aber im Kern ähnlich sieht dies auch die SPD-Fraktion.

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FOTO: AFP Haben zusammen bis Mitternach­t Probleme gewälzt: Bundeskanz­lerin Angela Merkel und der griechisch­e Regierungs­chef Alexis Tsipras.

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