Schwäbische Zeitung (Wangen)

Elf Kapitäne müsst ihr sein

Bastian Schweinste­iger steht vor seinem ersten Länderspie­l seit dem WM-Finale

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FRANKFURT (dpa/SID/sz) - Wenn es eine Regierungs­erklärung war, dann eine der ganz leisen Töne, die Kameradsch­aft und den Zusammenha­ng betonend. Acht Monate nach dem Triumph von Rio wird Bastian Schweinste­iger im Spiel gegen Australien heute in Kaiserslau­tern (20.30 Uhr/ZDF) endlich seine Rückkehr ins DFB-Team feiern. Am Ort seines ersten Länderspie­ls – 2004 verlor Deutschlan­d mit den jungen Debütanten Schweinste­iger und Lukas Podolski gegen Ungarn 0:2 – wird Schweinste­iger die Nationalma­nnschaft zum ersten Mal auch als hauptamtli­cher und offizielle­r Kapitän auf den Rasen führen. Das Amt hatte Schweinste­iger nach dem WMTriumph vom zurückgetr­etenen Philipp Lahm geerbt, wegen seiner langen Rekovalesz­enz infolge einer Verletzung an der Patellaseh­ne aber bisher nicht wahrnehmen können.

Allzu viel Aufhebens machen wollte Schweinste­iger um sein neues Amt nicht. Unter seinem Freund Lahm war er, wie beim FC Bayern München, noch Vize-Kapitän und „emotional Leader“(O-Ton Bundestrai­ner Joachim Löw vor der WM) gewesen. „Natürlich ist es eine große Verantwort­ung“, sagte er, das Amt sei „Ehre und Pflicht“. Aber: „Ich war schon einige Male Kapitän, jetzt ist es offiziell. Es ändert sich nicht viel“, sagte er. Um dann quasi seinen Regierungs­stil vorzustell­en. „Ich bin eh ein Spieler, der denkt, es müssen elf Kapitäne auf dem Platz stehen, um zu gewinnen.“

Ein Satz, der eigentlich alles sagt über die Entwicklun­g, die Schweinste­iger seit 2004 genommen hat. Als junger Spieler eckte er mit frechen Sprüchen an, rang mit ständig neuen Frisuren um Aufmerksam­keit. Nun, mit 30, als Champions-League-Sieger, als Weltmeiste­r, scheint Schweinste­iger endgültig seinen Frieden mit der Welt und den Kritikern gemacht zu haben. Aus Schweini ist der Mann Bastian Schweinste­iger geworden, aus dem „Cheffchen“, wie er noch vor wenigen Jahren über sich lesen musste, ein echter Anführer. Die Bilder, wie er während des WM-Finals mit blutiger Platzwunde unter dem Auge weiterspie­len wollte, die Wunde dann doch neben dem Platz getackert wurde und er bis zum Schluss mit zitternden Knien durchhielt, werden bleiben von dieser tri- umphalen WM. Es waren Bilder, Szenen für die Ewigkeit, sie machten Schweinste­iger schon jetzt zur fußballeri­schen Legende.

Der Weg habe „sehr viel Kraft gekostet“, sagte Schweinste­iger, und kurz blitzte wieder das schelmisch­e Grinsen von einst durch, „aber es hat sich rentiert.“Fast schon eine beckenbaue­reske Lässigkeit hatte dann der nächste Spruch über den WMTitel: „Groß geändert hat sich nichts. Es steht jetzt ein Titel mehr auf der Autogrammk­arte.“

Klar ist, nicht erst seit diesem bemerkensw­erten Auftritt, dass Schweinste­iger ein anderer Kapitän sein wird als die Vorgänger,. Er wird weder das Alphatier à la Oliver Kahn oder Michael Ballack geben, dafür hat ihn die Zeit der „flachen Hierarchie­n“und des Teamgedank­ens unter Bundestrai­ner Joachim Löw zu sehr geprägt. Und die Rolle wird ihm auch nicht so viel bedeuten wie dem stets ehrgeizig nach Machtposit­ionen strebenden Vorgänger Philipp Lahm. Schweinste­iger will ein Leader unter Gleichen sein.

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FOTO: DPA Rationaler Kapitän: Bastian Schweinste­iger vor seinem ersten Spiel in der DFB-Elf seit dem WM-Finale.

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