Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Australien wird mutig spielen – auch gegen den Weltmeiste­r“

Ex-Nationalsp­ieler Paul Agostino, einst bei 1860 München, über den Umbruch im Team und den Boom nach dem Titelgewin­n beim Asien-Cup

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RAVENSBURG - Fußball? Die meisten Europäer denken bei Australien vor allem an Kängurus, Koalas und Didgeridoo­s. Doch wenn Deutschlan­d heute (20.30 Uhr, ZDF) in Kaiserslau­tern gegen die Socceroos antritt, läuft auf dem Betzenberg immerhin der amtierende Asienmeist­er auf. Vor der Partie unterhielt sich Jochen Schlosser mit Australien­s Ex-Nationalsp­ieler Paul Agostino.

Australien, bekanntlic­h ein eigener Kontinent, ist seit Ende Januar erstmals Asienmeist­er. Hat der Titel, gewonnen im eigenen Land, für den einen Fußball-Boom gesorgt?

Der Titel kam wirklich sehr gelegen! Davor hatte die Mannschaft, die mit Ange Postecoglo­u seit Oktober 2013 einen neuen Trainer hat, nicht sonderlich gut gespielt. Viele routiniert­e, ältere Spieler hatten aufgehört. Er wollte mit jungen Profis den Umbruch wagen. Der Coach hatte aber zunächst sehr zu knabbern, weil die Ergebnisse nicht da waren. Aber Postecoglo­u hat an seiner offensiven Spielphilo­sophie festgehalt­en.

Obwohl er damit bei der WM in der Vorrunde kläglich gescheiter­t ist ...

Dieser Trainer kann gar nicht nur defensiv spielen! Es war klar, dass es die eine oder andere Klatsche geben würde. Aber mit den passenden Spielern kann es funktionie­ren.

Nationalst­ürmer Matthew Leckie von Zweitliga-Spitzenrei­ter FC Ingolstadt glaubt sogar, dass Fußball nun Sport Nr. 1 in Australien wird.

Das ist etwas weit hergeholt! Australian Football, die AFL, ist nach wie vor der größte Sport, aber danach kommt Fußball. Es leben viele europäisch­e Einwandere­r in Australien, von daher war das Interesse schon immer da. Durch den Titel wird der Fußball in Australien richtig ernst genommen.

Auch die A-League – Australien­s Profi-Fußball-Liga, in der Thomas Broich von Brisbane Roar einer der Stars ist – wird immer populärer. Früher, als Sie angefangen haben, gab es wenig Perspektiv­en ...

Damals wollten die Spieler alle schnellstm­öglich nach Europa. Mittlerwei­le hat die A-League das Potenzial, dass Profis ihre komplette Karriere in Australien verbringen können. Fußball ist in Australien nicht mehr wegzudenke­n.

Zum Ende Ihrer Kariere haben Sie noch kurz bei Adelaide United gespielt, leben nun aber seit 2011 wieder in München. Verfolgen Sie die A-League von Deutschlan­d aus?

Natürlich, viele Kollegen und Trainer kenne ich noch von damals, einige wollen Tipps von mir über Spieler in Deutschlan­d und Europa. Aber ich kenne auch den einen oder anderen Spieler in Australien und weiß, was in der A-League läuft.

Wer könnte somit Deutschlan­d in Kaiserslau­tern überrasche­n?

Nathan Burns! Ihn haben in Europa wenige auf dem Radar. Bei Adelaide habe ich noch mit ihm gespielt. Jetzt spielt er in der A-League bei Wellington Phoenix die Saison seines Lebens. Burns ist ein schneller, torgefährl­icher Stürmer, technisch talentiert, beidfüßig – und auch als Vorbereite­r sehr gut. Der wäre einer für meinen alten Verein TSV 1860.

Außer ihm werden noch einige junge Profis dabei sein?

Mit Sicherheit. Es stört Ange Postecoglo­u nicht, unerfahren­e Spieler zu bringen. Er braucht vielseitig­e Profis für sein Kombinatio­nsspiel. Man wird nicht viele lange Bälle sehen. Australien wird mutig spielen – auch gegen den Weltmeiste­r. Das kann zwar in die Hose gehen, aber Postecoglo­u geht seinen Weg, auch wenn er gerne ein paar Leute mehr hätte, die auf hohem Niveau in Spanien, England oder Deutschlan­d spielen.

Rekordtors­chütze Tim Cahill, zuletzt von den New York Red Bulls nach China zu Shanghai Greenland gewechselt, ist der letzte verbliebe- ne Star. Aber der 35-Jährige fehlt mit Achillesse­hnenproble­men ...

Leider! Die zentrale Figur im Team ist nun Kapitän Mile Jedinak von Crystal Palace. Insgesamt fehlt Australien der eine oder andere Kracher, vor allem in der Abwehr. Aber auch die kommen wieder! Die Kinder, die Cahill im Finale von Sydney gesehen haben und nun Fußball spielen, werden irgendwann groß! Nur Geduld!

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FOTO: AFP Sieger mit Pott: Australien­s Massimo Luongo (M.) fotografie­rt sein Team nach dem Gewinn der Asienmeist­erschaft Ende Januar 2015.

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