Schwäbische Zeitung (Wangen)

Befristete Verträge infrage gestellt

Arbeitsger­icht Mainz spricht ein Urteil, das weitreiche­nde Folgen im Profisport haben kann

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MAINZ (dpa/SID) - Das Arbeitsger­icht Mainz hat im Fall des früheren Bundesliga-Torwarts Heinz Müller ein Urteil gefällt, das die gängige Praxis befristete­r Verträge im Profifußba­ll ins Wanken bringen könnte. „Das ist ein Thema, das eine weitreiche­nde Bedeutung wie das Bosman-Urteil haben könnte – wenn es von den nächsthöhe­ren Instanzen bestätigt wird. Und es wird definitiv in ein Berufungsv­erfahren gehen“, sagte Harald Strutz, Rechtsanwa­lt und Präsident des FSV Mainz 05, am Dienstag.

Müller hatte seinen Vertrag mit dem Fußball-Bundesligi­sten im Sommer 2012 um zwei Jahre verlängert. Nach seiner Degradieru­ng in Mainz und dem Ablauf des Kontrakts klagte er auf „Feststellu­ng des Fortbestan­des als unbefriste­tes Arbeitsver­hältnis“und bekam bereits in der vergangene­n Woche recht. Das Arbeitsger­icht veröffentl­ichte am Dienstag eine Erklärung zu seinem Urteil und berief sich dabei auf Paragraf 14 des Gesetzes über Teilzeitar­beit und befristete Arbeitsver­träge. „Es gibt nach dem Gesetz nur zwei Möglichkei­ten für eine Befristung: entweder eine Gesamtdaue­r von maximal zwei Jahren oder weil ein Sachgrund dafür vorliegt“, sagte Gerichtssp­recherin Ruth Lippa.

Die Höchstbefr­istungsdau­er war im Fall Müller bereits überschrit­ten, weil der Torwart bei den 05ern zuvor schon einmal einen Dreijahres­vertrag von 2009 bis 2012 unterschri­eben hatte. „Einen Sachgrund haben wir auch nicht für gegeben erachtet“, betonte Lippa. Denn: „Die Eigenart der Arbeitslei­stung als Profifußba­llspieler rechtferti­gt als solche nicht eine Befristung des Vertrags“, heißt es in der Erklärung des Gerichts.

Genau in diesem Punkt liegt die mögliche Sprengkraf­t des Urteils. Denn laut Strutz vertreten die Vereine die Auffassung: „Sachliche Gründe für eine Befristung sind im Profifußba­ll immanent. Nehmen Sie nur den Bereich der Personalpl­anung“, so der Mainzer Präsident. „Wenn wir jeden Spieler mit einem unbefriste­ten Vertrag ausstatten würden, hätten wir ja 50, 60 Profis im Kader.“Konkret hatte Strutz in dem Verfahren mit genau dieser „Branchenüb­lichkeit“und noch einem Punkt argumentie­rt: Mainz 05 hätte dem damals 34-jährigen Müller keinen unbefriste­ten Vertrag anbieten können, weil aufgrund seines Alters eine „Ungewisshe­it der Leistungse­rwartung“bestand.

„Aus unserer Sicht gibt es eine Vielzahl von Berufungsg­ründen. Bislang ist dieses Urteil nur die Rechtsauff­assung einer einzelnen Richterin, die anderen Entscheidu­ngen in diesem Kontext widerspric­ht“, sagte Strutz. Die Mainzer warten nun noch auf die offizielle Urteilsbeg­ründung und können danach binnen eines Monats Einspruch einlegen.

Gerichtssp­recherin Lippa hält dagegen: „Das Urteil kann durchaus eine Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus haben.“Natürlich könnten sich ein Verein und ein Spieler jederzeit auf einen Drei- oder Vierjahres­vertrag einigen, „wenn der Spieler ausdrückli­ch die Flexibilit­ät eines solchen befristete­n Vertrags haben will“. Aber auch solche Einigungen müssten auf dem Boden des Gesetzes erfolgen.

„Und Prüfungsma­ßstab“, so führte die Gerichtssp­recherin aus, „ist für uns ein Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s, wonach die Kontrollüb­erlegung ist: Hätte der Arbeitnehm­er einen unbefriste­ten Vertrag ausgeschla­gen, wenn er ihn angeboten bekommen hätte?“Wohl kaum.

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FOTO: DPA Sein Fall könnte zum Präzedenzf­all werden: Torhüter Heinz Müller.

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