Terrorexport als neue IS-Strategie
er Islamische Staat (IS) ist überall. Die Terrormiliz will gleich mehrere verheerende Anschläge der vergangenen Woche verantwortet haben. 21 Tote bei einer Schießerei im tunesischen Nationalmuseum, 45 Tote bei zwei Bombenanschlägen in Nordsyrien und mindestens 137 Tote nach Selbstmordattentaten auf Moscheen im Jemen – das ist die Bilanz der „Ritter des Kalifats“, wie der IS die Angreifer nennt.
Die Miliz kämpft eigentlich im Irak und in Syrien. Im vergangenen Sommer hatte sie in Teilen der Länder ein „Kalifat“ausgerufen, ihr Anführer Abu Bakr al-Bagdadi lässt sich seither als „Kalif“anreden.
Doch das Kalifat bröckelt. Luftschläge der von den USA angeführten Allianz machen den Dschihadisten ein freies Bewegen in ihren Gebieten fast unmöglich. Koordinierte Angriffe der irakischen Armee und kurdischer Kämpfer schlagen den IS im Irak zurück. Beobachter berichten von Fahnenflüchtigen und schwindender Kampfesmoral.
Seit Anfang des Jahres hätten sich den Extremisten rund 120 Anhänger angeschlossen, erklärt die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. 2014 hatte die Terrormiliz noch rund 1200 neue Kämpfer pro Monat gezählt. Um die Verluste auszugleichen, soll die Terrormiliz nach Angaben von Beobachtern nun sogar Kindersoldaten rekrutieren.
Der IS scheint daher eine neue Strategie zu fahren. Mit Angriffen außerhalb des „Kalifats“wollen die Dschihadisten ihren Terror exportieren. Tatsächlich verrät der IS so seinen Gründungsmythos.
Utopie für Gotteskrieger
Al-Bagdadi schuf die Miliz aus einem irakischen Ableger des Terrornetzes al-Kaida. Doch statt mit Anschlägen wie denen auf das World Trade Center in New York Schrecken zu verbreiten, träumte al-Bagdadi von einem Terrorkampf, der einen tatsächlichen Staat hervorbringt: eine muslimische Utopie für Gotteskrieger aus aller Welt. Dafür waren al-Bagdadi auch brutalste Mittel recht – auch Enthauptungen und Verbrennungen.
Mit der Ausrufung seines Kalifats begeisterte al-Bagdadi Kämpfer, wie es al-Kaida lange nicht vermochte. Die Dschihadisten seien dort erfolgreich, wo Staaten der Zerfall droht, sagt der IS-Experte Behnam Said. Doch je mehr Kämpfer die Miliz begeistert, desto skrupelloser muss sie ihre Eroberungen behaupten. „Erhalten und Erweitern“ist die Doktrin alBagdadis für sein Staatsgebiet.
Der IS stellte zunächst mehr und mehr Horrorvideos ins Internet. Nun gründet er über sein Kalifat hinaus neue „Provinzen“– und wird so zu dem losen Netzwerk, wie al-Bagdadi es bei al-Kaida verachtete. In Ägypten und Libyen wurden bereits Ableger des IS ausgerufen, die Angriffe in Tunesien und im Jemen sollen die Illusion des Staates nun noch weiter ausbauen.
Forscher Aaron Zelin vom Washington Institute sieht in dem neuen Netzwerk eine größere Gefahr, als einst die al-Kaida. Das „Erhalten und Erweitern“des IS sei eine gefühlte Wirklichkeit. Aber die reiche, um Gotteskrieger in ihrem Fanatismus zu bestärken. (dpa)