Thyssen-Krupp trennt sich vom Erbe
Konzernumbau: Vorstandschef plant Verkauf von Immobilien, Jagdrevieren und Jet
ESSEN (dpa) - Aufräumen ohne Tabus bei Thyssen-Krupp: Im Zuge seines Umbaukurses beim Essener Traditionskonzern trennt sich Vorstandschef Heinrich Hiesinger radikal vom Erbe. Nachdem er das angeschlagene Unternehmen in den vergangenen Jahren zunächst wirtschaftlich stabilisiert hat und den 160 000 Beschäftigten eine neue auf Offenheit ausgerichtete Firmenkultur verordnete, geht es jetzt auch um die Symbole der Vergangenheit. Ob Immobilien, Firmenjet oder Jagdreviere – der Manager treibt nun die Trennung von manch lieb gewordenem Relikt des alten Konzerns voran.
Interessenten besichtigen Villa
Prominentestes Beispiel ist das ehemalige Wohnhaus des 2013 im Alter von 99 Jahren verstorbenen KruppPatriarchen Berthold Beitz. Die in den 50er-Jahren errichtete Villa im Essener Nobelvorort Bredeney stehe zum Verkauf und werde bereits von Interessenten besichtigt, berichtet eine Unternehmenssprecherin.
Der Konzern hat sich bereits von dem ehemaligen Wohnhaus von Bertha Krupp getrennt. Die rote Karte gab es auch für die firmeneigenen Jagden und den Privatjet. Auch für den noblen Kieler Jachtklub wird derzeit ein neuer Eigentümer gesucht.
Allein das ehemalige Beitz-Wohnhaus in bester Essener Wohnlage könnte mehrere Millionen Euro in die Konzernkasse spülen. Nach Berechnungen der „Bild-Zeitung“dürfte das rund drei Hektar große Grundstück oberhalb des Baldeneysees einen Wert von mindestens zehn Millionen Euro haben.
Die „WAZ“hatte zuvor Kreise aus der Immobilienbranche zitiert, nach denen man sich auch einen Abriss des nicht unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes und eine Nutzung des Grundstücks für den Bau exklusiver Wohnungen vorstellen könne.
„Wenn man das erhalten möchte, kann man das auch ohne Denkmalschutz“, sagte die Leiterin der Essener Denkmalpflege, Petra Beckers, zur Diskussion über einen Schutz des Gebäudes. Der Bau sei „nett, aber nichts Außergewöhnliches“. Jetzt, wo das Haus leer sei, erinnere nichts mehr an den ehemaligen Bewohner.
Der Industrielle, der in dem Haus ein lebenslanges Wohnrecht genossen hatte, hatte dort über Jahrzehnte hinweg gelebt und auch zahlreiche wichtige Persönlichkeiten empfan- gen. In der 2010 vorgelegten BeitzBiografie von Joachim Käppner heißt es, der einst moderne FlachdachBungalow sei nach den Vorgaben von Beitz errichtet worden, nachdem der damalige Krupp-Manager den Einzug in eine angebotene düstere Fabrikantenvilla abgelehnt habe.
Für Thyssen-Krupp hat das Gebäude keine Funktion mehr. Eine Sprecherin sagte, dass es ausschließlich privat genutzt worden sei. Das Gedenken an die Vergangenheit will Thyssen-Krupp anderswo wachhalten. „Ort der Erinnerung und des Gedenkens an Berthold Beitz und sein Wirken für den Konzern sind für ThyssenKrupp die Villa Hügel und das Stif- tungsgebäude“, heißt es. Bertold Beitz war Chef der Krupp-Stiftung, die ihren Sitz auf dem Gelände des KruppStammsitzes Villa Hügel hat.
Das Unternehmen hatte zuvor bereits das ehemalige Wohnhaus von Bertha Krupp verkauft. Die Tochter von Friedrich Alfred Krupp war in der Villa Hügel aufgewachsen und war später in das Gebäude in der Nähe des Hügelparks gezogen. Dort hatte sie bis zu ihrem Tod 1957 gelebt.
Geschäfte auf Jagd eingefädelt
Größtenteils abgeschlossen ist die Aufgabe der zahlreichen Jagdreviere des Konzerns. In Wirtschaftswunderzeiten fädelten die alten Firmenpatriarchen dort noch so manches Geschäft ein. In die heutige Wirtschaftswelt passen sie nicht hinein.
Schwerer allerdings tut sich der Konzern bislang mit dem geplanten Verkauf des Firmenjets. Dieses Überbleibsel aus besseren Tagen lässt sich heute kaum noch wirtschaftlich betreiben. Noch gibt es dafür kein passendes Gebot.
Auch der erst 2007 von ThyssenKrupp für 2,45 Millionen Euro gekaufte Kieler Jachtklub steht bereits wieder zum Verkauf. Zur Umwidmung des Gebäudes zum „Alfried KruppHaus“reisten damals neben dem Kieler Ehrenbürger Berthold Beitz auch der damalige ThyssenKrupp-Vorstandschef Ekkehard Schulz und der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme noch persönlich an.